Juristentag: Debatte über Beweisverwertung ausländischer Erkenntnisse bei der Terrorbekämpfung
Gespeichert von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg am
Die Verwertung von im Ausland gewonnener Erkenntnisse stößt dann auf Bedenken, wenn dabei nicht die deutschen Verfahrenstandards bei der Beweisgewinnung eingehalten wurden. Wie ist ein Legitimationsverlust beim Beweistransfer zu behandeln? Beispielhaft: Können Angaben möglicher Beteiligter an terroristischen Straftaten, die unter Anwendung von subtilen bis archaischen Foltermethoden gewonnen wurden oder jedenfalls erlangt sein könnten, im deutschen Strafprozess verwertet werden? Mit dieser Problematik steht unser Strafprozess vor einer besonders ernsthaften Herausforderung!
Weiterhin: In vielen Terroismusverfahren liegen den deutschen Strafverfolgungsbehörden Informationen ausländischer Geheimdienste vor. Müssen ausländische Erkenntnisse zweifelhafter Herkunft "völlig ausgeblendet" werden?
Auf dem 67. Deutschen Juristentag diskutierte man in dieser Woche, in welchen Fällen im Ausland erhobene Beweise nicht verwertet oder gar nicht erst erhoben werden dürfen:
Nach Auffassung des Stellvertretenden Generalbundesanwalt und Leiter der Abteilung Terrorismus in der Bundesanwaltschaft Rainer Griesbaum sollten auch unter Folter erzwungene Aussagen ausländischer Inhaftierter in Einzelfällen für weitere Ermittlungen benutzt werden können, um beispielsweise Ermittlungen wegen eines bevorstehenden Anschlags einzuleiten, wenngleich Erkenntnisse, die unter Verstoß gegen das Folterverbot oder gegen andere grundlegende Rechte gewonnen würden, vor Gericht aufgrund des UN-Anti-Folter-Übereinkommen nicht verwertet werden dürfen. Damit wandte er sich gegen die Ansicht, die "Früchte vom verbotenen Baum" müssten dem Zugriff deutscher Ermittler generell entzogen sein. Es sei eine Frage der Verhältnismäßigkeit, inwieweit im konkreten Fall auf solche Quellen zurückgegriffen werden dürfe. Dabei müsse einerseits das Gewicht des Verstoßes gegen Verfahrensvorschriften, andererseits aber auch die Schwere der aufzuklärenden Straftat in die Abwägung einbezogen werden. Wenn die Informationen danach verwertbar seien, sollten die Ermittler darauf auch strafprozessuale Zwangsmaßnahmen - z.B. Hausdurchsuchungen oder Telefonüberwachungen - stützen können. Griesbaum begründete seinen Ansatz mit dem globalen Charakter der Terrorbekämpfung. Der Rückgriff auf durch ausländische Strafverfolgungsorgane erzielte Beweisergebnisse und durch ausländische Nachrichtendienste zur Verfügung gestellte Informationen bilde inzwischen den Regelfall. Deshalb dürften Informationen aus fragwürdigen ausländischen Quellen nicht pauschal als "unhaltbar bemakelt" verworfen werden. Griesbaum sagte weiter, ein Beweis werde nicht dadurch unverwertbar, weil im Ausland eine deutsche Norm nicht beachtet worden sei.
Dagegen wandte sich der Münchner Strafverteidiger Eckhart Müller: Selbst eine vorsichtige Beweiswürdigung könne nicht die Beeinträchtigung der freien Willensentscheidung eines Zeugen ausgleichen. Der Bonner Ordinarius Hans-Ulrich Paeffgen vermisste Grundsätze und Maßstäbe für den Umgang mit solchen Beweismitteln. - Die Diskussion über diese schwierigen Fragen hat also erst so richtig begonnen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang der auf eine Beweislastverteilung sich stützende Beschluss des für Staatsschutzsachen beim BGH zuständigen 3. Strafsenats vom 15.5.2008 - StB 4/08 und 5/08 (mit Besprechung Jahn JuS 2008, 836). Danach muss ein Verstoß gegen Verfahrensrecht (in concreto: verbotene Vernehmungsmethoden in Pakistan) erwiesen sein. Weiterhin lässt es der Senat ausdrücklich dahinstehen, "ob Beweismittel, die durch ausländische Hoheitsorgane mit Hilfe verbotener Vernehmungsmethoden erlangt wurden, in entsprechender Anwendung von § 136a StPO dann unverwertbar sind, wenn Erkenntnisse von einem Drittstaat durch die deutschen Strafverfolgungsbehörden angefordert oder auch nur angenommen worden sind."
Aus der Datenbank beck-online
Trüg/Habetha, Beweisverwertung trotz rechtswidriger Beweisgewinnung - insbesondere mit Blick auf die "Liechtensteiner Steueraffäre", NStZ 2008, 481