Bloße Konsumanzeichen sind keine Ausfallerscheinungen

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 20.02.2023
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|1465 Aufrufe

Der Beschuldigte war alkoholisiert gefahren. Nur 0,42 Promille. Aus der Entscheidung kann man auch vermuten, dass es auch Hinweise auf BtM-Konsum gab. Nach der Fahrt konnten "Konsumanzeichen" festgestellt werden - insbesondere Pupillenerweiterung. Das reichte aber nicht für die Annahme einer relativen Fahrunsicherheit und somit auch nicht für eine vorläufige Fahrerlaubnisentziehung:

 

1. Die zulässige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Stralsund vom 22.09.2022 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Stralsund vom 12.09.2022, Az.: 332 Gs 1438/22, wird als unbegründet verworfen.

 2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschuldigten trägt die Staatskasse.

 Gründe: 

 Die zulässige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Stralsund (Bl. 22 d.A.) bleibt aus den zutreffenden und fortbestehenden Gründen der angefochtenen Entscheidung in der Sache ohne Erfolg. Das Amtsgericht hat zutreffend festgestellt, dass weder die gemessene Blutalkoholkonzentration von 0,42 Promille (Bl. 14 d.A.) die Grenze der unwiderleglich vermuteten absoluten Fahruntüchtigkeit im Tatzeitpunkt erreicht, noch, dass sich - gemessen an dem Erfordernis eines dringenden Tatverdachts - der Nachweis einer relativen Fahruntüchtigkeit aufgrund Alkohol- oder Betäubungsmittelkonsums mit hinreichender Sicherheit führen lassen wird. Die Annahme der relativen Fahruntüchtigkeit i.S.v. § 316 StGB erfordert nämlich den Nachweis alkohol- bzw. rauschmittelbedingter Ausfallerscheinungen in Gestalt von konkreten Fahrfehlern. Hinsichtlich solcher fehlen gänzlich Anhaltspunkte im polizeilichen Ermittlungsbericht. Diesem lässt sich vielmehr entnehmen (Bl. 3 d.A.), dass die Polizeibeamten den Beschuldigten ohne konkreten Anlass anhielten und kontrollierten, weil sie ihn bzw. sein Fahrzeug aus einem anderen Verfahren kannten. Die alleinige (nachträgliche) Feststellung körperlicher Konsumanzeichen (Pupillenweitung etc.) kompensiert das Fehlen feststellbarer Ausfallerscheinungen i.S.v. Fahrfehlern indes nicht. Hinzu tritt, dass mit zunehmender Entfernung der Blutalkoholkonzentration von der Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit (1,1 Promille) die Anforderungen an die für das Vorliegen einer relativen Fahruntüchtigkeit festzustellenden alkoholbedingten Ausfallerscheinungen steigen (vgl. LG Darmstadt BeckRS 2018, 3959). Der Beschuldigte muss sich gleichwohl bewusst sein, dass ihm die Fahrerlaubnis vorläufig zu entziehen gewesen wäre, wenn die - hier ggf. nur zufällig unterbliebene - Feststellung von rauschmittelbedingten Fahrfehlern erfolgt wäre.

 Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 StPO analog.

LG Stralsund Beschl. v. 7.10.2022 – 26 Qs 195/22, BeckRS 2022, 29697 

 

 

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