Schienenkartell: Neue Runde im Streit zwischen Thyssen-Krupp und Ex-Manager

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 02.07.2017
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|3867 Aufrufe

Beim BAG (Urteil vom 29. Juni 2017 - 8 AZR 189/15 -, PM 30/17) stand ein Fall zur Entscheidung an, der schon im Vorfeld große Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Nicht nur wegen der immens hohen Schadensersatzforderung, sondern auch wegen der überaus interessanten Rechtsproblematik. Es geht im Kern um die Grundsatzfrage, ob und unter welchen Voraussetzungen Manager/Geschäftsführer oder Arbeitnehmer für Kartellbußen (evtl. aber auch für die zivilrechtliche Inanspruchnahme durch Mitbewerber) haftbar gemacht werden können, die ihrem Unternehmen auferlegt werden. Solche Haftungsklagen überfordern zwar offenkundig die in Anspruch genommenen Personen; im Hintergrund steht jedoch meist die Frage, ob eine D&O-Versicherung einspringt. Allerdings stellt sich auch die grundsätzliche Frage, ob das Unternehmen durch die Abwälzung der Geldbuße nicht das differenzierte Sanktionensystem des Kartellrechts unterlaufen würde. Das Bundeskartellamt hatte vorab in einem Schriftsatz an das BAG erklärt, es halte eine Überwälzung von Geldbußen auf eine natürliche Person für nicht statthaft.

Vorliegend geht es um eine Schadensersatzklage des Essener Stahlkonzerns Thyssen-Krupp gegen ihren früheren Manager Uwe Sehlbach. Das Bundeskartellamt verhängte gegen Thyssen-Krupp wegen wettbewerbswidriger Kartellabsprachen beim Vertrieb von Schienen und anderen Oberbaumaterialien ("Schienenkartell") Geldbußen iHv. insgesamt 191 Mio. Euro. Mit ihren Klageanträgen zu 1. und 2. begehrt Thyssen-Krupp von ihrem früheren Manager Schadensersatz in Höhe der von ihr gezahlten Geldbußen. Darüber hinaus macht sie ihm gegenüber weitere Schadensersatzansprüche geltend. Nachdem die Vorinstanzen die Klage abgewiesen hatten, war der Revision der Klägerin Erfolg beschieden. Nach Ansicht des BAG hat das LAG entgegen den Vorgaben des § 87 Satz 2 GWB seine Zuständigkeit zur Entscheidung des Rechtsstreits angenommen. Stellten sich in einem Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen kartellrechtliche Vorfragen iSv. § 87 Satz 2 GWB und könne der Rechtsstreit ohne Beantwortung dieser Fragen nicht entschieden werden, seien die Gerichte für Arbeitssachen für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht (mehr) zuständig. Vielmehr seien die bei den ordentlichen Gerichten gebildeten Kartellspruchkörper ausschließlich zuständig. Ob diese Sichtweise zwingend ist, dürfte sicherlich noch für Diskussionen sorgen. Das BAG führt ferner aus, dass das Berufungsgericht durch unzulässiges Teilurteil über die Klageanträge zu 1. und 2. Entschieden habe. Aufgrund der bislang vom LAG getroffenen Feststellungen könne der Senat nicht abschließend beurteilen, ob der Rechtsstreit ohne Beantwortung der kartellrechtlichen Vorfragen entschieden werden kann. All dies führte zur Aufhebung des Teilurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LAG zur neuen Verhandlung und Entscheidung. Somit bleibt auch nach fünf Jahren Streit unklar, ob Sehlbach für die Kartellbußen aufkommen muss. Der Prozessbevollmächtigte des beklagten Manager, Andreas Lotze, ließe sich mit den Worten vernehmen: „Mein Mandat ist sehr enttäuscht darüber, dass es nach fünf Jahren Verfahren und im Vertrauen auf den Rechtsstaat zu keiner finalen Entscheidung gekommen ist.“

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