Das geplante Verbot der Arbeitnehmerüberlassung in der Fleischindustrie in der Kritik

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 11.09.2020
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|4361 Aufrufe

Das angekündigte Verbot der Arbeitnehmerüberlassung in der Fleischindustrie als Reaktion auf die offenkundigen Misstände nimmt konkrete Formen an. Das Kabinett hat vor kurzem das Gesetz zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz (Arbeitsschutzkontrollgesetz) auf den Weg gebracht (BR-Drs. 426/20). Die arbeitsrechtliche Kernbestimmung dieses Artikelgesetzes ist ein umfassendes Verbot des Einsatzes von Fremdpersonal im Bereich der Fleischindustrie. Dieses soll ab 1.1.2021 gelten und ab 1.4.2021 auch ein Verbot der Arbeitnehmerüberlassung beinhalten. § 6a GSA Fleisch soll wie folgt lauten:

§ 6 a. Einschränkungen des Einsatzes von Fremdpersonal

(1) Ein Unternehmer muss einen Betrieb oder, im Fall des Absatzes 3 Satz 2, eine übergreifende Organisation, in dem oder in der geschlachtet wird, Schlachtkörper zerlegt werden oder Fleisch verarbeitet wird, als alleiniger Inhaber führen. Die gemeinsame Führung eines Betriebes oder einer übergreifenden Organisation durch zwei oder mehrere Unternehmer ist unzulässig.

(2) Der Inhaber darf im Bereich der Schlachtung einschließlich der Zerlegung von Schlachtkörpern sowie im Bereich der Fleischverarbeitung Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur im Rahmen von mit ihm bestehenden Arbeitsverhältnissen tätig werden lassen. Er darf in diesen Bereichen keine Selbstständigen tätig werden lassen. Ein Dritter darf in diesen Bereichen keine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und keine Selbstständigen tätig werden lassen und keine Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer überlassen.

(3) Inhaber ist, wer über die Nutzung der Betriebsmittel und den Einsatz des Personals entscheidet. Wenn aufgrund der räumlichen oder funktionalen Einbindung des Betriebes in eine übergreifende Organisation die Arbeitsabläufe in dem Betrieb inhaltlich oder zeitlich im Wesentlichen vorgegeben sind, ist Inhaber, wer die übergreifende Organisation führt.

(4) Eine übergreifende Organisation ist ein überbetrieblicher, nicht notwendig räumlich zusammenhängender Produktionsverbund, in dem die Arbeitsabläufe im Bereich der Schlachtung einschließlich der Zerlegung von Schlachtkörpern oder im Bereich der Fleischverarbeitung aufeinander abgestimmt sind.

Schon frühzeitig sind in einem Beck-Blog-Beitrag vom 20.5.2020 verfassungsrechtliche Zweifel an einem solchen Verbot geäußert worden. Im neuesten Heft der NZA (2020, 1160) wird in einem Gemeinschaftsbeitrag zahlreicher prominenter Arbeitsrechtler die Kritik an diesem Gesetzgebungsvorhaben sehr deutlich und publikumswirksam artikuliert. In dem Beitrag der Autoren Boemke, Düwell, Greiner, Hamann, Kalb, Kock, Mengel, Motz, Schüren, Thüsing und Wank wird eindringlich vor einer arbeitsrechtlichen Fehlregulierung gewarnt, die an den eigentlichen Gesetzeszielen vorbeigehe. Der derzeitige Entwurf sei weder mit Verfassungs- noch mit Europarecht zu vereinbaren. Die Stellungnahme ist aber auch deshalb interessant, weil sehr plausibel alternative Regelungsmöglichkeiten aufgezeigt werden (Vergütung, Mietbedingungen, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz), die zielgenauer wirken würden. Summa summarum ein wichtiger Beitrag, der im Gesetzgebungsverfahren unbedingt berücksichtigt werden sollte.

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