Zwei Entscheidungen zur Einspruchsbeschränkung auf die Rechtsfolge: "Unterbevollmächtigter" - "Schuldform"

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 06.09.2018
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|2371 Aufrufe

Heute einmal zwei Entscheidungen, die thematisch gut zusammen passen. Es geht um die Einspruchsbeschränkung auf die Rechtsfolge. Findet sie nachträglich durch den Verteidiger statt, so bedarf es hierfür einer Ermächtigung nach § 302 Abs. 2 StPO. Damit befasst sich die erste Entscheidung. Bei der zweiten Entscheidung geht es um die Frage, welche Voraussetzungen an einen Bußgeldbescheid zu stellen sind, wenn die Einspruchsbeschränkung wirksam sein soll:

1. Entscheidung:

1. Das AG ist zunächst zu Recht von einer wirksamen Beschränkung des Einspruchs durch den Terminsbevollmächtigten in der Hauptverhandlung vom 04.12.2017 nach § 67 II OWiG ausgegangen mit der Folge, dass der Bußgeldbescheid im Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen ist. Für die nachträgliche Beschränkung des zunächst unbeschränkt eingelegten Einspruchs, in der eine teilweise Zurücknahme des Rechtsbehelfs gemäß § 67 I 2 OWiG i.V.m. § 302 II StPO zu sehen ist (vgl. zuletzt OLG Bamberg Beschluss vom 03.04.2018 – 3 Ss OWi 330/18 [bei juris] m.w.N.), lag eine ausdrücklicher Ermächtigung des Betr. vor.

                    a) Der Betr. hatte seiner Verteidigerin zuletzt am 30.11.2017 eine schriftliche Vollmacht ausgestellt, die auch die Ermächtigung zur Rücknahme eines Rechtsmittels beinhaltete. Im Hinblick darauf, dass diese Vollmachtserteilung im Rahmen des laufenden gerichtlichen Verfahrens über den Einspruch des Betr. erfolgte, muss die in ihr enthaltene Ermächtigung auch als ausdrücklich auf dieses Verfahrens bezogen angesehen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 31.08.2016 – 2 StR 267/16 [bei juris] m.w.N.).

                    b) Zwar ergibt sich aus der Terminsvollmacht […] eine solche Ermächtigung nicht. Da allerdings für die nach § 67 I 2 OWiG i.V.m. § 302 II StPO erforderliche ausdrückliche Ermächtigung, die im Zeitpunkt der Erklärung der Einspruchsbeschränkung vorgelegen haben muss, keine besondere Form vorgeschrieben ist und der Nachweis auch nachträglich, etwa durch eine anwaltliche Versicherung, erbracht werden kann (st.Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. vom 06.12.2016 – 4 StR 558/16 = NStZ-RR 2017, 185; 15.04.2015 – 1 StR 112/15 = NStZ-RR 2016, 24; 05.02.2014 – 1 StR 527/13 [bei juris]; Urt. v. 18.07.2013 – 4 StR 100/13 = NStZ-RR 2013, 352 = BGHR StPO § 302 I Rücknahme 7; OLG Bamberg a.a.O.), hat der Senat entsprechende Ermittlungen durchgeführt. Nach der Erklärung der Verteidigerin […] vom 09.08.2018 ist davon auszugehen, dass diese die ihr eingeräumte Ermächtigung zur Beschränkung des Einspruchs […] ausdrücklich auf den Terminsbevollmächtigten übertragen hatte.

OLG Bamberg Beschl. v. 13.8.2018 – 3 Ss OWi 980/18, BeckRS 2018, 19285

2. Entscheidung:

Die gemäß § 79 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde begegnet hinsichtlich ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen keinen Bedenken. Sie führt auf die erhobene Sachrüge zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs und ist im Übrigen unbegründet.

