Unwirksamkeit einer Kündigung wegen fehlerhafter Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 17.12.2018
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|3541 Aufrufe

Seit jeher mussten Arbeitgeber vor der Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers die Schwerbehindertenvertretung beteiligen. Allerdings blieb die Verletzung dieses Beteiligungsrechts lange Zeit kündigungsrechtlich sanktionslos. Erst seit dem 30.12.2016 bestimmt das Gesetz (seinerzeit § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX, seit 1.1.2018 wortgleich § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX), dass eine ohne Anhörung der Schwerbehindertenvertretung ausgesprochene Kündigung unwirksam ist. Da das Gesetz einerseits noch weitere Obliegenheiten des Arbeitgebers statuiert (umfassende und unverzügliche Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung etc.), andererseits keine weiteren Verfahrensvorschriften enthält, insbesondere keine Äußerungsfrist für die Schwerbehindertenvertretung nennt, wirft die Anwendung der Norm zahlreiche Zweifelsfragen auf (ausführlich ErfK/Rolfs, 19. Aufl. 2019, § 178 SGB IX Rn. 8 ff. m.w.Nw.).

Einige dieser Fragen konnte das BAG mit Urteil vom 13.12.2018 klären:

1. Der erforderliche Inhalt der Anhörung und die Dauer der Frist für eine Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung richten sich nach den für die Anhörung des Betriebsrats geltenden Grundsätzen (§ 102 BetrVG).

2. Die Kündigung ist nicht allein deshalb unwirksam, weil der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung entgegen § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX (vom 30.12.2016 bis 31.12.2017: § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX) nicht unverzüglich über seine Kündigungsabsicht unterrichtet oder ihr das Festhalten an seinem Kündigungsentschluss nicht unverzüglich mitgeteilt hat.

Im Streitfall machte die klagende Arbeitnehmerin, die einem schwerbehinderten Menschen gemäß § 2 Abs. 3, § 151 Abs. 2 SGB IX gleichgestellt ist, die Unwirksamkeit der ihr gegenüber erklärten Kündigung geltend. Die beklagte Arbeitgeberin hatte im Dezember 2016 die behördliche Zustimmung zur ordentlichen Kündigung der Klägerin beantragt. Das Integrationsamt erteilte die Zustimmung mit Bescheid vom 20.2.2017. Mit Schreiben vom 7.3. bzw. 15.3.2017 hörte die Beklagte den Betriebsrat sowie die Schwerbehindertenvertretung zu ihrer Beendigungsabsicht an und kündigte am 24.3.2017 das Arbeitsverhältnis der Klägerin fristgerecht.

In den beiden ersten Instanzen hatte die Kündigungsschutzklage Erfolg. Auf die Revision der Arbeitgeberin hat der Zweite Senat des BAG das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts jedoch aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Entgegen der Auffassung dieses Gerichts sei die Kündigung nicht schon deshalb unwirksam, weil die Arbeitgeberin die Schwerbehindertenvertretung erst nach Abschluss des Verfahrens vor dem Integrationsamt und nach Anhörung des Betriebsrats beteiligt hatte. Ob die Kündigung an anderen Wirksamkeitsmängeln leidet, konnte der Senat anhand der bisher getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen. 

 BAG, Urt. vom 13.12.2018 - 2 AZR 378/18, Pressemitteilung hier

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