Landesverfassungsrecht: Subsidiaritätsprinzip erfordert vernünftige (!) Anhörungsrüge

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 26.02.2024
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|996 Aufrufe

Die Beschwerdeführerin wollte von einer Haftpflichtversicherung eine Desinfektionspauschale nach Unfallreparatur erstattet bekommen. Klappte nicht. Also erhob sie Verfassungsbeschwerde - zuvor hatte sie (wohl lieblos) eine Anhörungsrüge erhoben, um sämtliche Rechtsbehelfe ausgeschöpft zu haben. Das Verfassungsgericht (sinngemäß): Auch die Anhörungsrüge muss vernünftig begründet sein:

 

(c) Soweit die Verfassungsbeschwerde rügt, dass das Amtsgericht das Vorbringen zur konkreten vertraglichen Vereinbarung der berechneten Desinfektionskosten übergangen habe, zeigt sie nicht hinreichend auf, dass die amtsgerichtliche Entscheidung hierauf beruht, und genügt insoweit jedenfalls nicht dem verfassungsprozessualen Grundsatz der Subsidiarität. Das Amtsgericht hat die Verpflichtung zur Erstattung der Desinfektionspauschale mit mehreren selbständig tragenden Gründen abgelehnt, darunter auch die Begründung, dass weder für das Jahr 2021 noch für das Jahr 2022 diese Kosten als Nebenkosten in die Aufstellung der Schwacke Nebenkostentabelle aufgenommen worden seien. Zwar sieht die Verfassungsbeschwerde in diesem Begründungsstrang die richterliche Pflicht zur vorherigen Hinweiserteilung verletzt. Die Beschwerdeführerin hat aber auch in ihrer Anhörungsrüge nicht ausreichend dargelegt, weshalb ein Abstellen auf die Schwacke Nebenkostentabelle insoweit unzulässig sei.

 Über das Gebot der Rechtswegerschöpfung gemäß § 54 Satz 1 VerfGHG hinaus ist der Beschwerdeführer nach dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde jedoch gehalten, vor ihrer Erhebung alle ihm nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (VerfGH NRW, Beschluss vom 27. April 2021 – VerfGH 43/21.VB-1, juris, Rn. 7). Dafür reicht es nicht aus, eine bei Gehörsverletzungen zu dem zu erschöpfenden Rechtsweg gehörende Anhörungsrüge nur formell einzulegen. Dies muss auch in der gehörigen Weise geschehen (VerfGH NRW, Beschluss vom 30. August 2022 – VerfGH 16/22.VB-1, juris, Rn. 12 m. w. N.). Dem hat die Beschwerdeführerin hier nicht entsprochen, indem sie in ihrer Anhörungsrüge lediglich weitere Beweismittel dafür benannt hat, dass die Maßnahme aus ihrer Sicht notwendig und die dafür aufgewendeten Kosten tatsächlich angefallen und angemessen waren.

 

VerfGH NRW Beschl. v. 16.1.2024 – VerfGH 6/23.VB-3, BeckRS 2024, 414

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