400 Euro Geldbuße und nichts zu den wirtschaftlichen Verhältnissen geschrieben?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 18.08.2013
Rechtsgebiete: GeldbußeStrafrechtVerkehrsrecht|6762 Aufrufe

Das reichte im Falle des OLG Hamm, Beschl. v. 13.6.13 - 1 RBs 72/13. Bekanntlich geht die Rechtsprechungd er OLGe im Großen und Ganzen davon aus, dass bei mehr als 250 Euro Geldbuße der Bußgeldrichter etwas zu den wirtschaftlichen Verhältnissen darstellen muss. Die Rechtsprechung ist an der Stelle aber sehr uneinheitlich: 

Auch der Rechtsfolgenausspruch hält – mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe - rechtlicher Überprüfung stand.

a) Nach herrschender obergerichtlicher Rechtsprechung sind die Sanktionszumessungserwägungen materiell-rechtlich unvollständig, wenn das Urteil bei einer nicht nur geringfügigen Ordnungswidrigkeit keine Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen trifft. Die Grenze der Geringfügigkeit wird bei 250 Euro angesetzt (KG Berlin, Beschl. v. 17.02.2012 - 3 Ws (B) 52/12 – juris; OLG Bremen NZV 2010, 42; OLG Celle NJW 2008, 3079; OLG Köln ZfSch 2006, 116; OLG Schleswig NZV 2011, 410; vgl. auch OLG Hamm ZfSch 2012, 171; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.10.2006 – 1 Ss 82/06 – juris; OLG Naumburg ZfSch 2005, 415). Ob dieser Rechtsprechung zuzustimmen ist, kann der Senat dahinstehen lassen. Bereits das OLG Naumburg (a.a.O. sowie Beschluss vom 10.11.2004 – 1 Ss 264/04) hatte sie dahin modifiziert, dass es dann, wenn lediglich eine Regelgeldbuße nach dem Bußgeldkatalog von bis zu 500,00 € verhängt wird und keine Anhaltspunkte für außergewöhnlich gute oder außergewöhnlich schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen vorhanden sind, keiner weiteren Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen bedarf. Dies hält der Senat – ohne dass es hier darauf ankäme - für sinnvoll, da nach § 17 Abs. 3 S. 2 OWiG den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen nur untergeordnete Bedeutung zukommt und auch das Regelsatzsystem letztlich diesen keine Bedeutung beimisst.

Entscheidend ist, dass die oben genannte Rechtsprechung jedenfalls für solche Fälle zu konkretisieren ist, in denen der Betroffene, gegen den eine Regelgeldbuße verhängt wird, keine Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen macht. In einem solchen Fall sind bei Sanktionen, die sich von ihrer Schwere im Bereich der auch vorliegend verhängten Rechtsfolge halten, weitere Aufklärung und Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen nicht geboten. Das Fehlen entsprechender Feststellungen und eine fehlende Auseinandersetzung mit den wirtschaftlichen Verhältnissen begründet in diesen Fällen keinen materiell-rechtlichen Mangel des Urteils.

Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

Macht der Betroffene keine Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen, so kann das Gericht diese nicht erzwingen. Lediglich hinsichtlich der Angabe des Berufes bestünde das Druckmittel einer weiteren Sanktionierung wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 111 OWiG. Letztendlich würde die bloße Angabe des Berufes regelmäßig aber auch keine ausreichenden Erkenntnisse über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen erbringen. Ein Beruf steht noch nicht für ein bestimmtes Gehalt. So mag der eine in seinem Beruf „viel“ der andere „wenig“ verdienen. Außerdem würde die Angabe eines Berufes noch nicht einmal bedeuten, dass der Betroffene nicht etwa arbeitslos ist, denn bei Arbeitslosigkeit wäre der zuletzt ausgeübte Beruf anzugeben (vgl. Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 111 Rdn. 14). § 111 OWiG dient eben der Sicherung der Identität einer Person, nicht aber der Aufklärung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse. Das Gericht hätte dann nur die Möglichkeit, zu anderen Aufklärungsmitteln zu greifen. So könnte es z.B. Zeugen aus dem familiären oder nachbarschaftlichen Umfeld zur Berufstätigkeit vernehmen, um so den Arbeit-geber zu ermitteln und diesen sodann zeugenschaftlich zum Einkommen des Betroffenen zu vernehmen. Es könnte auch die Wohnung des Betroffenen durch-suchen lassen, um etwaige Gehaltsabrechnungen etc. aufzufinden. All dies wird man aber im Regelfall bei Sanktionshöhen wie der vorliegenden als nicht mehr ange-messen und damit als unverhältnismäßig erachten müssen, weil einem vergleichs-weise geringen staatlichen Anspruch auf Ahndung der Ordnungswidrigkeit stark stigmatisierende oder Eingriffe in hochwertige Grundrechte gegenüberstünden. Das Gericht hat also im Regelfall – außerhalb der Angaben des Betroffenen – keine Möglichkeit, die wirtschaftlichen Verhältnisse zu ermitteln. Hinzu kommt, dass auch bei Kenntnis des noch vergleichsweise leicht zu ermittelnden Einkommens des Betroffenen offen bleibt, welche Verbindlichkeiten er hat etc. Auf der anderen Seite ist es aber für den Betroffenen leicht, durch entsprechende Angaben auf eine etwaige Herabsetzung der Geldbuße hinzuwirken (vgl. OLG Düsseldorf NJW 1999, 2686, 2687).

Auch die gesetzgeberische Konzeption eines Regelsatzsystems, wie es die BKatV vorsieht, spricht für die hier gefundene Lösung. Ein Regelfall i.S.d. BKatV setzt voraus, dass die Tatausführung allgemein üblicher Begehungsweise entspricht und weder objektiv noch subjektiv oder in der Person des Betroffenen liegende Besonderheiten aufweist (Hentschel/König/Dauer-König, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 23 StVG Rdn. 64). Soll von dem gesetzgeberisch vorgesehenen Regelsatz abgewichen werden, bedarf es konkreter Anhaltspunkte, dass auch kein Regelfall vorliegt. Nur, wenn diese dem Gericht zur Kenntnis gelangen (wobei das Gericht im Rahmen seiner Aufklärungspflicht danach zu fragen haben wird), hat es Grund, über eine Abweichung vom Regelfall nachzudenken. Ansonsten muss und darf es – in Ermangelung anderer Ermittlungsmöglichkeiten – von einem Regelfall ausgehen.

Diese Lösung führt nicht dazu, dass dem Betroffenen ein Schweigen in prozessordnungswidriger Weise zum Nachteil gereicht, da dieses lediglich zur Fortgeltung der gesetzlichen Regelvermutung zumindest noch durchschnittlicher wirtschaftlicher Verhältnisse führt, welche eine Abweichung vom Regelsatz nicht gebieten.

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