EU vermeldet Kompromiss beim Streit um Reform der Entsenderichtlinie

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 05.03.2018
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|2799 Aufrufe

Die Entsendung von EU-Ausländern in andere EU-Mitgliedstaaten hat große praktische Bedeutung. Man denke etwa an Pflegerinnen aus Polen oder Bauarbeiter aus Rumänien. Hunderttausende EU-Ausländer arbeiten als Entsandte allein in Deutschland. Den damit verbundenen Verwerfungen (Stichworte: Sozialdumping, gespaltener Arbeitsmarkt, Wettbewerbsverzerrungen) begegnet die EU-Entsenderichtlinie aus dem Jahre 1996 und in Deutschland das Arbeitnehmerentsendegesetz. Der Regelungsansatz der Richtlinie und des deutschen Umsetzungsgesetzes liegt darin, hinsichtlich eines harten Kerns von Arbeitsbedingungen (z.B. Lohn) das Arbeitsortprinzip einzuführen. Gleichwohl beklagen die Gewerkschaften Schlupflöcher und Missbrauch. Ausländische Arbeitnehmer würden ausgebeutet und örtliche Sozialstandards damit ausgehöhlt. Seit längerer Zeit wird daher über eine Reform der Richtlinie diskutiert. Zwischen den EU-Ländern gehen die Interessen aber weit auseinander. Vor allem Frankreich beharrt auf strengeren Regeln, um einheimische Beschäftigte vor Lohndumping zu schützen. Die Reform war vor allem vom neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron gefordert worden. Deutschland, die Benelux-Staaten und weiteren Länder unterstützen ihn. Die osteuropäischen Länder kritisieren hingegen, westliche Staaten wollten ihre Arbeitsmärkte abschotten. Nun vermeldet die EU-Kommission einen Kompromiss. Die EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen äußerte: „Wir haben eine ausgewogene Vereinbarung erzielt". Das Ziel der Reform soll es sein, Beschäftigte künftig besser vor Lohn- und Sozialdumping zu schützen. Deshalb sollen Entsendungen künftig in der Regel nicht länger als zwölf Monate dauern, in Ausnahmen 18 Monate. Dazu soll eine Übergangszeit von vier Jahren bis zu einer endgültigen Einigung und ihrem Inkrafttreten gelten. Die EU-Sozialminister machen mit ihrem Beschluss den Weg frei für Verhandlungen des Reformentwurfs mit dem Europäischen Parlament. Macron begrüßte den Kompromiss: "Europa bewegt sich nach vorne, ich bezeuge der ambitionierten Vereinbarung meinen Respekt: mehr Schutz, weniger Betrug". Den Kompromiss tragen allerdings nicht alle Länder mit. Während Polen, Ungarn, Lettland und Litauen sich dem Kompromiss widersetzten, enthielten sich die Vertreter Großbritanniens, Irlands und Kroatiens. Für eine Reform der EU-Entsenderichtlinie bedarf es einer qualifizierten Mehrheit. Das bedeutet, dass 55 Prozent der Mitgliedsstaaten, die gleichzeitig mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, für die Reform stimmen müssen.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen