Volkstümliche Irrtümer Familienrecht (VI)

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 01.07.2010

Leichte Schläge sind gegenüber Kindern als Erziehungsmittel erlaubt.

Nein.

Jegliche körperliche Bestrafung ist unzulässig, auch wenn sie nicht die Intensität einer Misshandlung erreicht. Die „Tracht Prügel“, das Schlagen mit der Faust oder der flachen Hand (Ohrfeige), aber auch schon der „Klaps auf den Po“ sind verboten. Auch das Beißen des Kindes in das Gesäß (vorgeblich zu Erziehungszwecken) stellt eine unzulässige körperliche Bestrafung dar (ThürOLG FamRZ 2003, 1319). „Klapse“ auf Hände und Unterarme verstoßen gegen das Recht auf gewaltfreie Erziehung und können eine Änderung des Aufenthaltsbestimmungsrechts begründen.

Erst recht verboten ist das „Durchschütteln“, insbesondere eines Säuglings, da dieses zu schwersten Verletzungen (Schütteltrauma) führen kann.

Nach heute herrschender Meinung kann eine körperliche Bestrafung des Kindes strafrechtlich  nicht mehr gerechtfertigt sein.Mit der Neufassung des § 1631 II BGB ist der früher angenommene Rechtfertigungsgrund des Gewohnheitsrechts entfallen. Fraglich kann strafrechtlich allenfalls noch sein, ob ganz leichte Züchtigungen (der berühmte „Klaps auf den Po“) die Schwelle zur Körperverletzung nach § 223 StGB schon überschreiten.

Auch Dritten steht ein Züchtigungsrecht des Kindes weder aus eigenem noch aus übertragenem Recht zu.

Lehrern ist dies durch die einschlägigen Landesgesetze dienstrechtlich untersagt, auch eine Berufung auf Gewohnheitsrecht ist (jetzt) ausgeschlossen. Arbeitgebern verbietet § 31 JArbSchG die körperliche Züchtigung.

Auch alle anderen Dritten (z.B.: Pflegeeltern, Busfahreren, Bademeistern, Passanten etc.) steht ein Züchtigungsrecht nicht zu.

Da die Personensorgeberechtigten kein Züchtigungsrecht haben, können sie ein solches auch nicht (wie früher angenommen) auf Dritte übertragen.

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10 Kommentare

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In § 1631 Abs. 2 BGB steht zwar, dass Kinder ein Recht auf gewaltfreie Erziehung haben, aber eine Körperverletzung i.S.v. § 223 StGB setzt immer noch eine üble und unangemessene Behandlung voraus, die das körperliche Wohlbefinden mehr als unerheblich beeinträchtigt. Hierunter würde ich den berühmten Klaps auf den Po oder die unmittelbare leichte Ohrfeige nach einem plötzlichen und unachtsamen auf die Straße laufen eines Kleinkindes keinesfalls drunter subsumieren, es fehlt m.E. nach an der unangemessenen Behandlung bzw. der mehr als unerheblichen Beeinträchtigung. Gleiches muss aufgrund der Einheit der Rechtsordnung auch für die zivilrechtliche Wertung i.S.v. § 823 oder auch § 1666 BGB gelten.

Und um meine nicht wissenschaftliche Meinung dazu abgeben zu dürfen: Mir hat als Kind eine Ohrfeige oder der eine oder andere schmerzhafte Klaps auf den Po nicht geschadet und bei einigen Kindern könnte man meinen, dass ihnen das wirklich fehlt. Darüber hinaus denke ich, dass § 1631 Abs. 2 BGB das Erzeugnis eines falsch verstandenen Erziehungsansatzes ist. Man kann mit einem Kleinkind m.E. nicht darüber diskutieren, ob es nun richtig oder falsch ist, wenn man dem Hund am Schwanz zieht, unachtsam auf die Straße rennt oder Sachen kaputt schmeisst. Natürlich - und das möchte ich hervorheben - darf dieser Klaps auf den Po oder die leichte Ohrfeige nicht tatbestandsmäßig sein; die Tracht Prügel, die Ohrfeige mit dem Handrücken oder der Stockschlag ist daher ausgenommen. Zudem geht es mir nicht darum die willkürliche Züchtigung zu legitimieren, sondern das (Klein)Kind sollte unmittelbar zu spüren bekommen, warum es was falsch gemacht hat.

