Auch der Gesetzgeber kann sich irren - Kürzung der Miete bei Geschäftsräumen

von Dr. Michael Selk, veröffentlicht am 19.04.2020
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtMiet- und WEG-RechtCorona4|4563 Aufrufe

Schon mehrfach ist in diesem blog der neugeschaffene Art. 240 § 2 EGBGB und die dortige Kündigungsbeschränkung angesprochen worden. Bekanntlich hat der Gesetzgeber zunächst bis zum 30.6.2022 die Möglichkeit der Kündigung des Vermieters bei Zahlungsverzug des Mieters für die Mieten April bis Juni 2020 ausgeschlossen, falls Ursache der finanziellen Probleme des Mieters die Covid-19 Pandemie ist.

Für Irritationen sorgte die Gesetzesbegrundung (BT-Drucks. 19/18110, S.18), in der es wörtlich heißt: "Die Verpflichtung der Mieter zur Zahlung der Miete bleibt im Gegenzug im Grundsatz bestehen." Dieser Formulierung ist von Vermieterseite entnommen worden, dass die Zahlungspflicht der Gewerbemieter während der Pandemie unberührt bleibt. 

Ein solcher Schluss wäre allerdings unrichtig. Art. 240 § 2 EGBGB regelt nur die Kündigungsbeschränkung, nicht die Zahlungspflicht. Soweit der Gesetzgeber in der Begründung anderes andeutet, so ist dies "grundfalsch" bzw. "einigermaßen absurd" (so sehr deutlich Martin Häublein, NZM-info, Heft 7 S. V). Vielmehr beginnt die Diskussion erst - wie bereits hier im blog diskutiert, ist umstritten, ob der Gewerbemieter die Miete gem. § 536 mindern kann oder sich ggf. auf die Störung der Geschäftsgrundlage berufen kann (gegen eine Minderung und ggf. für § 313 BGB u.a. Sittner, NJW 2020, 1169 (1170ff) ; Weidt/Schiewek, NJOZ 2020, 481 (482ff).

Der Gesetzgeber hat also die rechtsdogmatische Frage der Kürzung der Miete durch den betroffenen Gewerbemieter nicht geklärt. Hier werden die gerichtlichen Entscheidungen abzuwarten sein. Die wohl zur Zeit h.M. , die eine Minderung eher ablehnt, verweist zumindest konsequent auf die vom BGH vorgenommene Trennung, ob die Maßnahme "objektbezogen" (dann Mangel bejaht) oder "betriebsbezogen" (dann verneint) ist. Die Argumente sind hier teilweise bereits ausgetauscht worden. Ob für die Coronafälle tatsächlich eine solche Trennung überhaupt vorgenommen werden kann (da die "Betriebsbezogenheit" eher auf in der Sphäre des Mieters liegende Umstände abstellt), werden ebenfalls die Gerichte klären müssen. Jedenfalls gehen momentan die meisten Autoren von einer möglichen Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB aus - mit unterschiedlichen Rechtsfolgen auch für den jeweiligen Einzelfall.

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4 Kommentare

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Vielen Dank für Ihren ausgewogenen Beitrag!

Ich erlaube mir noch einen Hinweis auf den Video-Vortrag mitsamt Diskussion hier: https://www.youtube.com/watch?v=IHXWNMsBjWk&t=1121s

Außerdem auf den Aufsatz von Schall in der JZ 2020, 388, der im Ergebnis auch für einen Vorrang des § 313 BGB plädiert, aber vorher noch §§ 275, 326 BGB ins Spiel bringt. Ein wichtiges Thema, das uns sicher noch intensiv beschäftigen wird!

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

znächst einmal ist festzustellen, dass im Gesetz selbst (Artikel 240 § 2 EGBGB) keine Regelung zum uneingeschränkten Bestehenbleiben der Zahlungspflicht des Mieters enthalten ist, sondern die Kollegen Dr. Selk und Dr. Häublein sich auf die Begründung des Gesetzes beziehen; die Initiative des Gesetzes liegt allerdings nach meiner Kenntnis bei der Bundesregierung und nicht beim Gesetzgeber selbst, so dass auch die Begründung zum Gesetzentwurf nicht den Willen des Gesetzgebers widergibt, sondern den der Bundesregierung/befassten Minister/innen/ Sachbearbeiter/innen. Auch die extreme Kürze des Gesetzgebungsverfahrens dürfte wenig Zweifel daran lassen, dass hier der Schwerpunkt des Gesetzutgebers in einem schnellen Abstimmungsverhalten lag.

Im Übrigen lässt die Interpretation des zutreffend widergegebenen Satzes die erforderliche Auslegung vermissen.

"Die Verpflichtung der Mieter zur Zahlung der Miete bleibt im Gegenzug im Grundsatz bestehen".

Das bedeutet doch zweifellos, dass die allgemeinen Regelung zur Fälligkeit, zum verzug und die besonderen Regelungen des Mietrechts und damit auch etwaiger Leistungsstörungen durch Artikel 240 § 2 EGBGB keine anders lautende Regelung erfahren sollen, mithin weiter anwendbar sind.

Der klarstellende Satz ist im Kontext zur vorangestellten Entwurfsbegründung des Artikel 240 § 1 deswegen dringend notwendig, weil in § 1 vielen Schuldnern ein Leistungsverweigerungsrecht zugestanden wird und eins solches für Mieter gerade nicht gelten soll.

Sie können versichert sein, dass die Berater der Vermieter/innen, insbesondere die in den Haus & Grund Vereinen den Betroffenen das Gesetz so erläutern und ihnen nicht einreden, dass etwaige Leistungseinschränkungen "absurd" seien.  

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Carsten Brückner 

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Die LTO-Presseschau:

Corona – Mietrecht: Die im Zuge der Corona-Pandemie beschlossene Kündigungssperre wegen Mietausfall erläutert die Richterin am Oberlandesgericht Kornelia Toporzysek auf zpoblog.de. Der Mieter müsse nach allgemeinen Grundsätzen glaubhaft machen, dass die Nichtleistung der Miete auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie beruhe und könne hierfür etwa eine eidesstattliche Erklärung vorlegen. Die Behauptung sei glaubhaft gemacht, sofern eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass sie zutreffe.

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