Mal wieder knackig: AG Reutlingen zu Fahrzeugrennen und Fahrverbot

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 14.09.2014

Das AG Reutlingen ist immer wieder mal gut für knackige Entscheidungen im OWi-Bereich. Hier ein Urteil, in dem es um ein eher kurzes Rennen ging. Interessant zu lesen. Was das in der BKatV vorgesehene Regelfahrverbot angeht, so hält das AG bei einem Einkommen des Betroffenen von (wohl netto) 1600 Euro Kurzübernachtungen für eine gute Möglichkeit, Fahrverbotshärten abzuwenden:

Der Betroffene wird wegen einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit der Teilnahme an einem nicht genehmigten Kraftfahrzeugrennen zu einer
Geldbuße von 400,-- Euro
verurteilt.

Dem Betroffenen wird für die Dauer eines Monats verboten, im öffentlichen Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen. Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Entscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten nach Eintritt der Rechtskraft.

Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens.

Angewendeten Vorschriften:
§§ 29 Abs. 1, 49 StVO, §§ 24, 25 StVG, § 248 BKat.

Gründe:
I.
Der Betroffene, der wenige Tage nach dem Vorfall 22 Jahre alt geworden ist, hat im Verkehrszentralregister keine Eintragungen. Er arbeitet als Kfz-Mechaniker bei einer Markenwerkstatt („ABC“) in Tübingen in Festanstellung. Er hat den Gesellenbrief. Der junge Mann, der keine Unterhaltspflichten oder Schulden hat, lebt in sehr geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen. Er hat ein Einkommen von rund 1.600,-- Euro monatlich. Er wohnt recht zentral in der Gemeinde P, mit guter Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr (NALDO-Verbund).