Ich denke auch, dass ich mit dieser relativ harmlosen Ansicht nicht unbedingt alleine auf weiter Flur stehe. Aber die Familiengerichte werden das wohl nach den obigen Angaben anders sehen. Aber Eltern, die sich auch in dieser Hinsicht um ihre Kinder "kümmern" sind nicht unbedingt schlechte Eltern. Mir würde es bspw. seelisch schon sehr weh tun, wenn ich mein Kind später mal körperlich "züchtigen" müsste, aber ich wüßte in gewisser Hinsicht, dass es den Klaps auf den Po verdient hat und hoffentlich daraus gelernt hat.

MfG,

Kant :-)

 

PS: Ich hoffe, dass ich nicht missverstanden wurde.

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Ich kann dem Kommentar von Kant weitgehend zustimmen, mit der Ausnahme, dass ich Schläge ins Gesicht (Ohrfeigen) für niemals angebracht halte. Der gleiche Erziehungszweck kann nur einen "Klaps auf den Po" auch erreicht werden.

Den halte ich aber (auch aus eigener Kindheitserfahrung) für unproblematisch.

 

Das Problem ist für Rechtsprechung und Gesetzgebung wohl, dass man sich nicht in der Lage sieht, eine brauchbare Abgrenzung zwischen Erziehung und Misshandlung zu finden, v.a. auch eine, die allen Eltern klargemacht werden kann. Wenns immer verboten ist, muss man auch mit niemandem diskutieren, fuer den ein erlaubter "Klaps auf den Po" auch noch gegeben ist, wenn das Kind so verhauen wird, dass es danach stundenlang nicht sitzen kann.

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Man kann mit einem Kleinkind m.E. nicht darüber diskutieren, ob es nun richtig oder falsch ist, wenn man dem Hund am Schwanz zieht, unachtsam auf die Straße rennt oder Sachen kaputt schmeisst

richtig.

Und deshalb ist es erlaubt, dass Kind gewaltsam von dem Hund/vom Straßenrand wegzuziehen, ihm das Feuerzeug/den Stein gewaltsam wegzunehmen.

Warum anschließend zusätzlich der Klaps/die Ohrfeige?

Dieser populärpsychologische Unsinn ("hat mir nie geschadet") tut ja fast mehr weh als die Ohrfeige.

Wer Anlass sieht, sein Kind zu (ver-)hauen, hat ganz offenbar vorher selbst etwas verkehrt gemacht. Die sehr guten Beispiele mit der Straße und dem Hund zeigen, wie wichtig es ist, Kinder langsam und beharrlich auf die vielen Gefahren in ihrer Umwelt heranzuführen. Klar verstehen (kleine) Kinder nicht, warum sie an der Straße stehen bleiben sollen und nur an Papas/Mamas Hand rübergehen dürfen. Klar verstehen sie nicht, wieso der niedliche Hund nicht so abgeknuddelt werden darf, wie es die Kinder im Lieblingsbuch doch auch machen. Aber den Schlag in den Nacken verstehen sie erst Recht nicht.

Erst als junger Papa hab verstanden, was "gebetsmühlenartig" wirklich bedeutet. Und sich auf Augenhöhe mit seinem Kind zu begeben und es durchaus auch mal fest (nicht grob) an den Schultern zu halten und die elterliche Weisheit eindringlich zu vermitteln, hat sich noch immer als beste Lösung erwiesen. Klar wird das Kind auch zum x-ten Mal den Herd andrehen, aber irgendwann hat es verstanden, dass es das nicht darf. Ob die Backpfeife dazu führt, dass das früher passiert, halte ich für sehr unwahrscheinlich.

Deshalb also vielen Dank, Herr Burschel, für diesen Beitrag.

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@Kant:

Das Kriterium der "unangemessenen" Behandlung ist zwar seit Jahrzehnten Teil der Definition der Körperverletzung, aber bislang immer eine Leerformel geblieben - mir ist keine einzige Entscheidung oder Literaturstelle bekannt, die eine KV mit dem Argument abgelehnt hätte, in der gegebenen Situation sei eine üble Behandlung (!) angemessen gewesen.

 

Wer jetzt auf die Idee kommt, den - weitgehend unstreitig - weggefallen Rechtfertigungsgrund des Züchtigungsrechts in den Tatbestand zu verlegen und hierfür ein Kriterium anzuwenden, das bislang keinerlei Bedeutung hatte, handelt m.E. jedenfalls dann unseriös, wenn er nicht gleichzeitig bereit ist, das Kriterium auch für andere Fälle zu überdenken. Hierzu ist aber m.W. niemand bereit.

