Pflichtverteidigung für 15 jährigen psych. kranken Angekl. in Jugendhilfeeinrichtung

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 26.03.2024
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht1|942 Aufrufe

Das AG Miesbach hätte lieber keinen Pflichtverteidiger für diesen kranken 15-jährigen gehabt. Keine Ahnung warum. Jedenfalls hat das LG München den Ablehnungsbeschluss des AG kassiert und eine Pflichtverteidigerin beigeordnet.

 

1. Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten … wird der Beschluss des Amtsgerichts Miesbach vom 17.10.2023 aufgehoben.

 2. Dem Angeklagten wird Frau Rechtsanwältin J. B. F.straße 5 8. M. als Pflichtverteidigerin beigeordnet.

 3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

 Gründe: 

 I.

 Mit Beschluss vom 17.10.2023, zugestellt am 20.10.2023, hat das Amtsgericht Miesbach die beantragte Beiordnung von Frau Rechtsanwältin J. B. als Pflichtverteidigerin abgelehnt.

 Gegen den Beschluss wendet sich der Angeklagte mit Schreiben seiner Wahlverteidigerin vom 26.10.2023, eingegangen beim Amtsgericht am 26.10.2023.

 Der Beschwerde hat das Amtsgericht Miesbach nicht abgeholfen.

 II.

 1. Die Beschwerde des Angeklagten ist nach § 304 Abs. 1 StPO statthaft und auch sonst gemäß § 306 Abs. 1 StPO zulässig.

 2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg, da die Voraussetzungen für die Bestellung eines Pflichtverteidigers gemäß § 68 Nr. 1 JGG i.V.m. § 140 Abs. 2 StPO gegeben sind.

 Nach § 140 Abs. 2 StPO bestellt der Vorsitzende des Gerichts auf Antrag oder von Amts wegen einen Verteidiger, wenn wegen der Schwere der Tat oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder ersichtlich ist, dass sich der Angeklagte nicht selbst verteidigen kann.

 Im vorliegenden Fall ist die Bestellung eines Pflichtverteidigers geboten, weil sich der Angeklagte nicht in ausreichendem Maße selbst verteidigen kann. Er ist erst kürzlich 15 Jahre alt geworden, und zudem besteht eine psychische Erkrankung/Verhaltensstörung, weswegen er in einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht ist. Sowohl sein jugendliches Alter als auch sein Gesundheitszustand legen im Rahmen einer Gesamtwürdigung nahe, dass eine erhöhte individuelle Schutzbedürftigkeit vorliegt und er im Strafverfahren daher anwaltlicher Unterstützung bedarf; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, 66. Auflage, Rdnr. 30 zu § 140.

 Zudem gibt der Angeklagte an, zur Tatzeit ein „Blackout“ gehabt und keine Erinnerung an die Tat zu haben. Dieser Umstand begründet eine gesteigerte Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage, da unter Umständen im Verfahren auch Fragen der Schuldfähigkeit zu klären sein werden.

 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 464 Abs. 1, Abs. 2, 473 StPO.

LG München II Beschl. v. 12.12.2023 – 1 J Qs 13/23, BeckRS 2023, 39973

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Gibt es für verhaltensgestörte Bundesgesundheitsminister - siehe Welt und Bundesrechnungshof  - auch Pflichtverteidiger ?

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