Erfüllung des Mindestlohn-Anspruchs durch Sonn- und Feiertagszuschläge

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 07.06.2018
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht11|5328 Aufrufe

Das BAG arbeitet sich an einer ganzen Reihe von Einzelfragen ab, ob bestimmte Leistungen des Arbeitgebers der Erfüllung des Mindestlohnanspruchs aus § 1 MiLoG dienen können. Heute: Sonn- und Feiertagszuschläge:

  1. Arbeitsvertraglich vereinbarte Sonn- und Feiertagszuschläge sind grundsätzlich mindestlohnwirksam und nicht zusätzlich zum gesetzlichen Mindestlohn geschuldet.
  2. Zahlt der Arbeitgeber Arbeitsentgelt, tritt gemäß § 362 Abs. 1 BGB nach der Theorie der realen Leistungsbewirkung die Erfüllungswirkung als objektive Folge der Leistungsbewirkung ein. Einer besonderen Tilgungsbestimmung zur Herbeiführung der Erfüllungswirkung bedarf es nicht, sofern die Zahlung des Schuldners einem bestimmten Schuldverhältnis, dh. einer bestimmten Leistungspflicht, zugeordnet werden kann oder sie zur Tilgung aller Verbindlichkeiten aus mehreren Schuldverhältnissen ausreicht.
  3. Der Arbeitgeber kann in der dem Arbeitnehmer bei Zahlung des Arbeitsentgelts zu erteilenden Abrechnung (§ 108 Abs. 1 GewO) auch eine - positive oder negative -Tilgungsbestimmung treffen.

BAG, Urt. vom 17.1.2018 - 5 AZR 69/17, BeckRS 2018, 9206

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11 Kommentare

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Ich bedaure diese Entscheidung und halte sie rechts- und gesellschaftspolitisch für verfehlt.

Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor werden so gegenüber anderen Arbeitnehmern schlechter gestellt. Faktisch müssen sie Sonn- und Feiertags arbeiten, damit sie überhaupt auf den Mindestlohn kommen. Während Arbeitnehmer, die mit bereits mit Arbeitsleistungen Werktags den Mindestlohn überschreiten, sich bewusst für oder gegen Sonn- und Feiertagsarbeiten entscheiden können und falls nicht, dies entsprechend höher vergütet und deutlich weniger besteuert wird.

Profiteur ist der Unternehmer, der mit dieser Entscheidung ein weitere Möglichkeit findet, seinen Arbeitnehmer unterdurchschnittlich bezahlen zu können, bei höherem Arbeitseinsatz und gewiss nicht weniger übertragender Verantwortung.

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Gast schrieb:
Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor werden so gegenüber anderen Arbeitnehmern schlechter gestellt. Faktisch müssen sie Sonn- und Feiertags arbeiten, damit sie überhaupt auf den Mindestlohn kommen. Während Arbeitnehmer, die mit bereits mit Arbeitsleistungen Werktags den Mindestlohn überschreiten, sich bewusst für oder gegen Sonn- und Feiertagsarbeiten entscheiden können und falls nicht, dies entsprechend höher vergütet und deutlich weniger besteuert wird.

Wieso? Der Mindestlohn ist ein Stundenlohn und der ist Werktags genauso hoch wie Sonn- und Feiertags. Und Arbeitnehmer, die mehr als den Mindestlohn bekommen, müssen auch Sonntags arbeiten, wenn der AG das anweist (und Sontagsarbeit zulässig ist) 

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Ihr Hinweis ist falsch. Der Mindestlohn ist Werktags nicht genauso hoch, wie Sonn- und Feiertags.

Lesen Sie bitte die Leitsätze (nochmals).

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Der vertragliche Lohn plus SF-Zuschläge ist Sonn- und Feiertags möglicherweise höher, als der Mindestlohn, der aber auch Sonn- und Feiertags nicht höher als 8,84 EUR/h ist. Wenn Arbeitnehmer nicht Sonn- und Feiertags, sondern nur Werktags arbeiten, erhalten sie auch für diese Arbeit mindestens den Mindestlohn. Um auf den Mindestlohn zu kommen, ist daher keine Sonn- und Feiertagsarbeit notwendig.

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Ich denke, Sie (noch immer) nicht die hier angesprochene Problematik verstanden.

Das ist ja nicht schlimm. Man sollte dann aber nicht einfach Dinge behaupten, die man nicht versteht.

