Generalanwältin beim EuGH: Tarifverträge zur Entgeltumwandlung im öffentlichen Dienst verstoßen nicht gegen EU-Vergaberecht

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 14.04.2010

Generalanwältin Trstenjak hat beim EuGH beantragt, die Klage der EG-Kommission im Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland abzuweisen (C-271/08).

Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes haben einen Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung (§ 1a BetrAVG). Dieser ist durch Tarifvertrag dahingehend ausgestaltet, dass als Versorgungsträger regelmäßig nur diejenige Zusatzversorgungseinrichtung gewählt werden kann, die auch Trägerin der arbeitgeberfinanzierten Zusatzversorgung ist. Die EG-Kommission sieht hierin einen Verstoß gegen das Vergaberecht. Sie wirft Deutschland vor, dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Vergabe-Richtlinie (2004/18/EG) verstoßen zu haben, dass eine Vielzahl großer Städte Rahmenvereinbarungen über die betriebliche Altersvorsorge ihrer Angestellten ohne europaweite Ausschreibung direkt mit tarifvertraglich ausgewählten Versorgungsträgern abgeschlossen haben.

Die Generalanwältin empfiehlt dem EuGH jetzt, die Klage der Kommission abzuweisen:

(235) Zusammenfassend komme ich zu dem Ergebnis, dass die deutschen Kommunen beim Abschluss der in Rede stehenden Rahmenvereinbarungen über die betriebliche Altersvorsorge ihrer Angestellten die Bestimmungen der Richtlinie 92/50 bzw. der Richtlinie 2004/18 zu beachten hatten, soweit die sachlichen und personellen Anwendungsvoraussetzungen dieser Richtlinien erfüllt waren. Der Nachweis, dass der Geltungsbereich der Vergaberichtlinien eröffnet war, obliegt jedoch der Kommission, ohne dass sich diese dabei auf Vermutungen stützen darf.

(236.) Für die Beurteilung des vorliegenden Verfahrens ist letztlich entscheidend, dass die Kommission ihre Berechnungen über den Auftragswert der einzelnen Rahmenvereinbarungen und über das Erreichen der für die Anwendung der Vergaberichtlinien geltenden Schwellenwerte auf die Vermutung gestützt hat, dass jede Stadt einer bestimmten Größenordnung nur eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen habe. Weil die deutsche Regierung diese Vermutung bereits im Vorverfahren als unzutreffend bestritten hat und ihr in diesem Zusammenhang keineswegs der Vorwurf mangelnder Mitwirkung bei der ordnungsgemäßen Sachverhaltsaufklärung gemacht werden kann, ist die Klage der Kommission im Ergebnis als unzureichend substantiiert und demnach unbegründet abzuweisen.

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