II.
Am 04.09.2013 war der Betroffene gegen 21.40 Uhr mit seinem Personenkraftwagen der Marke BMW, amtliches Kennzeichen CDEFG, innerorts im Stadtgebiet von Reutlingen unterwegs. In einem zweiten Fahrzeug begleitete ihn sein Bekannter X , ebenfalls knapp 21 Jahre alt, mit einem Personenkraftwagen der Marke BMW, amtliches Kennzeichen ABCDEFG. Die beiden jungen Männer hatten sich verabredet mit ihren beiden Fahrzeugen getrennt eine Imbissstube im Innenstadtbereich von Reutlingen anzufahren. Zuvor hatten sie gemeinsam an ihren Fahrzeugen Bastel- und Wartungsarbeiten vorgenommen.
In der Stadtmitte von Reutlingen gerieten die beiden genannten Fahrzeugführer ins Augenmerk zweier Polizeibeamten. K und B waren dort im Bereich des so genannten „AOK-Knotens“, einer großen Kreuzung, mit einem zivilen Einsatzfahr-zeug der Polizei, Marke „Mercedes“, Typ „E-Klasse“, zum Zwecke der Verkehrsüberwachung unterwegs. Das Fahrzeug ist für den polizeilichen Dienstgebrauch stark motorisiert und verfügt über ein Automatikgetriebe. Die beiden jungen Kraftfahrer B (Betroffener) und X fielen den Beamten durch eine offensiv-rasante Fahrweise auf, welche die beiden aus Pfullingen kommend, in Richtung Karlstraße führte, der Bundesstraße 312/313 folgend, in Fahrtrichtung Stuttgart, schließlich auf die Eberhardstraße.
Nachdem die Fahrer X und B schon den Beginn der Eberhardstraße zügig befah-ren hatten, passierten sie die linksseitige Einmündung der Gutenbergstraße und kamen mit ihren Kraftfahrzeugen nebeneinander an der Haltelinie einer Lichtzeichenanlage (Ampel) zum Stehen, welche die Einmündung des auf der rechten Seite der Fahrbahn gelegenen Zentralen Omnibusbahnhofs gegen den auf der Eberhardstraße in Richtung Stuttgart fließenden Verkehr absichert und (Linien-)Kraftomnibussen das Einfahren ermöglichen soll.
Die Fahrbahn (Eberhardstraße) führt nach der Lichtzeichenanlage in einer leichten Rechtskurve ortsauswärts. In Richtung Stuttgart hat die Eberhardstraße zwei Richtungsfahrstreifen. Auf Höhe der Einmündung der Fahrspuren vom Busbahnhof wird eine Grüninsel zwischen den entgegen gerichteten (vier) Richtungsfahrstreifen (insgesamt) durch eine gegengerichtete Busspur linksseitig unterbrochen. Für den Kraftfahrzeugverkehr sind vorgesehen allein zwei Richtungsfahrstreifen. Auf Höhe der rechtsseitigen Einmündung der Stadtbachstraße bzw. Federnseestraße endet die Busspur durch einen Grünstreifen. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt 50 km/h.
Zur Vorfallszeit konnte der Kraftverkehr aus Richtung Pfullingen, in Richtung Stuttgart, auf der Eberhardstraße lediglich bis ca. 80 Meter nach der Haltelinie beide Richtungs-fahrspuren befahren. Wegen einer Baustelle (Tief- und Fahrbahnbau) verengte sich die Eberhardstraße auf einen Richtungsfahrstreifen. Der rechte Richtungsfahrstreifen war aufgegraben und durch Baustellenabsperrschrankungen (Zeichen 600) gesperrt. Zur Verfügung stand für den Kraftverkehr ab der Einmündung Federseestraße/Stadtbachstraße damit lediglich der linke Fahrtrichtungsstreifen.
Zumindest aus jugendlichem Unverstand heraus beschlossen die beiden jungen Männer, noch direkt an der Haltelinie, in „Pole Position“, vor der in ihrer Fahrtrichtung rot anzeigenden Lichtzeichenanlage stehend, die Motorleistungskraft ihrer beiden Fahrzeuge und ihr fahrerisches Können im Wettstreit zu erproben. Zu diesem Zweck nahmen sie durch die geöffneten Seitenscheiben ihrer Fahrzeuge miteinander durch Rufen und Regen Kontakt auf. Während der Rotphase der Lichtzeichenanlage tauschten sie sich intensiv aus. Auf dem rechten Fahrstreifen stand mit seinem roten Fahrzeug der Betroffene. Auf dem linken Fahrstreifen stand mit seinem blauen Fahrzeug der Fahrer X. Gleichzeitig, auf dem linken Fahrstreifen, unmittelbar hinter dem Fahrer X, stand während der Rotlichtphase das mit den Polizeimeistern K und B besetzte Fahrzeug.
Mit der Freigabe der beiden Fahrtrichtungsstreifen durch das Grünlicht der Lichtzeichenanlage beschleunigten der Betroffene und der Fahrer X ihre Fahrzeuge - absprachegemäß - sehr stark, weswegen die Reifen der Fahrzeuge quietschten. Nach einer Fahrstrecke von ungefähr 50 bis 60 Meter setzte sich der Betroffene mit seinem Fahrzeug gegenüber dem Fahrer X durch, sodass es ihm gelang unmittelbar vor der Baustellenabschrankung und damit dem Ende des rechten Richtungsfahrstreifens, dem zuvor ausgemachten Ziel der beiden jungen Männer, vor dem vom Fahrer X geführten Fahrzeug auf den linken Fahrstreifen zu wechseln, nachdem er durch geschickteres oder stärkeres Beschleunigen dessen Fahrzeug auf der Strecke vor der Fahrbahnverengung hatte überholen können.

Nachdem der Betroffene das zwischen beiden Fahrern vereinbarte Ziel als Erster erreicht hatte, setzten die beiden Kraftfahrer ihre Fahrt bis zu einer Imbissbude in einigen hundert Metern Entfernung mit erhöhter Geschwindigkeit fort, wo sie schließlich die Fahrzeuge abstellten, eingeholt werden konnten und einer (zunächst technischen) Fahrzeugkontrolle durch die Polizeimeister K und B unterzogen wurden.

