Sanierungstarifvertrag löst Flächentarifvertrag ab

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 12.10.2023
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1186 Aufrufe

Ein Sanierungstarifvertrag, der als firmenbezogener Verbandstarifvertrag zwischen der Gewerkschaft und dem Arbeitgeberverband abgeschlossen worden ist, löst im Umfang seines Geltungsbereichs einen normativ geltenden Flächentarifvertrag auch dann ab, wenn im Arbeitsvertrag eine individualrechtliche Bezugnahmeklausel auf die „Tarifverträge für die Metall-, Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens“ vereinbart worden ist.

Das hat das LAG Düsseldorf entschieden.

Der Kläger ist seit 2010 als CNC-Anlagenführer bei der Beklagten beschäftigt. Auf sein Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifbindung und einzelvertraglicher Bezugnahmeklausel die Tarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie NRW Anwendung. Über das Vermögen der Beklagten wurde ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet. Der Arbeitgeberverband, dessen Mitglied die Arbeitgeberin ist, hat daraufhin mit der IG Metall einen firmenbezogenen Verbandstarifvertrag abgeschlossen. Dieser sieht vor, dass das in dem Unternehmen zeitlich befristet bis 2025 das tarifliche Zusatzgeld entfällt und das 13. Monatseinkommen reduziert wird.

Der Kläger, selbst Mitglied der Tarifkommission, verlangt die Zahlung des ungeminderten Arbeitsentgelts. Er ist der Auffassung, dass sich wegen der Bezugnahmeklausel in seinem Arbeitsvertrag der (günstigere) Flächentarifvertrag gegenüber dem normativ geltenden Sanierungstarifvertrag durchsetze, § 4 Abs. 3 TVG.

Seine Klage blieb erstinstanzlich erfolglos. Die Berufung wurde vom LAG Düsseldorf zurückgewiesen:

Im vorliegenden Rechtsstreit kommt es entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu einem Günstigkeitsvergleich im Sinne des § 4 Abs. 3 TVG zwischen den Regelungen des Sanierungstarifvertrages und den über Ziffer 11 des Arbeitsvertrages individualrechtlich vereinbarten Regelungen der (Flächen)Tarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens. Ein Günstigkeitsvergleich findet zwar statt, wenn eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel auf einen Tarifvertrag verweist und ein anderer Tarifvertrag unmittelbar und zwingend auf das Arbeitsverhältnis einwirkt (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Franzen 23. Auflage 2023, § 4 TVG Rn. 37), nicht jedoch, wenn ein Tarifvertrag durch einen anderen abgelöst wird (MüKo/Spinner § 611a BGB Rn. 277). Hinsichtlich der im Sanierungstarifvertrag geregelten Tatbestände war dieser jedoch im streitgegenständlichen Zeitraum der einzig gültige Tarifvertrag, der die Flächentarifverträge abgelöst hat

LAG Düsseldorf, Urt. vom 21.4.2023 - 5 Sa 656/22, im Internet hier verfügbar

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