Rechtsfehler? Geldbußenerhöhung wegen Voreintragungen ohne diese zu benennen & Messung durch Nachfahren & kein Verdienst

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 18.03.2013
Rechtsgebiete: OLG HammStrafrechtVerkehrsrecht|8546 Aufrufe

Mit drei Klassikern musste sich das OLG Hamm vor kurzer Zeit beschäftigen. Das AG hatte wegen Geschwindigkeitsverstoßes verurteilt. Die Geschwindigkeit war durch einfaches Nachfahren festgestellt worden. Insoweit hat das OLG das Urteil "gehalten". Das AG hatte aber eine Voreintragung schärfend gewertet, die es im Urteil nicht dargestellt hat, was leider mal passieren kann. Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen hatte das Gericht nur festgestellt, der Betroffene verdiene nichts:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen mit dem angefochtenen Urteil wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 168 Euro verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat – unter Gewäh­rung der sog. „Viermonatsfrist“ – verhängt.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am 11.07.2012 mit seinem PKW die B 236n in Fahrtrichtung T. Dort ist die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h begrenzt. Die beiden Zeugen (Polizeibeamte) fuhren auf einer Strecke von mindestens 1.300m mit ihrem Funkstreifenwagen, der über einen ungeeichten Tacho verfügt, hinterher. Die Entfernung zwischen den beiden Fahrzeugen betrug mindestens 100m und vergrößerte sich auf dieser Distanz. Die Zeugen lasen auf ihrem Tacho eine Geschwindigkeit von 160 km/h ab. Unter Berücksichtigung eines Toleranzabzuges von 20% hat das Amtsgericht dem Betroffenen eine vorwerfbare Geschwindigkeit von 128 km/h zur Last gelegt.

Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und die Sache insoweit an das Amtsgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat teilweise Erfolg und führt in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Aufhebung und Zurückverweisung (§§ 79 Abs. 3, 5 OWiG, 349, 354 StPO). Im Übrigen ist sie unbegründet.

1.

Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils unterliegt der Aufhebung.

Das Amtsgericht hat die Erhöhung der Regelgeldbuße (insoweit ist es irrtümlich von einer Regelgeldbuße von 150 Euro und nicht – wie in Nr. 11.3.7. BKatV in der bis zum 31.10.2012 gültigen Fassung bzw. TB-Nr. 14724 des bundeseinheitlichen Tat­bestandskataloges vorgesehen - von 160 Euro ausgegangen) mit nicht näher bezeichneten Voreintragungen des Betroffenen und damit begründet, dass die wirtschaftliche Situation des Betroffenen „durchschnittlich“ sei. Hinsichtlich der Voreintragungen sind die Feststellung lückenhaft, denn sie erlauben keine Überprüfung des Rechtsbeschwerdegerichts auf die Rechtsfehlerfreiheit ihrer Berücksichtigung (z.B., ob nicht etwa tilgungsreife Eintragungen zu Lasten des Betroffenen verwendet wurden). Hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse sind die Feststellungen widersprüchlich, denn an anderer Stelle heißt es im angefochtenen Urteil, dass der Betroffene „zum jetzigen Zeitpunkt nichts“ verdiene.

Der Senat kann letztlich – auch wenn die Erhöhung der Regelgeldbuße nur 8 Euro beträgt – nicht ausschließen (auch wenn dies nicht gerade nahe liegt), dass auch diese Erhöhung bei vollständigen bzw. widerspruchsfreien Feststellungen unterblieben wäre, so dass das Urteil im Rechtsfolgenausspruch auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruht. Wegen der Wechselwirkung zwischen Fahrverbot und Geldbuße betrifft die Aufhebung den gesamten Rechtsfolgenausspruch. Eine eigene Sachentscheidung nach §§ 79 Abs. 3 OWiG, 354 Abs. 1a StPO war angesichts der unzureichenden Feststellungen ebenfalls kein Raum.

2.

Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde unbegründet. Das angefochtene Urteil weist im Übrigen keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf.

Nach der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung kann ein Geschwindigkeitsverstoß durch Hinterherfahren auch mittels eines ungeeichten Tachos festgestellt werden, wenn bei guten Sichtverhältnissen der Abstand zwischen vorausfahrendem Fahrzeug und Messfahrzeug nicht mehr als der angezeigte Tachowert beträgt, der Abstand ungefähr gleichbleibend ist und die Nachfahrstrecke mindestens den fünffachen Abstand beträgt. Es ist dann ein Sicherheitsabschlag von 20% des abgelesenen Wertes ausreichend, um alle denkbaren Fehlerquellen und Ungenauigkeiten auszuschließen (ThürOLG, Beschl. v. 26.05.2009 – 1 Ss 124/09 m.w.N.). Diese Anforderungen wurden hier eingehalten. Soweit z.T. ein Messabstand von nicht mehr als 100 m gefordert wird (vgl. Krumm NZV 2004, 377, 378) kann der Senat dahinstehen lassen, ob dem gefolgt werden kann. Dass sich vorliegend bei einem Mindestabstand von 100 m dieser in der Folge vergrößerte, zeigt nur, dass der abgelesene Tachowert eher eine zu niedrige als die tatsächlich vom Betroffenen gefahrene Geschwindigkeit wiedergibt. Er ist also insoweit nicht beschwert.

Die Ausführungen, mit denen der Betroffene meint, darlegen zu können, dass die Beweiswürdigung des Gerichts unzutreffend ist, stellen lediglich der gerichtlichen eine eigene Beweiswürdigung gegenüber. Rechtsfehler zeigen sie nicht auf. Von Polizeibeamten, von deren hinreichendem geschultem Blick auszugehen ist, kann erwartet werden, dass sie eine Entfernung in etwa zutreffend einschätzen können. Hier haben die Zeugen zudem anhand von Beschilderungen nachträglich ihre Entfernungseinschätzung verifizieren und dem Gericht gegenüber darlegen können.

Oberlandesgericht Hamm, Beschl. v. 7.2.2013 -  III - 1 RBs 5/13

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