Fahrverbot: "Job weg? Egal. Hab dich nicht so. Kriegst einen neuen!"

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 04.09.2018
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|1891 Aufrufe

Der Betroffene hatte eine Drogenfahrt hingelegt. Nach §§ 24a, 25 Abs. 1 S. 2 StVG gibt es dafür (neben der Geldbuße) ein gesetzliches Regelfahrverbot. Verteidigung des Betroffenen: Ich verliere meinen Job! Das AG hat das so geglaubt. Trotzdem hat es ein Fahrverbot festgesetzt. Weil: Der Betroffene könne „unproblematisch eine vergleichbare Tätigkeit finden“. Das fand das OLG Bamberg nicht so toll:

Der Rechtsfolgenausspruch hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Auch wenn ein Absehen von dem gesetzlich angeordneten Regelfahrverbot nach §§ 24a II, III, 25 I 2 StVG i.V.m. § 4 III BKatV nur in Härtefällen ganz außergewöhnlicher Art in Betracht kommt (vgl. nur OLG Bamberg Beschluss vom 29.10.2012 – 3 Ss OWi 1374/12 = BA 50, 27 = OLGSt StVG § 25 Nr 53 und zuletzt Beschluss vom 02.07.2018 – 3 Ss OWi 754/18 [bei juris], jeweils m.w.N.), sind die Erwägungen des AG, welches trotz von ihm unterstellter Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Betr. in der Gesamtschau von der Angemessenheit und Notwendigkeit der Verhängung des Fahrverbots ausgeht, schon im Ansatz von Rechtsfehlern beeinflusst.

 
a) Mit seiner Prognose, der Betr. werde nach seiner Kündigung „unproblematisch eine vergleichbare Tätigkeit finden“, entfernt sich die an sich dem Tatrichter nach § 261 StPO obliegende Beweiswürdigung so weit von einer festen Tatsachengrundlage, dass es sich bei ihr letztlich nur um eine bloße Vermutung handelt (Meyer-Goßner/Schmitt StPO 61. Aufl. § 261 Rn. 38). Ebenso wenig wie eine nur auf statistische Wahrscheinlichkeiten gestützte Prognoseentscheidung, welche die Besonderheiten des Einzelfalls nicht in den Blick nimmt, keine geeignete Grundlage für die Anordnung oder Fortdauer gerichtlicher Maßnahmen darstellt (vgl. nur BGH Beschluss vom 16.12.2015 – 2 StR 469/15 = StraFo 2016, 122; 12.04.2016 – 4 StR 17/16 = NStZ-RR 2016), kann eine Existenzgefährdung infolge Verlustes des Arbeitsplatzes nicht mit vom konkreten Fall losgelösten Überlegungen zur allgemeinen Beschäftigungslage verneint werden. Aus der - abstrakt gesehen - guten Arbeitsmarktlage in M. allein folgt nicht, dass auch der Betr. nach seiner Kündigung unproblematisch eine vergleichbare Tätigkeit finden wird. Konkrete Tatsachen, wonach der Betr. eine neue Arbeitsstelle in Aussicht habe, hat das Gericht gerade nicht festgestellt. Die Urteilsfeststellungen verhalten sich auch nicht zu den persönlichen Verhältnissen des Betr., so dass der Senat die Schlussfolgerung des AG schon im Hinblick auf möglicherweise vorhandene Einschränkungen der Vermittelbarkeit nicht auf Plausibilität überprüfen kann. Da solche Einschränkungen gerade dann nahe liegen, wenn sich der Arbeitgeber, wovon das AG zu Gunsten des Betr. ausgeht, trotz der Arbeitsmarktlage, die es ihm erschwert einen neuen Mitarbeiter zu finden, von seinem Arbeitnehmer trennen will, hätte dieser Punkt einer näheren Erörterung in den Urteilsgründen bedurft.
 
b) Soweit das AG der Sache nach darauf abstellt, dass die Verhängung eines Fahrverbots gegen den verkehrsrechtlich nicht vorgeahndeten Betr. trotz drohender Kündigung seines Arbeitsverhältnisses in der Gesamtschau der Tatumstände verhältnismäßig sei, ist auch dies nicht rechtlich tragfähig begründet.
 
aa) Die Wertung des AG, der Betr. habe sich „grob fahrlässig“ verhalten, wird durch die festgestellten bzw. in Rechtskraft erwachsenen Tatsachen nicht getragen. Dem Senat erschließt sich nicht, warum ein THC-Gehalt von 9 mg/l Blut auf eine gesteigerte Pflichtwidrigkeit hindeuten soll, denn weitere Feststellungen, insbesondere zur Dauer, zum Zeitpunkt, zu den Umständen und den Auswirkungen des Substanzkonsums oder der Länge der Wartezeit nach der Substanzaufnahme hat die Tatrichterin nicht getroffen.
 
bb) Mit der Erwägung, das Verhalten des Betr. sei „durchaus sehr riskant“ gewesen, verstößt das AG zudem gegen den Rechtsgedanken des § 46 III StGB, der auch im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts zu berücksichtigen ist (vgl. u.a. OLG Bamberg, Beschluss vom 05.12.2013 - 3 Ss OWi 1470/13 = BeckRS 2014, 4739 = NJOZ 2014, 858 und 02.07.2018 – 3 Ss OWi 754/18 [bei juris]; BayObLGSt 1994, 237; OLG Düsseldorf VRS 84, 340; KK/Mitsch OWiG 5. Aufl. § 17 Rn. 32, jeweils m.w.N.). Demnach besteht ein Doppelverwertungsverbot, welches verhindern soll, dass Umstände, die zum Tatbestand der Bußgeldnorm gehören oder die das generelle gesetzgeberische Motiv für die Bußgelddrohung darstellen, bei der Bemessung der Rechtsfolgen, hier der Notwendigkeit der Verhängung eines Fahrverbots trotz Existenzgefährdung, noch einmal herangezogen werden. Umstände, welche die Auswirkungen des Verhaltens des Betr. über den bloßen in § 24a II, III StVG sanktionierten Substanzkonsum hinaus im Einzelfall als besonders gefährlich erscheinen lassen, hat das AG nicht festgestellt. 
 

OLG Bamberg Beschl. v. 13.8.2018 – 3 Ss OWi 980/18, BeckRS 2018, 19285

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