III.
Der Betroffene räumt den äußeren Hergang weitgehend ein. Er bestreitet freilich, dass es ihm darum gegangen sei, eine Wettfahrt, auf die Fahrbahnverengung hin, mit dem Zeugen X vereinbart und ausgeführt zu haben. Diese Einlassung ist widerlegt. Der Richter hat keinen Zweifel daran, dass der Betroffene ein unerlaubtes Rennen, mit einem „Ampel-Kavaliersstart“ gefahren ist. Dass der Betroffene und der Zeuge X nur zufällig schnell und gleichzeitig oder gar bloß betriebsbedingt beschleunigt haben, schließt der Richter aus.

1.
Die Vorfallsörtlichkeit am Zentralen Omnibusbahnhof, mit der Eberhardstraße und der Einmündung „Federnseeplatz“ bzw. Federnseestraße, ist gerichtsbekannt. Der Richter fährt dort im Sommer, stets entgegen in Richtung Pfullingen/Tübingen, mit dem Fahrrad gelegentlich auf dem Weg von der Dienststelle zum Wohnort. Die zur Vorfallszeit einge-richtete gewesene Baustelle auf der Eberhardstraße an der Einmündung der Federnseestraße ist von den Zeugen, insbesondere aber dem Betroffenen und der Verteidigung detailreich und nachvollziehbar geschildert. Das Ziel des fahrerischen Wettstreits („Fahrbahnverengung“) lag beiden jungen Kraftfahrern damit - von der Haltlinie aus gesehen - deutlich vor Augen. Die Eberhardstraße ist mit Natriumdampflampen beleuchtet. Von der Haltelinie, an welcher die beiden Kraftfahrer standen, war die rechtsseitig eingerichtete Baustelle deutlich zu erkennen, was der Betroffene nicht in Abrede stellt und von dem Zeugen X bestätigt ist.
Aus Sicht eines durchschnittlichen Kraftfahrers jedenfalls war der Vorfallsort für einen „Beschleunigungstest“ (vermeintlich) besonders geeignet und einladend, da Querverkehr, schon wegen der Baustelle, auf mehreren 100m nicht zu erwarten war und die Startausgangsposition gleiche Anfahrbedingungen bot. Der Straßenverlauf und die Haltelinie ermöglichen einen Start der Fahrzeuge auf gleicher Höhe. Zunächst verläuft die Fahrbahn auf ca. 50 bis 80 augenscheinlich parallel und übersichtlich. Mit überraschend auftauchenden Fußgängern ist wegen der Breite der Straße insgesamt nicht zu rechnen. Fußgängerfurten und Überwege liegen in einiger Entfernung. Die bauliche Maßnahme zwischen den (streckenweise mehr als vier) Fahrstreifen macht den Bereich für durchschnittlich vernünftige Fußgänger zumindest unattraktiv. Freilich darf nicht übersehen werden, dass im Bereich der Eberhardstraße, gerade Richtung Fußgängerzone Wihelmstraße und Listplatz, wegen der nahen Innenstadt mit vielen Gaststätten und dem gegenüberliegenden Bahnhofsbereich mit erhöhtem Fußgängeraufkommen zu rechnen ist.
2.
Die Zeugen B und K schilderten den Vorfall eindrucksvoll und glaubhaft. Die Verwunderung der beiden Zeugen über den rasanten Ampelstart des Betroffenen (und seines Bekannten) war ihnen noch anzuhören und anzumerken. Es war einer der ersten Einsätze der Polizeibeamten zur Verkehrsüberwachung. Ein gewisser „Jagdeifer“ war unüberhörbar, was freilich den Bekundungen der Beamten den (gelegentlich „aufgesetzt“ oder „bemüht“ amtlich wirkenden) Ton einer vorbereiteten Erklärung nahm.
