Lehrerin mit Kopftuch – LAG Berlin-Brandenburg spricht Entschädigung zu

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 30.11.2018
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|3350 Aufrufe

An dieser Stelle ist schon mehrfach über Entscheidungen der Berliner Arbeitsgerichtsbarkeit berichtet worden, die sich zu Entschädigungsklagen abgelehnter Bewerberinnen verhalten (zuletzt Blog-Beitrag vom 14.5.2018). Die Klägerinnen machen geltend, ihre Bewerbung um eine Stelle im öffentlichen Dienst sei unberücksichtigt geblieben, da sie ein muslimisches Kopftuch trügen. Den Klagen ist in der ersten Instanz vielfach der Erfolg versagt geblieben. In der zweiten Instanz sieht es dann schon anders aus. Bei alledem muss in Rechnung gestellt werden, dass stets unterschiedliche Kammern mit diesen Fällen befasst sind. Das LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 27.11.2018 - 7 Sa 963/18, PM 21/18) hat jedenfalls in einem gerade entschiedenen Fall einer Klägerin eine Entschädigung in Höhe von eineinhalb Monatsvergütungen wegen einer Benachteiligung aufgrund der Religion zugesprochen und damit das vorangegangene Urteil des ArbG Berlin vom 24.5.2018 – 58 Ca 7193/17 – nicht bestätigt. Die Klägerin hat geltend gemacht, ihre Bewerbung als Diplominformatikerin (offenbar im Schuldienst) sei nicht erfolgreich gewesen, weil sie ein muslimisches Kopftuch trage. Das LAG gibt ihr recht und führt aus, es liege eine Benachteiligung der Klägerin im Sinne des § 7 AGG vor. Das Land Berlin könne sich zur Ablehnung der Bewerberin nicht mit Erfolg auf das Neutralitätsgesetz (Gesetz zu Artikel 29 der Verfassung von Berlin vom 27.01.2005, GVBl. 2005, 92) berufen. Bei der Auslegung dieses Gesetzes sei das Gericht an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 2015 (Aktenzeichen 1 BvR 471/10 –, 1 BvR 1181/10, NJW 2015, 1359) gebunden. Hiernach sei für ein gesetzliches allgemeines Verbot religiöser Symbole wie dem Kopftuch eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität erforderlich, die im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden könne. Das Neutralitätsgesetz des Landes Berlin sei mit der Verfassung vereinbar, weil dieses verfassungskonform ausgelegt werden könne, wie das Landesarbeitsgericht bereits durch Urteil vom 09.02.2017 entschieden hat (Aktenzeichen: Az. 14 Sa 1038/16, NZA-RR 2017, 378).

Endgültige Klarheit wird wohl erst eine Entscheidung des BAG bringen. Immerhin hat das LAG für das beklagte Land die Revision zum BAG zugelassen.

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