"Altersgrenze 65" ist "Altersgrenze 65+X"

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 29.12.2015
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtAltersgrenzeBetriebsvereinbarung|7424 Aufrufe

In vielen älteren Verträgen (Arbeits- und Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen) findet sich noch der Satz:

"Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer das 65. Lebensjahr vollendet."

Nun wird die Altersgrenze in der Gesetzlichen Rentenversicherung bekanntlich bereits seit 2012 kontinuierlich angehoben, für Versicherte des Jahrgangs 1951, die 2016 das 65. Lebensjahr vollenden, beträgt sie bereits 65 Jahre und 5 Monate (§ 235 Abs. 2 SGB VI). Das wirft die Frage auf, ob die vertraglich vereinbarte "Altersgrenze 65" dahingehend ausgelegt werden kann, dass an die Stelle des "65. Lebensjahres" das Erreichen der Regelaltersgrenze des jeweiligen Jahrgangs trifft. Angesichts des Umstands, dass die Regelaltersgrenze seit dem Jahre 1916 bei 65 Jahren lag (Gesetz vom 17.6.1916, RGBl. S. 525), erscheint es naheliegend, jedenfalls bei den vor dem Inkrafttreten des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes abgeschlossenen Verträgen von einem derartigen gemeinsamen Willen der Vertragsparteien auszugehen, der im Vertragstext eben nur unvollständig seinen Ausdruck gefunden hat. In diesem Sinne hatte sich das BAG für die Betriebliche Altersversorgung schon 2012 geäußert (BAG, Urt. vom 15.5.2012 - 3 AZR 11/10, NZA-RR 2012, 433). Jetzt hat der Erste Senat für eine Betriebsvereinbarung "Arbeits- und Sozialordnung" im nämlichen Sinne entschieden:

Betriebsvereinbarungen, nach denen das Arbeitsverhältnis mit der Vollendung des 65. Lebensjahres endet, sind nach der Anhebung des Regelrentenalters regelmäßig dahingehend auszulegen, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst mit der Vollendung des für den Bezug einer Regelaltersrente maßgeblichen Lebensalters erfolgen soll.

BAG, Urt. vom 13.10.2015 - 1 AZR 853/13, BeckRS 2015, 73471

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