Es belegt die lebendige Aussage des Zeugen K, der als Fahrer des Einsatzfahrzeuges sicher auch in seinem eigenen Ehrgeiz mit dem Dienstfahrzeug „dranbleiben zu können“ hörbar betroffen war, wie rasant der Betroffene und der Fahrer X aus dem Stand heraus sehr stark beschleunigten. Es gelang dem Zeugen K nur mit Mühe und „Vollgas“, das Dienstfahrzeug, das stark motorisiert ist, freilich mit einem Automatikgetriebe und Anfahrelektronik bzw. „Anti-Schlupf-Elektronik“ vergersehen, eng nachfolgend zu beschleunigen, weswegen sich sogar ein Abstand zwischen dem Polizeifahrzeug und den beiden BMW aufbaute.
Die sichtlich angeregt geführte verbale Interaktion zwischen dem Betroffenen und dem Zeugen X an der Haltelinie, zwischen den beiden stehenden Fahrzeugen hin- und her, wurde von den Polizeibeamten, die bereits eine gehörige Fahrstrecke vor dem eigentlichen Vorfallsort, ab dem so genannten „AOK“-Knoten, auf die beiden rasant fahrenden Fahrzeuge der Marke BMW aufmerksam geworden waren, nicht nur zufällig, sondern bereits besonders aufmerksam und aus nächster Nähe unbemerkt beobachtet. Die gehörten Polizeibeamten konnten sich überdies deutlich an das Quietschen der Reifen beim Beschleunigen der vor ihnen startenden Fahrzeuge erinnern. Auch decken sich die Beobachtungen der Polizeibeamten, aus guter Position hinter den beiden BMW Kraftwagen, mit der Angaben des Vorfalls durch den Betroffenen und den Zeugen X, die freimütig mitteilen, miteinander gesprochen zu haben. Wenn die Polizeibeamten etwas nicht mehr wussten, dann sagten sie dies aus. Ob die Reifen qualmten, war ihnen auf Nachfrage nicht erinnerlich.
Die Polizeibeamten hatten die unmittelbar vorausfahrenden Fahrzeug während des Vorfalls, ab dem Start an der Haltelinie, die ganze Zeit im Blick, in einer Entfernung von weniger als 100 m. Der Abstand vergrößerte sich zwar, doch fuhren die beiden verfolgten Fahrzeuge erst nach dem Passieren der Engestelle durch das Polizeifahrzeug in größerer Entfernung.
Die nachfolgenden Polizeibeamten haben nicht nur den „Ampelstart“, sondern auch den Überholvorgang bis zum „Ziel“ beobachtet. Andere Kraftfahrer oder bauliche Einrichtungen haben die Sicht auf die Vorgänge aus dem Polizeifahrzeug auf die beiden jungen Kraftfahrer nicht beeinträchtigt. Eine Verwechslung mit anderen Kraftfahrern oder Kraft-fahrzeugen ist ausgeschlossen, da sich weitere Kraftfahrzeuge zwischen dem Betroffenen, dem Zeugen X und der Fahrbahnverengung auf einer Strecke von rund 100 Metern nicht befanden.
3.
Der Betroffene und der Zeuge X haben sich zweifelsfrei verabredet und den Wettstreit ausgemacht. Die Einlassung, man habe sich über „Werte“ im Fehlerspeicher eines der Fahrzeuge unterhalten, ist nicht glaubhaft. Wie der Fehlerspeicher des einen Fahrzeugs bei laufendem Betrieb ausgelesen worden sein soll, erschließt sich dem Richter technisch nicht und konnte vom Betroffenen, immerhin Kfz-Mechaniker, nicht erklärt werden. Gegen die Einlassung sprechen zudem die Fahrweise vor dem eigentlichen Vorfall, die in der Hauptverhandlung bemerkbare jugendtümliche und berufliche Begeisterung des Betroffenen für schnelle Kraftfahrzeuge und die Beobachtungen der Polizeibeamten, die einen emotionslosen Austausch zwischen dem Betroffenen und dem Zeugen X über technische Fragen unwahrscheinlich erscheinen lassen.