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Das BAG dürfte richtig entschieden haben. Das MiLoG differenziert beim Mindestlohn nicht danach, ob dieser als "Grundlohn" oder durch Zulagen gezahlt wird.

Ob das MiLoG da vielleicht nicht mit der erforderlichen Detailtiefe erstellt wurde, mag man sich fragen. Aber der Fehler liegt dann beim Gesetzgeber bzw. den Entwurfaufstellern, nicht beim BAG.

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Ist einer der Tätigkeit nach vergleichbaren Schwangeren oder Stillenden dann ein höherer Grundlohn zu zahlen, da sie wegen des Verbots von Sonn- und Feiertagsarbeit die Zuschläge nicht verdienen kann und insoweit bei gleicher Arbeitszeit werktags unter den MiLo fiele? Deckt sich das dann mit "gleicher Lohn für gleiche Arbeit"? Ich finde es schräg...

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Schräg und bedauerlich willkürlich ist wohl nicht nur die Selbstverständlichkeit mit der hochdotierte "Gelehrte" um Sklavenentlohnung feilschen, sondern auch wie sie es tun. Der Mindestlohn ist ein Stundenlohn und kein monatlicher Durchschnittslohn. Jede Arbeitsstunde muss also für sich allein mit mindestens 8,50 vergütet werden. Wenn Sonn- und Feiertags aufgrund von betrieblicher Übung 8,60 geschuldet werden, kann es nicht zur Verrechnung von 0,10 mit den Normalstunden kommen. Genau das macht aber das BAG, wenn es aus der Monatsvergütung auf eine Durchschnittsvergütung je Stunde schliėßt. Der Gesetzgeber hat jedoch eindeutig das MINIMUM JE STUNDE definiert und nicht einen Durchschnittslohn. Es ist beschämend genug, dass im kaum existenzsichernden Brutto von 8,50 Zuschläge für Erschwernisse verrechnet werden. Dass "Gelehrte" mit mangelnden Kenntnissen 

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...und Verständnis für Mathematik, Statistik und Logik dem noch ihre willkürliche Duftmarke aufsetzen, sollte auch Arbeitnehmer zu Überlegungen hinsichtlich der geschuldeten Mindestleistung führen. Wie würde das BAG Mindestleistungen bewerten?

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Aus dem Urteil:
"Arbeitsvertraglich haben die Parteien [im Jahr 2011] einen Bruttostundenlohn von 6,60 Euro und die Fälligkeit des Entgelts „am letzten des Monats“ vereinbart. Außerdem erhielt die Klägerin - wie andere Beschäftigte - von November 2011 bis Oktober 2014 für Sonn- und Feiertagsarbeit einen Zuschlag von 2,00 Euro brutto pro Stunde. Seit Januar 2015 zahlt die Beklagte der Klägerin monatlich einen Bruttolohn, der jedenfalls dem Produkt der gearbeiteten Stunden mit 8,50 Euro brutto entspricht."

Geht man davon aus, dass jede einzelne Stunde betrachtet werden muss, müssen die vereinbarten 6,60 € an Werktagen auf 8,50 € aufgestockt werden. An Sonntagen müsste nicht aufgestockt werden, weil man dann ja schon bei 8,60 € und damit über Mindestlohn liegt. Soweit läßt sich das Einrechnen der Zuschläge noch vertreten, jede Stunde wäre bei mindestens 8,50 €.
Allerdings erlaubt das BAG über diese Aufstockung hinaus auch noch eine Verrechnung der durch Zuschläge über Mindestlohn liegenden Vergütung mit den Aufstockungsbeträgen zu anderen Zeiten. Und wie Herr Lippke richtig schreibt, spricht das MiLoG eigentlich von 8,5 Euro "je Zeitstunde", nicht von "im Schnitt". Soweit ein Stundenlohn vereinbart ist, muss dann auch ein dem Gesetz entsprechender Stundenlohn gezahlt werden. Der Schnitt kann allenfalls eine Rolle spielen, wenn gar kein Stundenentgelt, sondern ein verstetigtes Monatseinkommen vereinbart ist.

...spricht das MiLoG eigentlich von 8,5 Euro "je Zeitstunde", nicht von "im Schnitt"

Das BAG rechnet seit jeher monatsbezogen, was u. a. aus § 2 Abs. 1 lit. 2 MiLoG geschlossen werden kann. Ausserdem handelt es sich beim MiLoG lt. BAG um eine eigene Anspruchsgrundlage, die mit den arbeitsrechtlichen (Lohn-)Vereinbarungen prinzipiell gar nichts zu tun hat.

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