ArbG Siegburg: Kein Schmerzensgeld vom Arbeitgeber bei Corona-Infektion

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 14.05.2022
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1681 Aufrufe

Die Corona-Pandemie hat zahlreiche arbeitsrechtliche Streitfragen hervorgerufen, die jetzt nach und nach die Arbeitsgerichte erreichen. Auch die Haftung im Arbeitsverhältnis kann zum Thema werden. Dies zeigt ein gerade vom ArbG Siegburg (Urteil vom 30.3.2022 - 3 Ca 1848/21, PM vom 12.5.2022) entschiedener Fall. Hier klagte eine Krankenschwester gegen ihren Arbeitgeber, den Betreiber eines Pflegeheims. Im März 2020, also kurz nach Ausbruch der Pandemie, arbeitete die Krankenschwester in der Essensausgabe und half Bewohnern beim Essen, ohne vom Arbeitgeber eine Atemschutzmaske zu erhalten. Anfang April 2020 wurde sie positiv auf Corona getestet und erkrankte schwer. Auch zwölf Bewohner des Pflegeheims infizierten sich mit Corona. Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin Ersatz der Behandlungskosten, Verdienstausfall und Schmerzensgeld von ihrem Arbeitgeber. Das ArbG Siegburg hält die Klage für unbegründet. Die Klägerin habe nicht hinreichend darlegen können, dass eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers für ihre Erkrankung ursächlich geworden sei. Es habe nicht mit Sicherheit festgestellt werden können, dass die Klägerin sich an ihrem Arbeitsplatz angesteckt habe. Es sei für das Gericht unklar geblieben, bei wem sie sich in welcher Situation angesteckt haben will. Auch wenn aus einem ärztlichen Attest der Klägerin hervorging, dass sie sich am Arbeitsplatz angesteckt haben soll, war für die Kammer nicht nachvollziehbar, wie die Ärztin zu dieser Feststellung und Aussage gekommen sein will, da sie die Klägerin wohl kaum im fraglichen Zeitraum rund um die Uhr begleitet habe und die Klägerin sich auch außerhalb ihres Arbeitsplatzes angesteckt haben könnte.

Die Pressemitteilung ist insofern unvollständig, als sie nicht erwähnt, dass für vom Arbeitgeber verursachte Erkrankungen ein Haftungsprivileg gilt (§ 104 Abs. 1 SGB VII): Soweit nämlich die Erkrankung nachweislich einen Arbeitsunfall darstellt, trägt die gesetzliche Unfallversicherung den Schaden (§ 8 SGB VII). Der Arbeitgeber kann bei einem Personenschaden nur ausnahmsweise direkt auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch genommen werden, wenn er den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Das stand hier offenbar im Raum, da die Entscheidung des Arbeitgebers, seinen Beschäftigten keine Masken zur Verfügung zu stellen, eine solche vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls darstellen könnte. Allerdings wäre dann zu beachten, dass der Vorsatz nicht nur die Schädigungshandlung, sondern auch den konkret eingetretenen Schaden seiner Art. nach (BAG 28.4.2011 – 8 AZR 769/09 Rn. 50, BeckRS 2011, 75828) bzw. den Eintritt eines ernstlichen Personenschadens (BGH 11.2.2003 – VI ZR 34/02, NJW 2003, 1605) umfassen muss. Die vorsätzliche Verletzung von Pflichten allein würde nicht genügen.

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