I.Ü. scheint es mir auch höchst zweifelhaft zu sein, ob eine körperliche Sanktion (!) gegen Kinder als "angemessen" gesehen werden kann - hier müsste sich m.E. die Diskussion zum Züchtigungsrecht eins zu eins wiederholen.

 

Daß man - selbstverständlich - gefährdete Kinder vom Gefahrenherd wegreißen darf, steht auf einem ganz anderen Blatt - mit Sanktionen für Fehlverhalten hat das jedoch nichts zu tun.

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@ Lurker: Ich möchte Sie an dieser Stelle auf Wessels / Beulke - Strafrecht AT, 36. Auflage, S. 133 ff. bzw. Rndr. 386 ff. aufmerksam machen.

@ Papa M : Von verhauen hat niemand gesprochen. Auch ich nicht. Es bedarf wohl einer Betrachtung des Einzelfalles. Hämatome oder Ähnliches lehne ich auch kategorisch ab.

@ Hans - Otto Burschel: Wo liegt denn dann die Grenze zwischen dem gewaltsamen Wegziehen / Wegnehmen und einem Klaps auf den Po? Kann m.E. beides leicht schmerzvoll sein.

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@Kant:

 

Was wollen Sie mir mit dieser Stelle sagen? Ich habe ja nicht behauptet, daß alleine*SIE* unseriös sind, sondern daß sämtliche Autoren, die das - funktionslose - Kriterium der "Unangemessenheit" nur und ausschließlich "wieder"entdecken, um das elterliche Züchtigungsrecht weiterhin aufrechterhalten zu können, unseriös sind. Hierzu gehören Wessels/Beulke mit der von ihnen zitierten Textstelle ebenso wie andere Autoren...

 

Wie gesagt: Wenn jemand generell der Meinung ist, das Kriterium der "Angemessenheit" mit Leben füllen zu können - gerne. Wer das aber nur als Ausrede dafür mißbraucht, um die Entscheidung des Gesetzgebers umgehen zu können, ist m.E. wissenschaftlich kaum ernst zu nehmen.

 

 

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@ Kant

Ich habe die neueste Auflage des Wessels nicht zur Hand

Aber noch deutlicher

(2) Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.

kann sich ein Gesetzgeber eigentlich nicht ausdrücken.

I.Ü. siehe Malte S.

@Kant: zu Ihrem dritten Punkt im Post #6:

Der Unterschied liegt im Vorsatz, und um den geht es ja auch bei der Frage der "Erziehung" (falls es so etwas oder generalisierbare Konzepte davon überhaupt gibt), der planvollen Einwirkung aufgrund einer bewussten oder unbewussten Theorie/ Vorstellungswelt über Erziehung und wie Kindervehalten korrekterweise zu sein hätte:

Der Gesetzgeber postuliert zu Recht die Fähigkeit der Erziehenden, unterscheiden zukönnen, ob man das Kind von der Gefahrenquelle wegzieht, und es dabei schmerzhaft anfasst, oder ob man körperlicht (oder, bisher nicht Teil dieser Diskussion psychologisch/verbal) darauf einwirkt, mit dem genauen Ziel, für den Moment Schmerzen hervorzurufen (oder zu demütigen/im übertragenen Sinn zu verletzen/herabzuwürdigen etc).

Wenn das Kind nicht mehr an der Gefahrenquelle ist, war das "Wegziehen" erfolgreich, unabhängig von der Frage, ob die Aktion wehgetan hat, oder nicht.

Wenn das körperliche Einwirken aber nicht wehgetan hat, dann war diese Aktion (Klaps) noch nicht erfolgreich, weil ihr Ziel ja der Schmerz war.

Aus "Empfängersicht" vielleicht ein geringerer Unterschied, aber die Gesetzesnorm wendet sich ja an den "Aussendenden" (bzw Austeilenden). Außerdem glaube ich, dass Kinder durchaus wahrnehmen, ob ihm gerade "planvoll Schmerz zugefügt wird" oder es sein Verhalten mit Körpereinsatz umgesteuert wird.

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Warten wir es mal ab, ob und ggf. inwiefern das BVerfG das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und das elterliche Erziehungsrecht gem. Art. 6 GG miteinander abwägt. Im Gegensatz zu Lehrern steht den Eltern ja dieses Grundrecht zu, aber selbstverständlich dürfte das Grundrecht allenfalls bagatellhafte bzw. nur sehr sehr geringfügige "Erziehungsmaßnahmen" erlauben.

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