"Kraftfahrzeug" ist kein Kraftfahrzeug!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 14.03.2020
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht3|2313 Aufrufe

Na ja....natürlich kann man ein Kraftfahrzeug genauer beschreiben. Wenn aber im Urteil des Tatrichters festgestellt wird, es sei ein Kraftfahrzeug gefahren worden, dann ist das für mich doch schon etwas mehr als ein durch Tatsachen auszufüllender Rechtsbegriff. Das OLG Hamburg ist da nicht so großzügig. Ich verstehe das nicht so richtig. Verteidiger wird es natürlich freuen:

 

(1) Das amtsgerichtliche Urteil enthält zum Tatgeschehen zu Ziffer II. der Urteilsgründe folgende Feststellungen:

 „Am 2.5.2018 gegen 12.20 Uhr befuhr der Angeklagte während eines Haftausgangs mit dem Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... den S...weg in Hamburg, ohne - wie er wusste - im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis zu sein“.

 Weitere Tatfeststellungen enthalten die Urteilsgründe auch in den übrigen Urteilsabschnitten nicht.

 (2) Mit diesen Feststellungen sind die Voraussetzungen des angenommenen Tatbestands des Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG nicht mit Tatsachen belegt. Auch eine Strafbarkeit nach einer anderen Norm ergibt sich aus den amtsgerichtlichen Tatfeststellungen nicht.

 Der Vorwurf des Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG setzt unter anderem voraus, dass der Täter ein „Kraftfahrzeug“ führt. Dieses wesentliche Tatbestandsmerkmal hat das Amtsgericht nicht mit Sachverhaltsangaben ausgefüllt. Die Feststellung des Befahrens einer Straße mit einem „Kraftfahrzeug“ stellt eine, bloße Wiederholung des Gesetzestextes dar und ist unzureichend, da es sich nicht um einen allgemein geläufigen Rechtsbegriff handelt und sich aus dem Begriff „Kraftfahrzeug“ für sich genommen keine ausreichende Spezifizierung ergibt.

 Kraftfahrzeuge im Sinne des StVG sind nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 2 StVG Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein. Der Strafvorschrift des § 21 Abs. 1 und 2 StVG unterfallen davon nur diejenigen Kraftfahrzeuge, für deren Führen nach der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) eine Fahrerlaubnis irgendeiner Klasse erforderlich ist (vgl. Hühnermann in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, § 1 StVG Rn. 8). Hinter dem Begriff des Kraftfahrzeugs im Sinne des StVG verbirgt sich eine große Bandbreite möglicher Fahrzeugtypen einschließlich etwa so genannter Mofas und Fahrräder mit Hilfsmotor sowie landwirtschaftlicher Nutzfahrzeuge verschiedener Art, von denen einige ohne Fahrerlaubnis nach der FeV im öffentlichen Straßenverkehr geführt werden dürfen. Der Begriff des Kraftfahrzeugs besagt deshalb für sich genommen noch nicht, dass auch eine Fahrerlaubnispflicht besteht. Er ist in Urteilsfeststellungen deshalb mit Tatsachen zu unterlegen, auf deren Grundlage überprüft werden kann, ob ein fahrerlaubnispflichtiges Kraftfahrzeug vorliegt. Es sind deshalb in den Feststellungen der Kraftfahrzeugtyp und gegebenenfalls, etwa bei landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugen, weitere zur Prüfung einer Fahrerlaubnispflichtigkeit erforderliche Einzelheiten anzugeben.

 Hinzu kommt, dass Fahrerlaubnisse an Fahrerlaubnisklassen gebunden sind, die wiederum an der Art bzw. dem Typ des Kraftfahrzeugs anknüpfen. Für Kraftfahrzeuge kommen mehrere Fahrerlaubnisklassen nach der FeV in Betracht. Auch insoweit ist in Folge Beschränkung auf die bloßen Rechtsbegriffe „Kraftfahrzeug“ und „erforderliche Fahrerlaubnis“ in den amtsgerichtlichen Tatfeststellungen eine Überprüfung, ob die Feststellungen eine Strafbarkeit insbesondere nach § 21 StVG erbringen, nicht möglich, weil die allein verwendeten Rechtsbegriffe „Kraftfahrzeug“ und „erforderliche Fahrerlaubnis“ nicht erkennen lassen, ob und aus welchen Gründen eine etwa bei bestimmten zweirädrigen Kraftfahrzeugen vorzunehmende Abgrenzung zwischen fahrerlaubnispflichtigen und nicht fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugen einen strafbewehrten Sachverhalt erbracht hat (vgl. allgemein dazu Senat in Beschluss vom 12. November 2013, Az,: 2-80/13 (REV), und Urteil vom 13. Juli 2012, Az.: 2-61/11 (REV)).

 Vorliegend ermöglicht die Beschränkung der amtsgerichtlichen Tatfeststellungen auf die bloße Wiederholung der Gesetzesbegriffe „Kraftfahrzeug“ und „ohne die erforderliche Fahrerlaubnis“ keine Prüfung, ob dem Schuldspruch des Amtsgerichts genügende Tatsachen zu Grunde liegen, also ein fahrerlaubnispflichtiges Fahrzeug gefahren worden ist, ohne dass der Angeklagte über die für den betreffenden Fahrzeugtyp erforderliche Fahrerlaubnisklasse verfügt hat. Auch aus dem Zusammenhang der amtsgerichtlichen Urteilsgründe lassen sich Tatsachen für die entsprechende Prüfung der vorliegend abgeurteilten Tat nicht entnehmen.

OLG Hamburg, Beschluss vom 17.06.2019 - 2 Rev 34/19, BeckRS 2019, 11852

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3 Kommentare

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Wenn aber im Urteil des Tatrichters festgestellt wird, es sei ein Kraftfahrzeug gefahren worden, dann ist das für mich doch schon etwas mehr als ein durch Tatsachen auszufüllender Rechtsbegriff...

Na ja, irgendwie verstehe ich das OLG HH schon. Der Tatrichter hätte wenigstens "Personenkraftwagen", "Kraftrad" oder "Krad" etc. schreiben können. Auch die Angabe der Marke und des Typs wäre sicher nicht zu viel verlangt gewesen und Erstzulassung, PS/kW hätten den Angaben des Tatrichters die Krone aufgesetzt. In einem Urteil wegen Diebstahls reicht es zur Urteilsbegründung ja auch nicht, der Angeklagte habe einen "Diebstahl" begangen, auch wenn jeder weiß, was gemeint ist...

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Um Radfahrer auch mit einen mit Fuehrerscheinentzug zu belangen und ferner eine MPU anordnen, haben die s.g. Experten der Justiz ja schon vor Jahren statt Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotor dreist in Fahrzeuge umgewandelt, also alles was rollt.

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Da wollte das OLG, dass als Revisionsgericht keine eigene Sachverhaltsermittlungen durchführen darf, offenbar die Richter am AG und am LG einfach mal wieder aufwecken. Das musste wohl mal sein, damit man auch im Revisionsverfahren weiß, worüber man eigentlich urteilt. Aber das werden die betroffenen Richter am AG und LG (und ihre Kollegen) sich auch merken. Insofern dürfte die Freude der Verteidiger nicht lange währen. Und die des Angeklagten erst Recht nicht: "Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung.", d.h. er wird vermutlich verurteilt und bekommt wegen der langen Verfahrensdauer noch ein wenig Strafrabatt.

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