Ein bisschen schwanger gibts nicht - Gibts ein bisschen nichtig?

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 02.08.2010
Rechtsgebiete: Sittenwidrigkeit von EheverträgenFamilienrecht10|4453 Aufrufe

Irina kommt im Jahr 2000 mit knapp 18 Jahren aus ihrer ukrainischen Heimat nach Deutschland. Im Rahmen ihrer Tätigkeit für einen exklusiven „Escort-Service“ lernt sie ihren späteren Ehemann kennen, der in dieser Zeit äußerst erfolgreich als Börsenmakler tätig ist. Irina wird schwanger und es wird geheiratet. Noch kurz vor der Hochzeit – Irina ist im 7. Monat – drängt er auf Abschluss eines Ehevertrages. In diesem verzichtet sie auf sämtliche Unterhaltsansprüche und auch auf den Versorgungsausgleich, ferner wird Gütertrennung vereinbart. Irina versteht wegen ihrer noch schlechten Deutschkenntnisse den nuschelnden Notar nicht. Sie hat nur Angst, ohne die Heirat in ihre Heimat abgeschoben zu werden.

Ein klassischer Fall eines sittenwidrigen und damit nichtigen Ehevertrages, oder?

Aber die Zeiten ändern sich. Irina schafft den Durchbruch im Filmgeschäft und wird in einem bestimmten Genre zur gesuchten und gut bezahlten Aktrice.

Ihr Mann verliert während der Bankenkrise seinen Job und sein gesamtes Vermögen. Er ist arbeitsunfähig (Depression, burn out) und verlangt von Irina - der Ehevertrag ist ja nichtig - Unterhalt und Zugewinn.

Und nun?

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10 Kommentare

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Bin zwar nur Strafrechtler, aber vielleicht hilft hier  ja der Grundgedanke des "venire contra factum proprium" (s.u. #8: treffender um den Grundsatz: Nemo auditur turpitudinem suam allegans. = Niemand wird gehört, der aus seiner eigenen Schändlichkeit (vorteilige Rechtsfolgen) herleiten will). Danach dürfte sich der Mann nicht auf die Nichtigkeit eines sittenwidrigen Geschäfts berufen, die er selbst durch sein Verhalten hervorgerufen hat.
Zudem würde es dem Schutzzweck der Norm zuwiderlaufen, ihn nun davon profitieren zu lassen, dass er sie "über den Tisch ziehen" wollte.

Die Frage "ein bißchen nichtig" geht mE an dem Fall vorbei. Es geht nicht darum, ob der Vertrag "ein bißchen nichtig" ist, sondern ob nachträgliche Umstände die Beurteilung als anfängliche insgesamt nichtig beeinflussen können.

Maßgeblich für die Frage der Sittenwidrigkeit ist doch grundsätzlich der Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsgeschäfts.

Eine "Änderung der Geschäftsgrundlage", die bei Vertragsschluss nicht bekannt oder vorhersehbar war, führt nicht dazu, dass aufgrund dieser ex-tunc- Erkenntnis der nichtige Vertrag qua Anpassung "sittenkonform " oder geheilt wird. Dies zeigt auch § 141 BGB, der zwar  die Bestätigung des nichtigen Rechtsgeschäfts ermöglicht, dafür aber - nach hM und Rechtsprechung - in derselben gesetzlichen Form. Das ergibt auch Sinn, denn die Vertragsparteien sollen sich durchaus auch Gedanken machen, ob und inwieweit sie die (ungewollt?) unwirksame Regelung durch eine wirksame ersetzen wollen und auch nach der Mindermeinung, die formlose Bestätigung zulässt, ein irgendwie als Bestätigung erkennbares Verhalten zeigen.

Allenfalls kann es  treuwidrig sein, sich bei geänderten Umständen, die den Sittenwidrigkeitsvorwurf beseitigen würden, auf die Sittenwidrigkeit zu berufen.

Aber alle diese Punkte sind in Rechtsprechung und Literatur doch bereits abgehandelt. Warum ein neues Faß im Blog aufmachen?

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Also so wie ich das sehe hat ja nur sie auf sämtliche Unterhaltsansprüche und auch auf den Versorgungsausgleich verzichtet. D.h., er kann durchaus etwas verlangen, also Unterhalt und Versorgungsausgleich. Dass ferner Gütertrennung vereinbart spielt dann auch keine Rolle.

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Ich schließe mich der Meinung von Prof. Dr. Müller an. Es widerspricht m.E. jedem gesunden Rechtsempfinden, wenn sich der Ehemann auf einen nichtigen Vertrag beruft und die Umstände, die zur Nichtigkeit geführt haben, selbst hervorgerufen hat. Wenn er nun Ansprüche aus diesem Vertrag geltend machen will, so widerspricht dies dem Verbot des widersprüchlichen Verhaltens im Rechtsverkehr.

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Ist es tatsächlich "widersprüchliches Verhalten", wenn ich mich - nachdem ich erkenne, daß meine abweichende Regelung gescheitert ist - auf die Gesetzeslage berufe? M.E. nein. I.Ü. müsste man sich mal ansehen, wie schwer es ist, einen Unterhaltsanspruch durch Fehlverhalten zu "verwirken" - daß ausgerechnet der Versuch, den Unterhalt vertraglich auszuschließen, viel einfacher zum Verlust der Ansprüche führen soll, ist m.E. auch nicht durch ein so zweifelhaftes Rechtsinstitut wie das "widersprüchliche Verhalten" zu rechtfertigen.

 

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Nichtig ist nichtig. Letztlich geht es doch um die Frage, ob die Ehefrau oder die Solidargemeinschaft für den Ehemann einspringen muss. Da ist mir die Ehefrau lieber. Sonst hätten wir hier am Ende noch einen Vertrag zu Lasten Dritter - in einem untechnischen Sinn.

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@code: Ihr Argument überzeugt nun nicht, denn solche Eheverträge "zu Lasten Dritter" sind ja ganz allg. zugelassen.
@Lurker:
Ich hatte oben das falsche lateinische Rechtszitat angeführt. Es geht mir vielmehr um diesen Grundsatz:

Nemo auditur turpitudinem suam allegans. = Niemand wird gehört, der aus seiner eigenen Schändlichkeit vorteilige Rechtsfolgen herleiten will.

Hierbei geht es nicht um widersprüchliches Verhalten, sondern, wie ich oben schon ausführte, darum, dass er sich nicht auf die Nichtigkeit berufen kann, die er selbst schuldhaft hervorgerufen hat.

Dies ist im Grundsatz höchstrichterlich anerkannt; vgl. nur BGH, VII ZR 42/07, BGHZ 176, 98; allgemeine Ausführungen bei Rn. 12 und 13

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Wenn nun die Frau den Mann zum Abschluss einer Ehe gedrängt hat, um nicht schwanger abgeschoben zu werden und seinen Unterhalt zu bekommen, ist diese Ehe doch aus dem gesunden Volksempfinden sittenwidrig.

Wieso machen sich hier alle Gedanken, mit welchem Rechtsgrundsatz man nun die Frau schützen kann? Scheinbar sind einige Geschlechter vor Justizia gleicher als gleich.

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