Whistleblowing: Deutschland legt Streit vor dem EGMR bei

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 27.04.2023
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1255 Aufrufe

Das Risiko, vom EGMR wegen einer Menschenrechtsverletzung verurteilt zu werden, war der Bundesrepublik offenbar zu hoch: Deutschland hat einer Arbeitnehmerin, die wegen einer Verletzung von Art. 10 Abs. 1 EMRK (Freiheit der Meinungsäußerung) Beschwerde zum Straßburger Gericht erhoben hatte, eine Entschädigung in Höhe von 16.000 Euro gezahlt und den Rechtsstreit damit beigelegt.

Die Beschwerdeführerin war als Veterinärmedizinerin beim Landratsamt des Landkreises Göppingen beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehörte die Überwachung von Hygiene- und Tierschutzstandards. In einem Großschlachthof hatte sie wiederholt Anlass zu Beanstandungen gehabt: Standards würden nicht eingehalten und die Mitarbeiter des Schlachthofs schikaniert. Da die Bußgeldstelle zu ihrer Überzeugung nicht konsequent genug die von ihr gerügten Verstöße geahndet hatte, beschwerte sie sich bei ihren Vorgesetzen. Der Konflikt eskalierte, sie erhob Aufsichtsbeschwerde beim Regierungspräsidium, wurde in einen anderen Schlachthof versetzt und schließlich entlassen.

Zwar gewann sie den Kündigungsschutzprozess beim LAG Baden-Württemberg. Das Gericht löste aber auf Antrag der Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis auf, da eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht erwartet werden könne (§ 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG). Die Beschwerde vor dem EGMR wegen Verletzung von Art. 10 und Art. 6 EMRK hat die Bundesrepublik Deutschland anerkannt und sich zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 16.000 Euro verpflichtet. Daraufhin ist das Verfahren vor dem EGMR eingestellt worden.

EGMR, Beschl. vom 19.05.2022 – 51451/19 (Pill/Deutschland), dazu Lörcher AuR 2023, 114 ff.

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