BAG: Einzelvertragliche Bezugnahme auf Verbandstarifvertrag bei späterem Haustarifvertrag

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 28.02.2012

Das BAG hatte in der vergangenen Woche erneut Gelegenheit, die Bedeutung des tarifvertragsrechtlichen Günstigkeitsprinzips (§ 4 Abs. 3 TVG) zu betonen (BAG, Urt. vom 22.02.2012 - 4 AZR 24/10):

Arbeitsverträge nehmen auf AVR Caritas Bezug

Die Klägerinnen und Kläger sind langjährig in einem Krankenhaus im nichtärztlichen Dienst beschäftigt und Mitglieder der Gewerkschaft ver.di. In den Arbeitsverträgen mit dem ursprünglichen Träger des Krankenhauses ist die Anwendbarkeit der AVR in ihrer jeweils gültigen Fassung vereinbart worden. Diese sind auch nach Betriebsübergang auf eine GmbH jahrelang weiterhin dynamisch auf die Arbeitsverhältnisse der klagenden Parteien angewendet worden. Mit Wirkung zum 01.05.2007 hat die H-GmbH die Gesellschaftsanteile an der Beklagten übernommen.

Konzernobergesellschaft schließt mit ver.di Haustarifverträge ab

Die H-GmbH als Konzernmutter hatte zuvor am 16.01.2007 mit ver.di verschiedene Tarifverträge für die Unternehmen des Konzerns abgeschlossen. Außerdem schloss sie am 01.11.2007 mit ver.di einen Nachtragstarifvertrag ab, der für die Beklagte gelten sollte und nach dessen Maßgabe die Tarifverträge für die Unternehmen des Konzerns bei ihr zur Anwendung kommen sollten.

In Bezug genommene AVR Caritas sind günstiger und bleiben daher wirksam

Die Parteien stritten darum, ob nach dem Abschluss des Firmentarifvertrages die bisher auf die Arbeitsverhältnisse „anzuwendenden … AVR … in der jeweils gültigen Fassung“ noch anzuwenden sind. Dies haben alle drei Instanzen bejaht. Ein Haustarifvertrag kann die einzelvertraglich begründete Anwendbarkeit der AVR Caritas nicht ablösen. Vielmehr setzt sich die einzelvertragliche Abrede durch, wenn sie für die Arbeitnehmer günstiger ist (§ 4 Abs. 3 TVG). Nach Überzeugung des BAG schied eine Ablösung hier auch deshalb aus, weil der durch die H-GmbH abgeschlossene Tarifvertrag bei der beklagten Arbeitgeberin gar nicht gegolten habe. Die Beklagte sei weder durch ihre Konzernmutter ordnungsgemäß vertretene Tarifvertragspartei gewesen, noch habe ein tariffähiger Verband für sie gehandelt (§ 2 TVG).

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