"Elena" macht Kummer
von , veröffentlicht am 02.01.2010Am 1.1.2010 ist das größte Datenerfassungsprojekt in der deutschen Geschichte an den Start gegangen. Alle Arbeitgeber müssen von nun an das Arbeitsentgelt ihrer Beschäftigten an eine zentrale Speicherstelle melden, die bei der Deutschen Rentenversicherung angesiedelt ist. "Elektronischer Entgeltnachweis" (Elena) heißt das Projekt. Betroffen sind ca. 3 Millionen Arbeitgeber und bis zu 40 Millionen Beschäftigte in Deutschland. Bislang wurden entsprechende Bescheinigungen ausgedruckt und per Post versandt. Das bereits von der Großen Koalition in Gang gesetzte Projekt soll die Papiermeldungen entfallen lassen und einen Beitrag zur Entbürokratisierung darstellen. Die neue Datenerfassung ist jedoch zuletzt bei Gewerkschaften, Politikern und Datenschützern auf massive Kritik gestoßen. Denn die Arbeitgeber müssen vieles melden: was der Arbeitnehmer verdient, wie viele Tage er krank war, wie viele Tage er (legal oder illegal) gestreikt hat oder ausgesperrt wurde, ob er abgemahnt wurde, aus welchem Grunde das Arbeitsverhältnis endete usw. Es erstaunt in der Tat, dass die zuletzt deutlich gestiegene Sensibilität in puncto Arbeitnehmerdatenschutz (Stichwort: gläserner Arbeitnehmer) das Elena-Verfahren erst so spät erreicht hat. Der Vorsitzende der Dienstleistungsgerwerkschaft Verdi, Bsirske, kritisiert jetzt: "Ein ursprünglich sinnvolles Projekt wird durch eine aberwitzige Datensammelwut ins absolute Gegenteil verkehrt." Auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz sieht ein Missverhältnis zwischen umfassender Speicherung und punkueller Nutzung. Die neue Bundesarbeitsministerin von der Leyen lässt jetzt verlautbaren, dass die Erfassung der Arbeitnehmerdaten entschärft werden solle. Noch im Januar werde die neue Verordnung daraufhin überprüft, welche Angaben "wirklich zwingend erforderlich" seien.
Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
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5 Kommentare
Kommentare als Feed abonnierenle D kommentiert am Permanenter Link
Kein Wunder, dass das nicht vorher aufgefallen ist, denn das Gesetz ist IIRC im letzten November relativ kurzfristig in den Abendstunden einer Sitzung verabschiedet worden - mal wieder ohne dass vorher eine öffentliche Debatte stattgefunden hat.
Aber die ersten Verfahren gegen ELENA werden momentan vorbereitet. Würde mich sehr wundern, wenn das Gesetz diese Verfahren ohne Schäden übersetehen würde.
corax kommentiert am Permanenter Link
Das Gesetz ist schon seit Jahren in Vorbereitung:
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Jobcard-verzoegert-sich-149122.html
Und ich habe schon im Juli 2008 davor gewarnt und wurde dafür auch noch verspottet:
http://www.spreeblick.com/2008/06/30/die-demokratie-hat-aua/#comment-681205
Übrigens war/ist angedacht in ELENA auch noch minutengenau die Arbeitszeiten zu erfassen, als Grund werden die Arbeits/Wegeunfälle genannt die für die Berufsgenossenschaften von den Freizeitunfällen unterschieden werden müss(t)en.
Und die paar Korrekturen die jetzt evtl vorgenommen werden, werden später sowieso wieder rückgängig gemacht und dann noch ausgeweitet.
Das steht für mich fest.
aloa5 kommentiert am Permanenter Link
Vor ELENA wurde schon früh gewarnt. Ich glaube 2007 hat es angefangen.
Noch vor Jahresfrist hat Klaus (einer der Kläger gegen das Kfz-Scannen vor dem BVerfG) für die Piratenpartei eine PM herausgegeben:
http://web.piratenpartei.de/node/487
Medienecho: nicht vorhanden. Der "Huch"-Effekt ist - Mal wieder, wie schon bei der Vorratsdatenspeicherung, den Websperren usw. - ein Pressewitz in Tüten. Es ist scheinbar allgemeiner Konsens sich erst bei einem Zug welcher voll in Fahrt und nicht mehr aufzuhalten ist über dessen Existenz zu mokieren.
Das die FDP das ganze nicht weiter interessiert wundert sicher keinen mehr.
Grüße
ALOA
RA Dr. Frank A.Koch kommentiert am Permanenter Link
RA Dr. Frank A. Koch, München, 08.01.2010
Ist der ausführliche Katalog der vom Arbeitgeber an die Zentrale Speicherstelle zu übermittelnden Arbeitnehmerdaten eigentlich mit dem Recht der Arbeitnehmer auf informationelle Selbstbestimmung vereinbar ?
Immerhin beschränkt das Entgeltnachweisgesetz vom 28.03.2009 (kurz ENG) ausdrücklich auf die Angaben
- Versicherungsnummer
- Name, Vorname, Tag der Geburt und Anschrift des Beschäftigten
- Name und Anschrift des Arbeitgebers
- Betriebsnummer
(§ 97 I Satz 2 Nr. 1 - 3)
beschränkt.
Der umfassende Katalog der zu übermittelnden Daten soll nun auf die Gemeinsamen Grundsätze Anlage Datenbeschreibung (Grundlage: § 28 b II SGB IV) gestützt werden. Diese Verordnung (vom Bundesrat noch zu beschließen) kann aber bezüglich der Datentypen "Kündigung/Entlassung" (Nr. 3.14) und "Abmahnung" und "Schilderung des vertragswidrigen Verhaltens als Kündigungsgrund" (Nr. 2.1) nicht auf das ENG gestützt werden. Eine ausweitende Auslegung der Ausführungsverordnung wäre nicht von der engeren Ermächtiigungsgrundlage abgedeckt. § 97 I Satz 3 hält zudem fest: "Sonstige personenbezogene Daten darf die Meldung nicht enthalten". In der elektronischen Mitteilung auf der Basis des ENG dürfen deshalb derartige zusätzliche Daten nicht übermittelt werden.
Die erfolgte Einführung zusätzlicher übermittlungspflichtiger Datentypen über die ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage hinaus erscheint deshalb als nicht rechtswirksam möglich. Konsequenz: Die Arbeitgeber wären, dies vorausgesetzt, nicht rechtlich verpflichtet, etwa über Abmahnungen und Kündigungsgründe Daten zu übermitteln. Sie dürften dies nicht einmal.
Anonymous kommentiert am Permanenter Link
Das ELENA-Verfahren wurde selbst von den Arbeitnehmervertretern (Gewerkschaften) leider völlig verschlafen.
Gegen das Datenmonster "ELENA" und die damit verbundene Datenspeicherung auf Vorrat gibt es jetzt eine Online-Petition, von Peter Casper. Die E-Petition kann über die Seiten des Deutschen Bundestages erreicht werden. Ende der Mitzeichnungsfrist 02.03.2010
https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;pe...