Flexibel über die Altersgrenze hinaus

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 27.05.2014

Das aktuelle Gesetzgebungsverfahren in Sachen Rente hat noch für eine unerwartete Wendung gesorgt. Die Große Koalition nimmt sich nunmehr auch der Arbeit über die Regelaltersgrenze hinaus an. Die Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit über die Altersgrenze von derzeit 65 Jahren und drei Monaten hinaus wird allgemein und zu Recht als förderungswürdig eingestuft. Allerdings sieht das geltende Teilzeit- und Befristungsgesetz hier keine erleichterte Befristungsmöglichkeit vor. In einem Entschließungsantrag (BT-Drucksache 18/1507) der Regierungsparteien (Fraktionen der CDU/CSU und SPD) heißt es nun:

„II. Attraktives Weiterarbeiten nach Erreichen der Regelaltersgrenze

Das Arbeiten nach Erreichen der Regelaltersgrenze kann ein Gewinn für die einzelnen Beschäftigten als auch für den Arbeitgeber sein. Deshalb ist auch hier zu prüfen, inwieweit die bestehenden Regelungen flexibilisiert oder sonst geändert werden müssen.“

Im Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages über das „Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz)“ (BT-Drucksache 209/14) vom 23. Mai 2014 ist nunmehr u.a. folgende gesetzliche Klarstellung vorgesehen:

„Sieht eine Vereinbarung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vor, können die Arbeitsvertragsparteien durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt, gegebenenfalls auch mehrfach, hinausschieben.“

hierzu auch die Begründung in der Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (BT-Drucks 18/1489, S. 24 f.):

„Das Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung selbst führt nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Arbeitnehmer können auch im Rentenalter berufstätig sein. Jedoch führt die in Deutschland bestehende Praxis kollektiv- oder individualvertraglich vereinbarter Altersgrenzen, die ein Ausscheiden mit Erreichen der Regelaltersgrenze vorsehen, zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

In der Praxis gibt es Wünsche von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, auch nach Erreichen der Regelalters grenze und darauf bezogener Beendigungsvereinbarungen einvernehmlich das Arbeitsverhältnis für einen von vornherein bestimmten Zeitraum rechtssicher fortsetzen zu können. Dieses Anliegen greift die Ergänzung des § 41 auf, indem ein bereits vereinbarter Beendigungszeitpunkt - gegebenenfalls auch mehrfach - zeitlich hinausgeschoben werden kann.

Die Regelung knüpft widerspruchsfrei an die Praxis der Beendigungsvereinbarungen an (zur Unionsrechtskonformität tarifvertraglicher Beendigungsvereinbarungen: EuGH, Urteil vom 12.10.2010, C 45/09, Rs. Rosenbladt). Die Neuregelung lässt diese Praxis unberührt. Auch künftig kann die automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen der Regelaltersgrenze vereinbart werden. Dabei können die Sozialpartner auf die spezifischen Belange in einzelnen Branchen Rücksicht nehmen.

Der neue Satz 3 regelt allein das Hinausschieben des bereits vereinbarten Beendigungszeitpunktes über das Erreichen der Regelaltersgrenze hinaus. Erforderlich ist hierfür eine vertragliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer während des laufenden Arbeitsverhältnisses. Mit dem Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes über das Erreichen der Regelaltersgrenze hinaus können Arbeitnehmer und Arbeitgeber beispielsweise reagieren, wenn eine Nachbesetzung der entsprechenden Stelle nicht nahtlos erfolgen kann. Auch können Arbeitnehmer laufende Projekte mit ihrer Sachkunde erfolgreich zum Abschluss bringen oder neu eingestellte, jüngere Kollegen in ihre Tätigkeit einarbeiten.

Die sonstigen im jeweiligen Arbeitsverhältnis geltenden Arbeitsbedingungen bleiben von der Neuregelung unberührt.“

Damit werden die ansonsten geltenden gesetzlichen Hürden für eine Befristung von Arbeitsverträgen weitgehend außer Kraft gesetzt. Im Schrifttum ist dieser Schritt zuletzt mehrfach angemahnt worden (Bauer/Gottschalk, Beschäftigung von Altersrentnern, BB 2013, 501; Bauer/von Medem: Altersgrenzen zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen – Was geht, was geht nicht?, NZA 2012, 945; Stoffels, Befristung und Kündigungsschutz jenseits der Altersgrenze, in: Arbeiten im Alter, ZAAR-Schriftenreihe Bd. 31, hrsg. von Rieble/Junker/Giesen, 2013, S. 53 ff.). Die Vereinbarkeit mit europarechtlichen Vorgaben (Stichwort Altersdiskriminierung) sollte im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des EuGH (zuletzt die Hörnfeldt-Entscheidung NZA 2012, 785) nicht zweifelhaft sein. Allerdings betrifft die jetzt in Aussicht genommene Gesetzesänderung nur das „Weiterarbeiten“ beim bisherigen Arbeitgeber. M.E. sollte auch darüber nachgedacht werden, die Begründung eines befristeten Arbeitsverhältnisses mit einem neuen Arbeitgeber nach Erreichen der Regelaltersgrenze zu erleichtern. Ferner sollte auch der Fall bedacht werden, dass der sich im Ruhestand befindliche Arbeitnehmer erst später wieder von seinem alten Arbeitgeber zurückgeholt wird. Offenbar sind weitere Schritte in diese Richtung in der laufenden Legislaturperiode nicht ausgeschlossen. Jedenfalls soll eine Gruppe aus zehn Fachpolitikern bis zum Herbst weitere ergänzende Gesetzgebungsvorschläge unterbreiten. Daneben soll die Arbeitsgruppe darüber diskutieren, inwieweit für Rentner, die wieder in den Beruf einsteigen, Sozialabgaben erhoben werden sollen. 

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