BGH: Vollschichtige Erwerbstätigkeit ab der Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 04.08.2011

Erneut hat der BGH den Abschied vom Altersphasenmodell bestätigt und deutlich gemacht, dass grundsätzlich ab Vollendung des dritten Lebensjahres eine vollschichtige Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils verlangt werden kann:

Ein solcher gestufter Übergang setzt aber nach dem Willen des Gesetzgebers voraus, dass der unterhaltsberechtigte Elternteil kind- und/oder elternbezogene Gründe vorträgt, die einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils mit Vollendung des dritten Lebensjahres entgegenstehen (Senatsurteil vom 1. Juni 2011 - XII ZR 45/09 - zur Veröffentlichung bestimmt). Nur an solchen individuellen Gründen kann sich der gestufte Übergang im Einzelfall orientieren.

Das Berufungsgericht geht selbst davon aus, dass die gemeinsame Tochter die dritte Grundschulklasse besucht und nach der Unterrichtszeit im Rahmen der offenen Ganztagsschule betreut werden kann. Mangels weiterer Feststellungen ist nicht ersichtlich, ob es daneben einer persönlichen Betreuung durch die Beklagte bedarf, die einer Vollzeiterwerbstätigkeit entgegenstehen könnte.

Soweit das Berufungsgericht ergänzend darauf abstellt, dass die gemeinsame Tochter von Juli 2003 bis Dezember 2005 in einer Pflegefamilie wohnte und sich erst seit Januar 2006 im Haushalt der Beklagten aufhält, erschöpft sich dieser Vortrag in allgemeinen Ausführungen zur Betreuungsbedürftigkeit. Ob der damit verbundene Wechsel der Betreuungsperson auch für die hier relevante Zeit ab Februar 2008 eine persönliche Betreuung durch die Beklagte erfordert, hat das Oberlandesgericht nicht konkret festgestellt. Auch fehlen jegliche Feststellungen dazu, ob und in welchem Umfang eine persönliche Betreuung der gemeinsamen Tochter durch die Beklagte in den Nachmittagsstunden erforderlich ist.

Auch elternbezogene Gründe, die im Hinblick auf einen verbleibenden Betreuungsbedarf neben der Ganztagsbetreuung in öffentlichen Einrichtungen und einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit zu einer überobligatorischen Belastung der Beklagten führen könnten, hat das Oberlandesgericht nicht konkret festgestellt. Auch eine solche Belastung, die einer Vollzeiterwerbstätigkeit entgegenstehen könnte, kann nicht pauschal, sondern nur auf der Grundlage der individuellen Verhältnisse angenommen werden. 

BGH v. 15.06.2011 XII ZR 94/09

Trotz des Medienechos nichts wirklich Neues, wie Rechtsanwalt Kaßing zutreffend bemerkt

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