ArbGG-Novelle eröffnet Gerichtsstand des Arbeitsorts

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 26.02.2008

Der Deutsche Bundestag hat vergangene Woche das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes verabschiedet. Unter anderem wird § 48 ArbGG um einen neuen Absatz 1a ergänzt, der einen besonderen Gerichtsstand des Arbeitsortes eröffnet. Danach ist für Streitigkeiten im Urteilsverfahren auch das Arbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat. Ist ein gewöhnlicher Arbeitsort nicht feststellbar, ist dasjenige Arbeitsgericht örtlich zuständig, von dessen Bezirk aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat. Dieser Gerichtsstand soll vor allem den Arbeitnehmern zu Gute kommen, die Ihre Arbeit gewöhnlich nicht am Firmensitz oder am Ort der Niederlassung leisten, etwa Gebäudereinigern oder Außendienstmitarbeitern. Unerheblich ist, ob an dem Ort der Arbeitsleistung eine räumliche Verfestigung der Betriebsstruktur des Arbeitgebers besteht, ob und von wo aus Arbeitsanweisungen erteilt werden oder wo die Zahlung der Vergütung veranlasst wird. Allein maßgeblich nach S. 1 ist der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung tatsächlich erbringt. Das nicht zustimmungspflichtige Gesetz soll zum 1.4.2008 in Kraft treten.

Die Beschlussempfehlung un den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages finden Sie hier: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/082/1608217.pdf

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10 Kommentare

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Dann wird jetzt endlich die schlichte Erfindung der Rechtsprechung (des einheitlichen Erfüllungsortes) gesetzlich geregelt. Bisher gab es dafür aus meiner Sicht jedenfalls keine Rechtsgrundlage.

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Die Klarstellung mag aus rechtlich/dogmatischer Sicht erfreulich sein, das Ergebnis indes ist es nicht. Der einheitliche Erfüllungsort und die damit alleinige Zuständigkeit des Gerichts des Sitzes des Unternehmens gab namentlich in Prozessen mit einer Vielzahl gleichgearteter Tatsachenlagen (etwa Massenkündigung, Zahlungsklagen aus gleichem Rechtsgrund) die Chance, dass vergleichbare Fälle vergleichbar entschieden wurden. Offen sind nun Fragen wie gleichmässige Beurteilung von Sozialauswahlen etc - Divergenzentscheidungen in den ersten Instanzen einer möglichen Vielzahl angerufener Gerichte führen damit unweigerlich in die Instanzenzüge statt zu schneller Rechtsbefriedung. Ein Pyrrhussieg für die Negisten des einheitlichen Erfüllungsorts ...

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Die Neuregelung zu § 48 ArbGG ist schon deswegen zu begrüssen,weil sie zukünftig dauerhaft unnötige Zuständigkeitsstreitigkeiten verhindert, die bisher z.T.zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen geführt haben. Eigentlich hatte das BAG schon vor vielen Jahren für den Bereich der Außendienstmitarbeiter deren Wohnsitz als Erfüllungsort - zutreffend - festgestellt (BAG vom 03.11.1993, NZA 1994,479f m.w.N.).Hieran gehalten haben sich etliche Arbeitsgerichte nicht, was wegen der Bindungswirkung eines jedenfalls mit einer Begründung versehenen Beschlusses häufig nicht rechtsmittelfähig war(§ 48 I Ziff 1 ArbGG).
Dass unterschiedliche Gerichte unterschiedlich entscheiden können, ist systemimmanent und sachgerecht. Etwa notwendige Korrekturen sind Aufgabe der Rechtsmittelinstanzen. Auch ggf. "vergleichbare" Fälle müssen nicht immer identische Fälle sein sein, die zwingend identisch zu entscheiden wären.

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Die Zuständigkeitsstreitigeiten liessen sich freilich auch verhindern, wenn klargestellt würde, dass der Erfüllungsort im Austauschverhältnis nicht der Ort der einseitigen Leistungserbringung ist - wie das BGB dies auch vorsieht und der BGH das BAG auch durchaus "abgewatscht" hat (dogmatisch ist die BAG-Entscheidung auf das EU-Vollstreckungsabkommen abgehoben, das aber in Fällen ohne Auslandsbezug nicht anzuwenden ist, Erfüllungsort und damit Klageort ist derjenige, von dem aus die Steuereung erfolgt, das ist in aller Regel der UNternehmenssitz). Die Instanzrechtsprechung hat dies mittlerweile nahezu durchgängig so gesehen (dass das BAG in seiner Meinung 1993 irrte mag zwar rechtskräftig sein, aber ohne Praxisrelevanz).
Es bleibt bei der Unpraktibilität einer solchen Regelung. Es ist nicht nurr die Frage von divergeiernedn Entscheidungen, die unweigerlich dazu führen müssen, dass in die Instanzen gegangen wird und die Gerichte (unnötig) belastet, auch rein praktisch - wie sollen pers. gel. Geschäftsführer und Zeugen (bei Massenprozessen) gleichzeitig an verschiedenen Gerichtsorten sein? Das wird zu einer dramatischen Verschleppung der Verfahren führen müssen. Abgesehen vom volkswirtschaftlichen Schaden (Zeugengebühren nicht nur einmal sondern zig-mal, Fahrkosten, Arbeitsausfälle ...) . Nein, eine andere Regelung wäre besser, mit der jetzgen funktioniert mittlerweile doch alles recht eingespielt!
Es ist eigentlich auch kein Grund zu sehen, weshalb von dieser guten Praxis nun abgewichen werden soll. Dass - gerade für Aussendienstler - der Weg zum Unternehmenssitz nicht zumutbar sei (den sie ohnedies häufig zurücklegen müssen) ist jedenfalls ein völlig untaugliches Argument.