IV.
Der Betroffene hat sich schuldig gemacht der Teilnahme an einem verbotenen Rennen mit Kraftfahrzeugen. Solche Wettbewerbe, bei dem zwischen mindestens zwei Teilnehmern ein Sieger durch die Erzielung einer möglichst hohen Geschwindigkeit ermittelt wird, sind auf verschiedene Weise denkbar.
Auf die absolute Länge der Prüfungs- oder Rennstrecke kommt es nicht an. Gerade bei so genannten „Ampelstartrennen“ entscheidet sich der Wettbewerb auf wenigen Metern nach dem „Kopf-an-Kopf“ Start der Fahrzeuge, sei es wegen unterschiedlicher Motorisierung der Fahrzeuge oder einer (vermeintlich) besseren Beherrschung des Fahrzeugs. Vorliegend waren „Start“ (Haltelinie) und „Ziel“ (Fahrbahnverengung) zwischen beiden Kraftfahrern ausdrücklich, wenigstens aber schlüssig, vereinbart und letztlich sogar tat-sächlich vorbestimmt.
Der Vorfall trägt auch keine atypischen Züge, die eine andere rechtliche Bewertung verlangen. Wegen des schnellen Zufahrens auf eine Fahrbahnverengung ist die abstrakte Gefährlichkeit, welche die Vorschrift der Straßenverkehrsordnung in § 29 vorsieht gegeben.

V.
1.
Die Regelgeldbuße von 400,-- Euro ist angemessen und entspricht dem Grad des vorsätzlichen Handelns des Betroffenen.
Der Richter hat dabei bedacht, dass gemäß § 17 OWiG Grundlage für die Zumessung der Geldbuße die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit ist, der Vorwurf, der den Täter trifft, gegebenenfalls dessen wirtschaftliche Verhältnisse, wobei letztere hier wegen der guten Einkommensverhältnisse des Betroffenen unberücksichtigt bleiben.
Auch gesehen wird, dass der für Gerichte verbindliche Bußgeldkatalog für einen Verkehrsverstoß der vorliegenden Art bei gewöhnlichen Tatumständen ein Regelbußgeld von 400,-- Euro sowie einen Monat Fahrverbot vorsieht.

Hiervon abzuweichen besteht kein Anlass. Objektive oder Subjektive Milderungsgründe, die es rechtfertigen, den für den Regelfall vorgesehen Betrag zu unterschreiten, sind nicht gegeben.
Insbesondere kann wegen des rasanten und objektiv gefährlichen Zufahrens auf eine Fahrbahnverengung mit überhöhter Geschwindigkeit auf einer zentralen Verkehrsachse in einer belebten großstädtischen Innenstadt nicht von einer geminderten Gefährlichkeit des Vorfalls oder einer Atypizität ausgegangen werden.

2.
Daneben hält der Richter neben dem Bußgeld die Anordnung eines Fahrverbots für die Dauer von einem Monat zur Einwirkung auf den Betroffenen für geboten. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG kann einem Betroffenen wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG, die er unter grober Verletzung seiner Pflichten als Kraftfahrzeugführer begangen hat und wegen derer eine Geldbuße festgesetzt worden ist, für die Dauer von ein bis zu drei Monaten verboten werden, Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art im Straßenverkehr zu führen.
a. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BKatV liegt eine grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers in der Regel vor, wenn ein Tatbestand der Nr. 248 verwirklicht ist, d. h. der Betroffene als Fahrzeugführer an einem (nicht genehmigten) Kraftfahrzeugrennen im Sinne des § 29 Abs. 1 StVO teilgenommen hat. Die Erfüllung dieses Tatbestandes indiziert das Vorliegen eines groben Verstoßes im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG, der zugleich ein derart hohes Maß an Verantwortungslosigkeit im Straßenverkehr offenbart, dass es regelmäßig der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbotes bedarf. Wenn es angeordnet wird, ist in der Regel die im Bußgeldkatalog (hier: ein Monat) bestimmte Dauer festzusetzen.

b. Von der Verhängung eines Fahrverbotes kann im Einzelfall nur abgesehen werden, wenn entweder Tatumstände äußerer oder innerer Art oder eine erhebliche Härte die Ausnahme von Anordnung eines Fahrverbots rechtfertigen. Dieser Möglichkeit des Abweichens von der Rechtsfolge ist sich der Richter bewusst. Ein derartiger Ausnahmefall ist hier nicht gegeben. Besondere Umstände, die geeignet erscheinen, die indizielle Annahme einer groben Pflichtverletzung auszugleichen, sind nicht vorhanden.

