Entscheidungsgründe des "Flashmob"-Urteils liegen vor

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 14.12.2009
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtArbeitskampfStreikflashmob6|5298 Aufrufe

Der Erste Senat des BAG hat die Entscheidungsgründe seines "Flashmob"-Urteils vom 22.9.2009 (1 AZR 972/08, dazu bereits BeckBlog vom 25.9.2009) vorgelegt. Darin heißt es u.a.:

Vor allem aber liegt ein erheblicher Unterschied zwischen dem Streik und den „Flashmob-Aktionen“ darin, dass diese als solche nicht mit einem erheblichen wirtschaftlichen eigenen Nachteil für die Aktionsteilnehmer verbunden sind. Der Streik als klassisches Arbeitskampfmittel der Arbeitnehmer führt in seinen verschiedenen Erscheinungsformen stets unmittelbar zu einem eigenen finanziellen Opfer der Streikenden. Da sie durch den Streik ihren Vergütungsanspruch verlieren, ist mit dieser Arbeitskampfmaßnahme immer eine Selbstschädigung verknüpft. Dies trägt - jedenfalls typischerweise - dazu bei, dass Gewerkschaften und Arbeitnehmer mit diesem Arbeitskampfmittel (eigen-)verantwortlich umgehen. (...) Schließlich sind gewerkschaftlich getragene und organisierte Streiks regelmäßig zuverlässig beherrschbar und stehen typischerweise nicht in Gefahr, durch ein weniger beeinflussbares Verhalten Dritter außer Kontrolle zu geraten.

Diese Unterschiede führen jedoch nicht dazu, dass „Flashmob-Aktionen“ als Arbeitskampfmittel stets unverhältnismäßig wären.

Im Folgenden wird ausgeführt, dass der Arbeitgeber sich gegenüber solchen Aktionen auf sein Hausrecht berufen und ggf. auch den Betrieb vorübergehend stilllegen könne.

Man darf gespannt sein, wie das Gericht reagiert, wenn anlässlich der nächsten Tarifauseinandersetzungen im öffentlichen Dienst eine mündliche Verhandlung des Ersten Senats vom "Blitzpöbel" gesprengt wird.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

6 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

"Blitzpöbel" scheint mir das Thema sehr zu verkürzen, liegt doch gerade in dieser kunstvollen, kreativen, friedlichen Protestform eine der wenigen Ausdrucksmöglichkeiten der Bürger, Öffentlichkeit für Missstände zu schaffen.

0

PS: Auch wenn die wörtliche Übersetzung so lauten mag, klingt sie doch irgendwie unangemessen, besser wäre eine eigene deutsche juristische Bezeichnung, wie etwa Konzertierte Spontanmobilisierung, in Abgrenzung zur Spontandemonstration.

0

Es ist sicher kein Zufall, dass die Flashmob-Aktion gerade im Einzelhandel stattgefunden hat. Hier gibt es nicht nur geringe tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten hinsichtlich des Zutritts zum Betriebsgelände, sondern wegen der häufig schlechten Arbeitsbedingungen auch ein erhebliches Mobilisierungspotential. Das Urteil des BAG stellt aber ja keine branchenspezifischen Rechtssätze auf, sondern beansprucht allgemeine Geltung.

Im Übrigen @ Martin: Der "Blitzpöbel" steht in Anführungszeichen.

@ Prof. Rolfs

Ist klar, ich wollte es auch nur mal grds. zur eingedeutschten Begriffsverwendung angemerkt haben. ;-)

Frohe Weihnachten!

0

@Lechner

Bei Sachbeschädigungen und Straftaten stimme ich zu, dass die Akzeptanz der Teilnehmer und Bevölkerung gering sein wird. Die Flash-mobs grds. dürften jedoch ihre Bedeutung als geeignete Protestform beibehalten, wenn nicht gar weiter ausbauen.

0

Hier einen interessanten umfangreichen Bericht eines aktuellen flashmob in Berlin gelesen, daraus:

"ich fragte den wortführenden Beamten, was ihr denn vorgeworfen würde. Er gab mir zur Antwort, daß sie wegen einer Ordnungswidrigkeit angezeigt würde, denn diese Veranstaltung sei angeblich in Wahrheit eine Demo, die nicht angemeldet worden wäre. Und er tue nur seine Pflicht. Ich lächelte ihn freundlich an und erklärte, okay, dann würde ich ab sofort eine Spontan-Demo anmelden, dann sei auch die vermeintliche Ordnungswidrigkeit vom Tisch. Der Flashmob laut Artikel 8 GG (1), siehe Details unten, sei beendet und ab jetzt ist es eben eine Spontandemo. Die Aktivitäten waren des Flashmob waren in der Tat auch weitgehend beendet, wie ich mich bei einem Blick zurück überzeugt hatte."

http://de.indymedia.org/2009/12/268973.shtml

0

Kommentar hinzufügen