Tod den Tagungsbänden

von Prof. Dr. Thomas Hoeren, veröffentlicht am 20.10.2009

Nicht aus Eitelkeit, sondern als Betroffener der Verweis auf einen Beitrag aus eigener Feder zu akademischen Ritualen: Tagungsbänden und Streichern

 

http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/0,1518,655408,00.html

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9 Kommentare

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Ich fände es schade, wenn es keine Tagungsbände mehr gäbe. Zugegeben: meist verstauben sie irgendwo ungelesen in irgendwelchen jur. Seminaren. Aber ich habe gerade in solchen Tagungsbänden für schriftliche Arbeiten oft praxisnahe Argumente und rechtliche Würdigungen gefunden, die mir enorm weiterhalfen.

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Großartiger Beitrag. Das nennt man wohl zwei Fliegen mit einer Klappe. Bei der zweiten Fliege muss man allerdings aufpassen, dass man dann auch gleich in die Schublade der Klassik-Ignoranten - und damit eigentlich ja der Kulturignoranten - gesteckt wird.

Um das Ganze noch zu unterstützen und der These entgegenzuwirken, dass die meisten sowieso eingeschlafen wären: Auf einer sehr gut organisierten Tagung habe ich mal zum Ende des ersten Konferenz-Tages erlebt, wie ein Schauspieler und Regisseur sehr pointiert und dabei absolut treffend über Körpersprache referiert hat, inkl. praktischer Beispiele mit Anwesenden. Er hat es tatsächlich geschafft, das gesamte Plenum nicht nur wachzuhalten, sondern richtiggehend zu unterhalten - und mitgenommen hat man auch noch was daraus.

Ich bin sicher, bei einem Geigentrio wäre ich auch eingeschlafen. Oder gleich gegangen.

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Aber ohne Tagungsband hat man doch einen Eintrag weniger in seiner Publikationsliste. Ich dachte immer, nur deswegen werden überhaupt Tagungen abgehalten...

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Also ... ich kann doch nicht zu jeder Tagung persönlich gehen, die mich interessiert ... wie soll ich denn später nachesen, was da gelaufen ist, wenn es keine öffentlich zugänglichen Tagungsbände gibt?

OK, hier ein Kompromissvorschlag: Video von allen gesprochenen Vorträgen bei YouTube 'reinstellen. Ohne Zugangsbarrieren Passorte, Paywalls etc. pp. Wäre das was?

 

 

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Tagungsbände als Nischenliteratur haben nur dann eine Zukunft, wenn sie konsequent open access publiziert werden. Dann schrieben die Autoren nicht bloß für die Publikationsliste, sondern für interessierte Leser. Als Anerkennung und Prestigeträger sollte für die Beiträger parallel eine gedruckte Fassung im print on demand angeboten werden. Wenn die Bände zu einem fairen Preis publiziert werden, freuen sich auch buchliebende Leser.

Hier ein Beispiel für einen solchen Band, eine Festschrift:

http://www.db-thueringen.de/servlets/DocumentServlet?id=6484

Für den Rechtshistoriker interessant ist vielleicht ein Beitrag zur Inquisition. Obwohl vollkommen randständig publiziert, wurde ein Textauszug daraus in einem Religionsbuch für den Schulgebrauch abgedruckt. Undenkbar ohne die frei zugängliche Internetversion.

 

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Liebe Blogleser,

besten Dank für die Rückmeldungen. Ich habe inzwischen auch noch weitere Mails bekommen. Vor allem die Naturwissenschaftler rebellieren gegen den "Tod der Tagungsbände". Dort sind die Strukturen aufgrund der einzusendenden Paper, Juryentscheidung etc. wohl anders. Im geisteswissenschaftlichen Bereich sind Tagungsbände m.E. aber weiterhin fragwürdig. Youtube-Filme sind m.E. nur in Ausnahmen hilfreich (lieber Herr Horns): Wenn man Angst haben muß, dass jede Geste und jeder Satz für viele Jahre als Film festgehalten ist, macht das einen Referenten schon sehr nervös. Open Access, Herr Steinhauer, ist m.E. genau der richtige Ansatz.

Ich möchte mich da #2 anschließen. Für meine Studienarbeit habe ich auch so einige Tagungsbände zitiert. Die waren dann allerdings meist auch online verfügbar.

Stilistisch waren die Beiträge durchaus unterschiedlich, den meisten merkte man ihren Vortragscharakter durchaus noch an. Meist war es eine "um Foßnoten ergänzte Version des Manuskripts", teilweise aber wohl auch eher eine etwas elegantere Mitschrift (gerade auch der Antwortbeiträge). Da ich natürlich nicht auf der Tagung war, habe ich allerdings keine Ahnung, mit wieviel Aufwand der Tagungsband betrieben wurde bzw wie frei die Rede ursprünglich war.

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Lieber Herr Pannier,

schön, von Ihnen zu hören. 2 Tagungsbeiträge sind m.E. eher bemerkenswert wenig (im übrigen habe ich dann die Chance nicht verrstreichen lassen, in den Fussnoten auf meinen NJW-Beitrag über Tagungsbände zu verweisen - soweit zur Qualitätskontrolle der Herausgeber von Tagungsbänden). Festschriften sind ein sehr leidiges Thema - aber dazu haben schon mehr Leute geschrieben und gejammert. Kürzlich mußte ich zwei Bitten um Festschriftbeiträge ablehnen. In einem Fall kannte ich den Jubilar überhaupt nicht (ernsthafte Rückmeldung der Herausgeber: "Aber dann werden Sie ihn doch jetzt kennenlernen"). Im zweiten Fall sollte jemand zum 50ten Geburtstag eine Festschrift bekommen - da ist mir dann doch der Geduldsfaden gerissen.

Ihr TH

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