Das Strafmaß im Prozess gegen Uli Hoeness

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 13.03.2014

Was unter höchstem Medieninteresse einschließlich Spiegel-Online Live-Ticker (fast) aus dem Münchener Gerichtssaal heute stattfindet, ist auch deshalb so spannend, weil sonst ja regelmäßig Absprachen das Strafmaß im Wirtschafts- und Steuerstrafrecht bestimmen. Natürlich wissen wir nicht, ob nicht auch im Fall Hoeneß das Strafmaß längst abgesprochen wurde (vgl. dazu Heribert Prantl), aber zumindest momentan herrscht der Eindruck vor, als sei dies nicht der Fall. Die Staatsanwaltschaft fordert 5 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe, angesichts der Höhe des eingeräumten Steuerhinterziehungsbetrags sicherlich nicht unangemessen; die Möglichkeiten der Ausgestaltung des Vollzugs und der Vollstreckung (§ 57 Abs.2 StGB) können selbst diese Strafe erträglich(er) erscheinen lassen.

Die Verteidigung hält die Selbstanzeige für wirksam, zumindest für schuld- und strafrelevant, so dass für eine Verfahrenseinstellung bzw. eine zur Bewährung auszusetzende Freiheitsstrafe plädiert wurde. Richtig ist wohl, dass ohne diese Selbstanzeige ein Nachweis der Steuerhinterziehung (zum jetzigen Zeitpunkt) nicht möglich gewesen wäre. Und dass bei Spekulationsgeschäften dieser Art die in § 371 AO geregelte Selbstanzeige kaum zeitnah (formal vollständig) erstellt werden kann.

Die Frage, welche Rolle die Selbstanzeige spielt, ist daher zur entscheidenden geworden. Die erst während des Hoeneß-Verfahrens (und teilweise dadurch ausgelöste) rechtspolitische Diskussion über die Selbstanzeige darf hier naturgemäß keine Rolle spielen. Dass die Selbstanzeige nicht vollständig die Anforderungen des § 371 AO erfüllt, lässt sich aus den bekannt gewordenen Fakten aus der Hauptverhandlung schließen. Ich schätze aber, dass das Gericht dennoch einen strafmildernden Effekt der Selbstanzeige bejaht und damit die von der Staatsanwaltschaft geforderte Freiheitsstrafe erheblich unterschritten wird.

Aktuelle Meldung: 3 Jahre und 6 Monate Freiheitsstrafe

Zur Rolle der (formal unvollständigen) Selbstanzeige wird - im Falle der Revision - sicherlich auch noch der BGH Stellung nehmen.

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Dazu noch aus BGH, Urteil vom 2. 12. 2008 - 1 StR 416/08 (LG Landshut):

...

e) Liegt nach diesen Maßstäben eine Hinterziehung von "großem Ausmaß" vor, so hat dies - ... - "Indizwirkung", freilich auch nicht mehr, für die zu findende Strafhöhe. Das bedeutet: 

Jedenfalls bei einem sechsstelligen Hinterziehungsbetrag wird die Verhängung einer Geldstrafe nur bei Vorliegen von gewichtigen Milderungsgründen noch schuldangemessen sein. Bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe kommt eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht (vgl. BGH, NStZ-RR 2007, 176 [178]). 

f) Die "Indizwirkung" des "großen Ausmaßes" kann einerseits durch sonstige Milderungsgründe beseitigt, andererseits aber auch durch Strafschärfungsgründe verstärkt werden.

aa) Ein die Indizwirkung des Hinterziehungsbetrags beseitigender Milderungsgrund ist etwa gegeben, wenn sich der Täter im Tatzeitraum im Wesentlichen steuerehrlich verhalten hat und die Tat nur einen verhältnismäßig geringen Teil seiner steuerlich relevanten Betätigungen betrifft. Bedeutsam ist daher das Verhältnis der verkürzten zu den gezahlten Steuern. Hat sich der Täter vor der Tat über einen längeren Zeitraum steuerehrlich verhalten, ist auch dies in den Blick zu nehmen. In die vorzunehmende Gesamtwürdigung ist auch die Lebensleistung und das Verhalten des Täters nach Aufdeckung der Tat einzubeziehen, etwa ein (frühzeitiges) Geständnis, verbunden mit der Nachzahlung verkürzter Steuern oder jedenfalls dem ernsthaften Bemühen hierzu. Der "Schadenswiedergutmachung" durch Nachzahlung verkürzter Steuern kommt schon im Hinblick auf die Wertung des Gesetzgebers im Fall einer Selbstanzeige (§ 371 AO) besondere strafmildernde Bedeutung zu. 

bb) Gegen eine Geldstrafe oder - bei entsprechend hohem Hinterziehungsbetrag - eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe spricht es insbesondere, wenn der Täter Aktivitäten entfaltet hat, die von vornherein auf die Schädigung des Steueraufkommens in großem Umfang ausgelegt waren, etwa weil der Täter unter Vorspiegelung erfundener Sachverhalte das "Finanzamt als Bank" betrachtete und in erheblichem Umfang ungerechtfertigte Vorsteuererstattungen erlangt hat oder weil der Täter die Steuerhinterziehung in sonstiger Weise gewerbsmäßig oder gar "als Gewerbe" betrieb. Gleiches gilt auch für den Aufbau eines aufwändigen Täuschungssystems, die systematische Verschleierung von Sachverhalten und die Erstellung oder Verwendung unrichtiger oder verfälschter Belege zu Täuschungszwecken. 

...

 

Es freut mich, darin folgenden - wie ich finde - wichtigen Gedanken zu finden, den ich bisher nirgendwo gefunden und auch im Zusammenhang mit der Diskussion zum Hoeneß-Prozess nicht gehört habe:

Bedeutsam ist daher das Verhältnis der verkürzten zu den gezahlten Steuern.

 

Zum Strafmaß kann man nun die Erwägungen im schriftlichen Urteil lesen:

Urteil

Kurzer Ausschnitt aus der zentralen Passage:

"Dabei ist die Kammer in erheblichem Maße von den durch den BGH in seinem Urteil vom 02.12.2008 entwickelten Grundsätzen zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung abgewichen, weil dies angesichts der außerordentlichen Umstände des Einzefalles geboten war. Der Angeklagte hat sich mit seiner – überstürzten – Selbstanzeige selbst steuerstrafrechtlichen Ermittlungen ausgeliefert. Mangels einer Rechtshilfe in Fällen „einfacher“ Hinterziehung direkter Steuern durch die Schweizerische Konföderation wären Ermittlungen aber voraussichtlich nicht mit einem vergleichbaren Er-
folg geführt worden, wenn sich der Angeklagte durch seine – insbesondere zuletzt – rückhaltlose Kooperation nicht geradezu „ans Messer geliefert“ hätte."
 

"in erheblichem Maße von den BGH-Grundsätzen zur Strafzumessung abgewichen", das war damals auch mein erster Gedanke

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Interessante Vorgeschichte in der FAZ, wie das Gericht lange gemauert hat und nun es plötzlich sehr eilig mit der Veröffentlichung hatte.

Der Eindruck einer transparenten Justiz entsteht so nicht.

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