BGH: Keine Wissenszurechnung über die Grenzen von (Konzern-)Gesellschaften bei §§ 826, 31 BGB

von Ulrike Wollenweber, veröffentlicht am 09.04.2021

Der BGH hat mit Urteil vom 8. März 2021 (VI ZR 505/19) zu den Voraussetzungen der Zurechnung der Haftung von juristischen Personen wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB Stellung genommen. Demnach setzt die Haftung voraus, dass ein organschaftlicher Vertreter der Gesellschaft den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB persönlich verwirklicht. Eine Wissenszurechnung über die Grenzen rechtlich selbständiger (Konzern-)Gesellschaften sei hier nicht zulässig.

Schadensersatzklage gegen Audi in einem „Dieselverfahren“

Der Käufer eines Audi A6 hatte die Audi AG als Herstellerin auf Schadensersatz verklagt, weil der Motor mit einer unzulässigen Software versehen war. Der Motor war von der Muttergesellschaft VW geliefert und von Audi eingebaut worden. Die Vorinstanz (OLG Naumburg vom 30. Oktober 2019, 3 U 42/19) hatte den Schadensersatzanspruch dem Grunde nach bejaht und die Haftung von Audi nach § 826 BGB mit einer Zurechnung des Wissens von organschaftlichen Vertretern von VW analog § 166 BGB begründet.

Keine Zurechnung sittenwidrigen Verhaltens

Der Senat hält diesen Ansatz der Vorinstanz für fehlerhaft und führt aus, dass ein sittenwidriges Verhalten eines organschaftlichen Vertreters nicht analog § 166 BGB zugerechnet werden könne. Die Schadensersatzpflicht des § 826 BGB habe aufgrund des Merkmals der Sittenwidrigkeit einen personalen Charakter. In einer früheren Entscheidung hatte der Senat bereits festgestellt, dass bei einer juristischen Person die vorhandenen kognitiven Elemente einer bewussten Täuschung nicht „mosaikartig“ zusammengesetzt werden könnten (BGH vom 28. Juni 2016, VI ZR 536/15). Die Zurechnung über die Grenzen rechtlich selbständiger (Konzern-)Gesellschaften sei somit erst recht nicht möglich.

Keine Feststellungen zu einer eigenen arglistigen Täuschung bei Audi

Die Vorinstanz hatte keine Feststellungen dazu getroffen, ob auch bei Audi eine auf eine arglistige Täuschung der Fahrzeugerwerber gerichtete strategische Entscheidung getroffen worden war oder Vertreter von Audi an einer entsprechenden Entscheidung von VW beteiligt waren.

Nach Ansicht des Senats könne ein sittenwidriges Verhalten von Audi in Betracht kommen, wenn Audi-Vertreter gewusst hatten, dass die von VW gelieferten Motoren mit einer unzulässigen Software ausgestattet waren und die Fahrzeuge mit dieser Software verkauft hatten.

Aufgrund der fehlenden Feststellungen verweist der Senat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

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1 Kommentar

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Erfreulich, dass man sich jedenfalls insoweit an das erinnernd richten kann, was man im Studium gelernt hat.

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