Arbeitsunfall eines Bestatters beim Anheben eines Leichnams

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 03.08.2018
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|3454 Aufrufe

Das mediale Sommerloch erlaubt es, einen Blick auf die Sozialgerichtsbarkeit zu werfen, die mit einem kuriosen Rechtsstreit aufwarten kann:

Es geht – wie so oft – um die Frage, ob ein Geschehen als Arbeitsunfall anerkannt werden kann. Der Sachverhalt stellt sich wie folgt dar:

Der zum Unfallzeitpunkt 39jährige Versicherte arbeitet seit 2002 als Friedhofsmitarbeiter (Bestattungshelfer). Er ist u.a. für die Abholung von Verstorbenen zuständig. Im August 2016 wollte er mit einem Kollegen den Leichnam einer verstorbenen Frau abholen. Die Tote sollte vom Bett auf die am Boden stehende Trage gehoben werden. Hierzu begab sich der Kläger an das Kopfende neben das Bett, während sein Kollege die Füße nehmen sollte, sich deswegen ans Fußende des Bettes stellte, wobei sich beide etwas seitlich verrenken mussten. Beim Anheben der Leiche verspürte der Kläger ein „Knacken“ im rechten Oberarm und einen brennenden Schmerz direkt oberhalb des Ellenbogens, ein Wulst war sichtbar. Ein nochmaliges Anheben der Leiche war ihm nicht möglich. Im Krankenhaus wurde ein deutlicher Kraftverlust im Bereich der Bizepsmuskulatur, Druckschmerz und ein Muskelbauch am rechten distalen Oberarm festgestellt. Ein zunächst diagnostizierter Bizepssehnenabriss hat sich später nicht bestätigt. Der Versicherte war 4 Wochen arbeitsunfähig. Der beklagte Unfallversicherungsträger lehnte mangels äußerer Krafteinwirkung und unklarem Gesundheitserstschaden die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab.

Das LSG gab der hiergegen gerichteten Klage des Bestatters statt. Rechtlicher Ausgangspunkt ist § 8 Abs. 1 SGB VII, wonach Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit) sind. Unfälle werden als zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse definiert, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.

Das Verhebetrauma, das der Bestatter während der beruflichen Tätigkeit – Anheben der Leiche - erlitten hat, erfülle die gesetzliche Anforderung an Arbeitsunfälle „von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden führt“. Die dabei stattgefundene (mechanische) Krafteinwirkung rechnet zu den äußeren Ursachen. Die von der Unfallversicherung angenommene „innere Ursache“ - dies wären z.B. Kreislaufkollaps oder Herzinfarkt - habe nicht vorgelegen. Ein Versicherter, der auf ausdrückliche oder stillschweigende Anordnung seines Arbeitgebers zur Ausübung seiner versicherten Tätigkeit eine derartige Kraftanstrengung unternehme und dabei einen Gesundheitsschaden erleide, stehe unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Geschützt seien nach dem Gesetzeszweck alle Verrichtungen, die in einem sachlichen, inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen. Eine Differenzierung in nicht versicherte „übliche“ und versicherte „unübliche“ Tätigkeiten gäbe es nicht. Dass sich die ursprüngliche Diagnose eines Bizepssehnenabrisses nicht bestätigt hat, ist für die Feststellung eines bestimmten Ereignisses als Arbeitsunfall irrelevant. Der insbesondere sogleich festgestellte Muskelbauch am rechten distalen Oberarm reiche für den erforderlichen Gesundheitserstschaden allemal aus. Die zeitlich begrenzte, äußere Krafteinwirkung bei dem Anhebeversuch (Unfallereignis) war auch die wesentliche Ursache für diesen Gesundheitserstschaden.

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Der beklagte Unfallversicherungsträger lehnte mangels äußerer Krafteinwirkung und unklarem Gesundheitserstschaden die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab.

Den Unfallversicherern fällt doch immer mal wieder etwas neues ein, auch wenn die Argumentation noch so lächerlich ist. Wer sich heute noch unbesehen auf Behördenentscheidungen verläßt, ist verlassen. Natürlich ist auch ein Leichnam für einen Bestatter eine "äußere Krafteinwirkung", wie ein Ziegelstein für den Maurer. Was

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