Juristentag: Debatte über Beweisverwertung ausländischer Erkenntnisse bei der Terrorbekämpfung

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 26.09.2008

Die Verwertung von im Ausland gewonnener Erkenntnisse stößt dann auf Bedenken, wenn dabei nicht die deutschen Verfahrenstandards bei der Beweisgewinnung eingehalten wurden. Wie ist ein Legitimationsverlust beim Beweistransfer zu behandeln? Beispielhaft: Können Angaben möglicher Beteiligter an terroristischen Straftaten, die unter Anwendung von subtilen bis archaischen Foltermethoden gewonnen wurden oder jedenfalls erlangt sein könnten, im deutschen Strafprozess verwertet werden? Mit dieser Problematik steht unser Strafprozess vor einer besonders ernsthaften Herausforderung!

Weiterhin: In vielen Terroismusverfahren liegen den deutschen Strafverfolgungsbehörden Informationen ausländischer Geheimdienste vor. Müssen ausländische Erkenntnisse zweifelhafter Herkunft "völlig ausgeblendet" werden?

Auf dem 67. Deutschen Juristentag diskutierte man in dieser Woche, in welchen Fällen im Ausland erhobene Beweise nicht verwertet oder gar nicht erst erhoben werden dürfen:  

Nach Auffassung des Stellvertretenden Generalbundesanwalt und Leiter der Abteilung Terrorismus in der Bundesanwaltschaft Rainer Griesbaum sollten auch unter Folter erzwungene Aussagen ausländischer Inhaftierter in Einzelfällen für weitere Ermittlungen benutzt werden können, um beispielsweise Ermittlungen wegen eines bevorstehenden Anschlags einzuleiten, wenngleich Erkenntnisse, die unter Verstoß gegen das Folterverbot oder gegen andere grundlegende Rechte gewonnen würden, vor Gericht aufgrund des UN-Anti-Folter-Übereinkommen nicht verwertet werden dürfen. Damit wandte er sich gegen die Ansicht, die "Früchte vom verbotenen Baum" müssten dem Zugriff deutscher Ermittler generell entzogen sein. Es sei eine Frage der Verhältnismäßigkeit, inwieweit im konkreten Fall auf solche Quellen zurückgegriffen werden dürfe. Dabei müsse einerseits das Gewicht des Verstoßes gegen Verfahrensvorschriften, andererseits aber auch die Schwere der aufzuklärenden Straftat in die Abwägung einbezogen werden. Wenn die Informationen danach verwertbar seien, sollten die Ermittler darauf auch strafprozessuale Zwangsmaßnahmen - z.B. Hausdurchsuchungen oder Telefonüberwachungen - stützen können. Griesbaum begründete seinen Ansatz mit dem globalen Charakter der Terrorbekämpfung. Der Rückgriff auf durch ausländische Strafverfolgungsorgane erzielte Beweisergebnisse und durch ausländische Nachrichtendienste zur Verfügung gestellte Informationen bilde inzwischen den Regelfall. Deshalb dürften Informationen aus fragwürdigen ausländischen Quellen nicht pauschal als "unhaltbar bemakelt" verworfen werden. Griesbaum sagte weiter, ein Beweis werde nicht dadurch unverwertbar, weil im Ausland eine deutsche Norm nicht beachtet worden sei. 

Dagegen wandte sich der Münchner Strafverteidiger Eckhart Müller: Selbst eine vorsichtige Beweiswürdigung könne nicht die Beeinträchtigung der freien Willensentscheidung eines Zeugen ausgleichen. Der Bonner Ordinarius Hans-Ulrich Paeffgen vermisste Grundsätze und Maßstäbe für den Umgang mit solchen Beweismitteln. - Die Diskussion  über diese schwierigen Fragen hat also erst so richtig begonnen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang der auf eine Beweislastverteilung sich stützende Beschluss des für Staatsschutzsachen beim BGH zuständigen 3. Strafsenats  vom 15.5.2008 - StB 4/08 und 5/08 (mit Besprechung Jahn JuS 2008, 836). Danach muss ein Verstoß gegen Verfahrensrecht (in concreto: verbotene Vernehmungsmethoden in Pakistan) erwiesen sein. Weiterhin lässt es der Senat ausdrücklich dahinstehen, "ob Beweismittel, die durch ausländische Hoheitsorgane mit Hilfe verbotener Vernehmungsmethoden erlangt wurden, in entsprechender Anwendung von § 136a StPO dann unverwertbar sind, wenn Erkenntnisse von einem Drittstaat durch die deutschen Strafverfolgungsbehörden angefordert oder auch nur angenommen worden sind."

Aus der Datenbank beck-online

Trüg/Habetha, Beweisverwertung trotz rechtswidriger Beweisgewinnung - insbesondere mit Blick auf die "Liechtensteiner Steueraffäre", NStZ 2008, 481

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4 Kommentare

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Niemand konnte erwarten, dass bei dem zu Ende gegangenen Juristentag, das Problem bewältigt wird, das sich die strafrechtliche Abteilung gestellt hatte. Gleichwohl gibt es Ergebnisse: Eine Beweisverwertung ist, wie beschlossen wurde, nicht statthaft, wenn sie in Grundrechte eingreift und dieser Eingrifff schwerer wiegt als die Strafverfolgungsinteressen. Mit breiter Mehrheit lehnten es die Teilnehmer ab, die Beweisverbote umfassend durch den Gesetzgeber regeln zu lassen. Die Beweisverbote weiter zu entwickeln,bleibt also nach wie vor der Rechtsprechung überlassen.Der Juristentag sprach sich weiterhin gegen eine pauschale Verwerfung ausländischer Quellen aus. Auch ein Beweisverwertungsverbot könne einen zu Ermittlungen Anlass gebenden Anfangsverdacht begründen. Einig waren sich die Teilnehmer darin, dass der internationale Terrorismus nicht zur Abkehr von diesen Grundsätzen führen dürfe.

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Man sollte hier in die Abwägung auch einstellen, inwieweit eine Vernehmung in Deutschland möglich gewesen wäre. Dadurch lässt sich Praktiken entgegenwirken, Verdächtige in Staaten zu verbringen oder zu belassen, wo sie "effektiver" befragt werden können. Die Vereinigten Staaten beispielsweise haben von dieser Praxis mehrfach Gebrauch gemacht.

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Von den bereits online abrufbaren Beschlüssen, die die strafrechtliche Abteilung mit dem Thema "Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote im Spannungsfeld zwischen den Garantien des Rechtsstaates und der effektiven Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus" am vergangenen Donnerstag fasste (S.11 ff, verdienen besonderes Augenmerk:

I.2.b "Ziele der Fortentwicklung und Verbesserung sind insbesondere ... stärkere Beachtung der verfassungsrechtlichen Grundlagen des fairen Verfahrens",

III.7.b "Ein Beweisverwertungsverbot entfaltet Fernwirkung, wenn dies der Zweck der verletzten Norm erfordert",

IV.10.d "Ein Beweismittel, das an sich einem Verwertungsverbot unterliegt, darf, sofern dies nicht gesetzlich ausgeschlossen ist, mit Zustimmung des Angeklagten verwertet werden (Zustimmungsmodell)".

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