                    1. Die Annahme des Tatgerichts, der Betroffene habe die ihm zur Last gelegte Geschwindigkeitsübertretung vorsätzlich begangen, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Ihr steht die erklärte Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen entgegen.

                    a) Gemäß § 67 Abs. 2 OWiG kann ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden. Damit ist auch eine Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen möglich (KG VRS 102, 296 = NZV 2002, 466; OLG Rostock VRS 101, 380 [382 f.] = NZV 2002, 137 [138]; KG VRS 130, 244). Eine solche ist vorliegend erklärt.

                    b) Ihr kann auch die Wirksamkeit nicht versagt werden. Eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch setzt tatsächliche Feststellungen voraus, die geeignet sind, eine hinreichend sichere Grundlage für die Bemessung der Rechtsfolgen darzustellen. Sind hingegen die Feststellungen so knapp, unvollständig oder widersprüchlich, dass sie diese Funktion nicht zu erfüllen vermögen, ist die erklärte Beschränkung unwirksam (vgl. allgemein BGH NJW 2017, 2482 [2483]). So kann es sich namentlich verhalten, wenn bei Delikten, die bei vorsätzlicher ebenso wie bei fahrlässiger Begehung sanktioniert sind, Unklarheit über die zugrunde gelegte Schuldform herrscht (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Auflage 2018, § 318 Rz. 17 m. N.). Diese Grundsätze gelten auch für das Bußgeldverfahren (vgl. KK-OWiG-Ellbogen, 5. Auflage 2017, § 67 Rz. 57).

                    aa) Hiervon ausgehend ist für den Streitfall zunächst zu konstatieren, dass der Bußgeldbescheid vom 12. April 2017 ausdrückliche Feststellungen zur Schuldform nicht enthält.

                    bb) In Rechtsprechung und Literatur anerkannt ist, dass es einer ausdrücklichen Angabe der Schuldform nicht bedarf, vielmehr von fahrlässigem Handeln auszugehen ist, wenn die Bußgeldbehörde ihrer Sanktionsbemessung einen Regelsatz der BKatV zugrunde legt, da die Regelsätze von fahrlässigem Handeln ausgehen (Brandenburgisches OLG B. v. 20.02.2017 – (1) 53 Ss-OWi 56/17 (34/17) – bei Juris; OLG Oldenburg VRS 130, 65 = DAR 2016, 472; KG VRS 114, 47; OLG Naumburg NStZ-RR 2005, 243; KG VRS 102, 296 = NZV 2002, 466; OLG Rostock VRS 101, 380 = NZV 2002, 137; Göhler-Seitz/Bauer, OWiG, 17. Auflage 2017, § 67 Rz. 34e; KK-Ellbogen a.a.O.). So verhält es sich hier indessen nicht; vielmehr hat die Bußgeldbehörde den Regelsatz von 440,- € und 880,- € verdoppelt.

                    cc) Auch dies hindert allerdings nicht unter allen Umständen die Annahme, aus dem Bußgeldbescheid selbst ergebe sich die Zugrundelegung nur fahrlässigen Verhaltens durch die Behörde. Vielmehr erscheint es möglich, im Einzelfall trotz Erhöhung des Regelsatzes verlässlich auf die angenommene Schuldform zurückzuschließen und diese so dem Bußgeldbescheid selbst zu entnehmen. Dies haben das OLG Hamm (B. v. 19.08.2008 – 5 Ss OWi 439/08 – bei Juris Tz. 27) und das OLG Jena (VRS 112, 359 – bei Juris Tz. 11) erwogen, es im konkreten Fall aber mangels ausreichender diesbezüglicher Anhaltspunkte abgelehnt. In beiden Fällen blieb nämlich offen, ob die Erhöhung des Bußgeldes wegen Vorsatzes oder wegen der Vorbelastungen erfolgt war. Hier ergibt sich indessen aus dem Bußgeldbescheid, dass die Bußgeldbehörde die Regelsanktion (ausschließlich) mit Blick auf die einschlägige verkehrsrechtliche Vorbelastung des Betroffenen verdoppelt und dessen mögliches vorsätzliches Verhalten nicht in den Blick genommen hat.

                    Lässt demnach der Bußgeldbescheid die Annahme fahrlässigen Verhaltens hinreichend erkennen, erweist sich die erklärte Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen als wirksam; das Tatgericht – das sich zutreffend an die Feststellungen im Bußgeldbescheid gebunden gesehen hat - durfte hiervon nicht abweichen.

                    2. Dieser Rechtsfehler führt freilich nur zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung der Schuldform. Im Übrigen verbleibt es bei der amtsgerichtlichen Entscheidung. Der Senat kann insoweit die erforderliche Bestimmu8ng der Rechtsfolgen auf der Grundlage der vom Amtsgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen selbst vornehmen (§ 79 Abs. 6 OWiG).

OLG Köln Beschl. v. 17.7.2018 – 1 RBs 197/18, BeckRS 2018, 19917

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