Betriebliche Altersversorgung: Einstandspflicht des Arbeitgebers bei Verjährung?

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 22.06.2023
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1263 Aufrufe

Nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG steht der Arbeitgeber für die Erfüllung seines Versorgungsversprechens auch dann ein, wenn die Erfüllung nicht über ihn, sondern einen externen Versicherungs- oder Versorgungsträger (Lebensversicherer, Pensionskasse, Pensionsfonds, Unterstützungskasse) erfolgt. Fraglich ist, ob der Arbeitgeber auch dann zur Erfüllung verpflichtet ist, wenn der externe Träger die Leistung wegen Verjährung zu Recht verweigert.

Der Kläger ist seit 2014 erwerbsgemindert und bezieht eine entsprechende Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Im selben Jahr machte er beim externen Versorgungsträger (BVV) die betriebliche Invaliditätsrente geltend. Dieser lehnte die Leistung ab. Erst 2019 erhob der Kläger Klage gegen den BVV, die erstinstanzlich wegen Verjährung (§ 195 BGB iVm. § 14 VVG) abgewiesen wurde. Die Berufung nahm er nach Hinweis des OLG Celle auf die Rechtslage zurück.

Nunmehr verklagt er seine ehemalige Arbeitgeberin auf rund 20.000 Euro rückständige Betriebsrente und künftige monatliche Zahlung in Höhe von knapp 200 Euro. Beim LAG Niedersachsen hatte er damit Erfolg:

1. Die Einstandspflicht des Arbeitgebers für zugesagte Versorgungsleistungen gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG besteht auch dann, wenn der mit der Durchführung der betrieblichen Altersversorgung betraute externe Versorgungsträger die Versorgungsleistungen wegen Verjährung dauerhaft verweigern kann.

2. Eine teleologische Reduktion der Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG ist in dem Fall, dass sich der externe Versorgungsträger auf die kurze Verjährungsfrist des § 14 VVG berufen kann nicht geboten, da dann die lange Verjährungsfrist des § 18a BetrAVG leer liefe.

3. Durch die Erhebung einer Klage gegen den externen Versorgungsträger nach Ablauf der Verjährungsfrist des § 14 VVG verletzt der Versorgungsberechtigten keine gegenüber dem versorgungspflichtigen Arbeitgeber bestehende vertragliche Rücksichtnahmepflicht.

4. Die kurze Verjährungsfrist für die monatlichen Rentenzahlungen beginnt erst zu laufen, wenn der Versorgungsberechtigte endgültig gehindert ist, seine Ansprüche gegen den externen Versorgungsträger geltend zu machen, wenn nicht der Arbeitgeber neben dem externen Versorgungsträger als Gesamtschuldner haftet.

Die Revision wurde zugelassen und ist beim BAG unter 3 AZR 164/23 anhängig.

LAG Niedersachsen, Urt. vom 24.4.2023 - 15 Sa 125/22, BeckRS 2023, 11486

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