Monopolkommission verlangt "Einhegung der Tarifpluralität"

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 16.07.2010

Die Monopokommission hat sich in ihrem gerade vorgestellten neuen Hauptgutachten u.a. mit dem (geänderten) rechtlichen Bedingungen der Lohnfindung befasst. Das von Weisungen unabhängige Expertengremium beobachtet nach eigener Aussage mit Sorge den wachsenden Einfluss der Politik auf die Lohnfindung. Mindestlöhne hält die Monopolkommission ökonomisch für problematisch, weil sie erhebliche negative Auswirkungen auf die nachgelagerten Produktmärkte haben könnten. Die Monopolkommission weist insoweit auch darauf hin, dass die Allgemeinverbindlicherklärung gemäß Tarifvertragsgesetz und Arbeitnehmer-Entsendegesetz eine erhebliche staatliche Regelungskonkurrenz für die Tarifparteien darstellt und somit zu einer Schwächung der Tarifautonomie führen kann. Sorgen bereitet der Monopolkommission auch das Aufkommen von Spartengewerkschaften, insbesondere nach der Entscheidung des BAG, den Grundsatz der Tarifeinheit bei Tarifpluralität aufzugeben. Wörtlich heißt es hierzu im Gutachten:

 "Erfolgreiche Spartengewerkschaften befinden sich an strategisch wichtigen Knotenpunkten des Wirtschaftsprozesses. Dieses Drohpotenzial ermöglicht ihnen eine größere Verhandlungsmacht gegenüber einer großen heterogenen Einheitsgewerkschaft. Insofern ist es für verhandlungsstarke Berufsgruppen rational, separate Lohnverhandlungen mit dem Arbeitgeber bzw. dem Arbeitgeberverband zu führen. Das zu beobachtende vermehrte Aktivwerden von Spartengewerkschaften ist indes mit einer ganzen Reihe von Problemen verbunden. Angesprochen sei zunächst der komplementäre Tarifwettbewerb zulasten verhandlungsschwächerer Arbeitnehmergruppen. Der Sinn kollektiver Lohnverhandlungen liegt jedoch gerade darin, Verhandlungsschwächen bestimmter Arbeitnehmergruppen im Vergleich zur Arbeitgeberseite zu kompensieren. Überdies scheint es kein Zufall zu sein, dass sich Spartengewerkschaften vornehmlich auf Märkten des Verkehrs- und Gesundheitssektors konzentrieren, also auf Märkten, auf denen lange Zeit monopolartige Strukturen herrschten. Auf Märkten mit subventionierten Unternehmen (etwa SPNV-Unternehmen) oder einer generellen Versicherungspflicht, wie der Krankenversicherungspflicht im Gesundheitssektor, taucht überdies das Problem auf, dass sich höhere Löhne über höhere Subventionsforderungen oder höhere Krankenkassenbeiträge leicht überwälzen lassen. In derartigen Bereichen der Daseinsvorsorge können also höhere Löhne gleichsam automatisch einfach an schutzlose Dritte weitergereicht werden. Zu befürchten sind darüber hinaus als Ergebnisse von Tarifpluralität Überbietungswettbewerbe diverser Konkurrenzgewerkschaften in den Verhandlungen sowie ein Dominoeffekt auf andere gewerkschaftlich vertretene Berufsgruppen. Hinzuweisen ist im Falle eines stärkeren Gewerkschaftswettbewerbs auch auf eine mögliche Zunahme von Streiks.“

Als dringliche Aufgabe des Gesetzgebers und der Arbeitsgerichtsbarkeit hebt das Gutachten „die Entwicklung von Instrumenten zur Einhegung der faktisch bereits wirksamen Tarifpluralität“ hervor. Die Kommission schlägt fünf Lösungsmöglichkeiten vor: die zeitliche Synchronisierung laufender Tarifverhandlungen unterschiedlicher Gewerkschaften mit der Arbeitgeberseite, Kooperationspflichten der Gewerkschaften, ein umfassendes Aussperrungsrecht, ein zwingend vorgeschaltetes Schlichtungsverfahren und eine verschärfte Missbrauchsaufsicht durch die Kartellämter.

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