Nicht metergenau rekonstruiert werden konnte, wie nahe der Betroffene auf die Baustellenabschrankung auffuhr und wie nahe sich beide Fahrzeuge im Moment des Einscherens unmittelbar vor der Fahrbahnverengung kamen. Freilich liegt der Verstoß - objektiv besehen - nahe bei einer Straßenverkehrsgefährdung nach § 315 c Abs. I Nr. 2 lit. b StGB. Eine konkrete Gefährdung ist jedoch, unter Berücksichtigung des Zweifelsatzes zugunsten des Betroffenen, nicht festgestellt.
Es mögen die beiden jungen Männer sich jugendtümlich ungestüm verhalten haben. Es bleibt gleichwohl ein subjektiv besonders verantwortungsloses Verhalten des Betroffenen. Im Straßenverkehr ist kein Raum für übermütigen Leichtsinn, gleich woher der her-rührt. Der Betroffene hat sich - mit dem Zeugen Ott - um seiner „Freude am Fahren und der Geschwindigkeit“ über die Sicherheitsbelange der Allgemeinheit in einer besonders verkehrsgefährdenden Weise hinweggesetzt. Da der Betroffene vorsätzlich gehandelt hat, ist der Verkehrsverstoß in besonderem Maße gewichtig.

c.
Das verhängte Fahrverbot entspricht auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und eben der Geldbuße der Schuld des Betroffenen. Insbesondere führt das zu keiner unan-gemessenen harten Sanktion der Tat.
Nicht verkannt hat der Richter, dass der Betroffene als Kfz-Mechaniker arbeitet, dies freilich bei einem gerichtsbekannten „Großbetrieb“. Erprobungs- und Überführungsfahrten im öffentlichen Verkehrsraum muss der Betroffene nicht machen. Er macht dies nicht geltend. Aus privaten Gründen ist er nicht auf sein Kraftfahrzeug angewiesen. Eine erhebliche Härte ist nicht ersichtlich. Der Betroffene kann, was allgemein bekannt ist, seine Arbeitsstelle, von Pfullingen nach Tübingen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln im NALDO-Verbund unproblematisch und kostengünstig erreichen.
Dass durch das Fahrverbot der Arbeitsplatz des Betroffenen gefährdet oder ernsthaft bedroht ist, schließt der Richter aus. Zudem wird - wenn das Fahrverbot wie hier bis zu vier Monate hinausgeschoben werden kann - es dem Betroffenen ermöglicht, den Beginn des Fahrverbots auf einen für ihn genehmen Zeitpunkt zu legen, notfalls im Benehmen mit dem Anstellungsbetrieb. Das Fahrverbot erstreckt sich lediglich auf einen Monat. Während der Dauer des Fahrverbot ist es dem Betroffen somit möglich und zumutbar, notfalls seinen Jahresurlaub zu nehmen, sofern er nicht die Hilfe von Freunden oder Bekannten in Anspruch nehmen kann. Zwar ist die Anmietung eines Zimmers in der Universitätsstadt Tübingen am Beschäftigungsort kostenintensiv. Eine vorrübergehende Unterkunft in der dortigen Jugendherberge oder auf einem Campingplatz erscheinen nicht unzumutbar. Studenten oder auswärtige Handwerker nehmen diese Möglichkeit in Tübingen durchaus in Anspruch. Die Universitätsstadt Tübingen zeichnet sich in besonderem Maße durch ein Angebot an, wenn auch teureren, Kurzzeitunterkünften aus. Der Betroffene hat den Bußgeldbescheid im November erhalten und konnte ein Fahrverbot berücksichtigen und „einplanen“.

AG Reutlingen, Urteil v.2.4.2014 - 5 OWi 43 Js 4327/14

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