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Vielleicht sollte das Wörtchen "auch" im voraussichtlichen Gesetzestext beachtet werden, der signalisiert, dass normale betriebliche Arbeitsverhältnisse auch in Zukunft regelmäßig am Erfüllungsort "Betrieb" gerade in den Massenverfahren einheitlich prozessual abgewickelt werden können. Die Regel soll eher solche Ausnahmetatbestände in den Griff kriegen, die bei Außendienstlern bzw. bei wechselnden Einsatzorten den "gewöhnlichen" Arbeitsort von zu Hause aus als arbeitnehmerfreundlichere Variante zum Gerichtsstand machen können.

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Wenn politisch gewollt ist, eine arbeitnehmerfreundlichere Variante für "Ausnahmetatbestände" zu schaffen, sollte Berücksichtigung finden, dass etwa ein Massenverfahren dann eben keine Ausnahmetatbestände aufweist. Auch der politische Wille sollte die Realität der Machbarkeit beachten. Wie man in dieser Diskussion sieht, wird das Wörtchen "auch" scheinbar ausschliesslich als freies Wahlrecht des Arbeitnehmers interpretiert.

Es wäre mithin sinnvoll, dies zu verdeutlichen etwa mit (technisch vielleicht noch etwas unrein) einer Formulierung vom Sinn her wie

"... es bleibt beim alleinigen Gerichtsstand des Erfüllungsorts (Sitz des Arbeitgebers), wenn innerhalb eines Zeitraums von 3 Wochen beim Arbeitgeber eine Anzahl gleichartiger Klagen, die der Staffel des § 17 Abs. 1 KSchG entspricht, eingehen; gleichartig sind die Klagen, wenn sie sich auf den gleichen Rechtsgrund bzw. Anspruch stützen. Die Klagen sind beim zuständigen Arbeitsgericht an eine einheitliche Kammer zu verweisen. Die Verweisung erfolgt nur auf Antrag des Arbeitgebers."

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Endlich ist diese Frage positiv geregelt, es macht schließlich wenig Sinn, wenn ein Arbeitnehmer, der im Extremfall den Sitz seines Arbeitgebers nie gesehen hat, nun das Arbeitsgericht anrufen muss, welches - weit weg - für Sitz oder Niederlassung des Arbeitgebers zuständig ist. Das Gericht am Arbeitsort ist in jedem Falle das sachnähere.

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Eine gute Regelung, insbesondere für die beiteigten Betriebe und Arbeitnehmer. Insbesondere bleibt Arbeitnehmern auch erspart, nach Arbeitsende Lohn- oder Zeugnisansprüche an dem Ort des Sitzes des Unternehmens einzuklagen, wenn sie in einem Betrieb oder einer Niederlassung gearbeitet haben. Denn nach dem Gesetzestext ist auch das Gericht zuständig, bei dem die Arbeit zuletzt verrichtet wurde.

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Ob damit aber endgültig die Kernproblematik der "Schwerpunkttheorie" des BAG - insbes. bei Außendienstlern - Vergangenheit sein wird, wage ich angesichts des Wortlauts stark zu bezweifeln.
Der Tagesberichte in seinem Homeoffice schreibende Außendienstler hat dann "zu Hause", seine feste Betriebsstruktur ?

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Eine "feste Betriebsstruktur" zu Hause ist wohl gar nicht erforderlich. In der amtl. Begründung zum Gesetzentwurf (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/077/1607716.pdf) heißt es zu § 48 Abs. 1a Satz 2 ArbGG:

"Satz 2 regelt den Fall, dass ein Schwerpunkt der Tätigkeit nicht ermittelt werden kann, z.B. weil Tätigkeiten vertrags- gemäß in mehreren Gerichtsbezirken zu erbringen sind. Es ist dann auf den Ort abzustellen, von dem aus die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung erbringt. Der Wohnort kann Arbeitsort sein, wenn dort mit der Arbeitsleistung verbundene Tätigkeiten erbracht werden, z.B. wenn ein Außendienstmitarbeiter zu Hause seine Reisetätigkeit für den ihm zugewiesenen Bezirk plant, Berichte schreibt oder andere mit der Arbeitsleistung verbundene Tätigkeiten verrichtet."

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