Gesetzentwurf zur Strafbarkeit von Besuchen in "Terrorcamps" verabschiedet

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 16.01.2009

Nach monatelangem Streit zwischen Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) und Wolfgang Schäuble (CDU) hat das Bundeskabinett am 14.1.2009 den Gesetzentwurf zur Strafbarkeit von Besuchen in sog. Terrorcamps verabschiedet: 

Nicht unter Strafe stehen soll der bloße Aufenthalt in einem solchen Ausbildungslager, sondern erst bei dem konkreten Vorsatz, einen Anschlag begehen zu wollen. "Nun aber wird jemand schon dafür bestraft, dass er Kontakt zu einer Terrorgruppe aufnimmt und sich im Umgang mitbestimmten Waffen oder Stoffen schulen lässt. Wir bewegen uns damit sehr weit im Vorfeld einer Tat", sagte  Zypries. Dennoch rechtfertigte die Ministerin den Gesetzentwurf: "Wir begegnen diesen verfassungsrechtlichen Bedenken, indem wir subjektiv den Anschlagwillen des Täters fordern. Dadurch ziehen wir eine klare Trennlinie zu einer unverhältnismäßigen Ausweitung der Strafbarkeit."

 

Aktuell zur zur Diskussion um die Vorfeldkriminalisierung:

Kauder, Strafbarkeit terroristischer Vorbereitungshandlungen - Erwiderung zuDeckers/Heusel, ZRP 2008,169, ZRP 2009, 20

Deckers/Heusel, Strafbarkeit terroristischer Vorbereitungshandlungen - rechtsstaatlich nicht tragbar, ZRP 2008, 169

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4 Kommentare

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"Wir bewegen uns damit sehr weit im Vorfeld einer Tat”, sagte Zypries."

Da muss ich doch an Jakobs denken:
"Zusammenfassung: Die Effekte des Feindstrafrechts ... Es findet eine Vorverlagerung statt: Die Pönalisierung einer Tat spielt keine Rolle mehr, vielmehr geht es um die (präventive) Verhinderung einer Tat mit ihren Folgen. Dabei weiß Jakobs um die Gefahr der endlosen Vorverlagerung..."

Siehe http://www.feindstrafrecht.com/?p=13, dort Rn.5.

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Klammern wir das "Feindstrafrecht" aus, so war es Jakobs, der in seinem grundlegenden Beitrag "Kriminalisierung im Vorfeld einer Rechtsgutverletzung" ZStW 97 (1985), 751 ff schon damals zu dem Ergebnis kam, "dass die im StGB auffindbaren Vorfeldkriminalisierungen zu nennenswerten Teilen in einem freiheitlichen Staat nicht legitimierbar sind" (S. 751). Es hat lange gedauert, bis dieser zutreffende Befund ins Problembewusstsein vorgedrungen ist. Sieht man von Jakobs ab, steht eine befriedigende wissenschaftliche Antwort zur Legitimierung der Vorfeldkriminalisierung noch aus.

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Wie steht es denn mit der praktischen Anwendung? Ich habe erhebliche Zweifel, dass sich der Anschlagwille so nachweisen lässt, dass der Nachweis gerichtlicher Überprüfung standhält. Schließlich liegen die Camps im weit entfernten Ausland. Die Nachweisbarkeit dürfte sich in der Regel auf den Aufenthalt als solchen beschränken. Der Täter müsste schon in abgehörten Gesprächen äußern, er habe sich für einen Anschlag schulen lassen.

Überhaupt stellt sich die Frage, ob der Ministerin bereits ein genereller Anschlagwille reicht oder ob dieser Bezug zu einer konkreten Tat haben muss (darf man den oben zitierten konkreten Vorsatz so verstehen?). Setzt man einen konkreten Anschlagwillen voraus, dürfte die Norm regelmäßig leerlaufen. Ich vermute, die meisten Terroristen werden erst nach ihrer Ausbildung Zielen zugeteilt oder stellen erst dann selbst konkrete Pläne auf.
Wenn auch der nachträgliche Wille ausreichte, hätte man es mit einem echten Sonderdelikt zu tun. Die Strafbarkeit entstünde erst mit dem Tatentschluss, die Ausbildung im Terrorcamp wäre eine Qualifikation des Täters. Dann hätte man eine weit ins Vorfeld der Tat vorverlagerte Versuchsstrafbarkeit geschaffen, die in Richtung eines Gesinnungsunrechts geht und sicherlich verfassungswidrig ist.
Lässt man hingegen bereits einen generellen Willen (bei der Ausbildung) ausreichen, dürfte der Wille zum Anschlag bereits durch einige Ausbildungen indiziert sein. Wer den Bombenbau lernt, dürfte damit auch seine Zwecke verfolgen. Dem schließt sich die Frage an, ob nur die Absicht eine Tat in Deutschland zu begehen strafbar sein soll? Ansonsten könnte der notwendige Anknüpfungspunkt des deutschen Strafrechts Schwierigkeiten bereiten (werden nur Deutsche erfasst?).

Mir scheint das subjektive Element ein fauler Kompromiss zu sein. Wenn erhebliche rechtsstaatliche Bedenken bestehen, sollte man dem Rechnung tragen und sich nicht in Aktionismus flüchten.

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Der neue § 89a StGB-E (von dem ich momentan allerdings nicht weiß, ob er durch die Kabinettsfassung noch geändert wurde)soll abschließend folgende strafbare Vorbereitungshandlungen bestimmen: die Ausbildung und das Sich-Ausbilden-Lassen, um eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen, die Herstellung, das Sich-Verschaffen, Überlassen oder Verwahren von bestimmten Waffen, bestimmten Stoffen (z.B. Viren, Gifte, radioaktive Stoffe, Flüssigsprengstoffe) oder besonderen zur Ausführung der vorbereiteten Tat erforderlichen Vorrichtungen sowie das Sichverschaffen oder verwahren von wesentlichen Gegenständen oder "Grundstoffen", um diese Waffen, Stoffe oder Vorrichtungen herzustellen und zuletzt auch die Finanzierung eines Anschlags. Danach genügt der Wille, eine schwere staatsgefährdende Straftat zu begehen.

Den Anschlagwille nachzuweisen, dürfte - wie von Herrn Giesen zutreffend festgestellt - in der Mehrzahl der Fälle erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Da Tat (Besuch des Terrorcamps) und der Anschlagswille sich nicht decken, stellt sich die Frage nach dem Tatprinzip. Dass der bloße Wille nicht zur Strafbarkeit führen kann, ist das andere. Dogmatisch also ein schwieriges Feld.

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