ArbG Hamburg: tarifliche Altersgrenzenregelung verstößt gegen Diskriminierungsverbot

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 11.09.2010

Die Diskussion um die Rechtfertigung tarifvertraglicher und arbeitsvertraglicher Altersgrenzenregelungen kommt auch nach der grundlegenden Entscheidung des BAG vom 18.6.2008 (NZA 2008, 1302) nicht zur Ruhe. Das BAG hatte in diesem Urteil entschieden, dass die dort streitgegenständliche tarifliche Altersgrenze zumindest auch allgemeinen beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischen Zielen diene und die Nachteile, die die von der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses betroffenen Arbeitnehmer durch die Altersgrenze erfahren, gegenüber der dadurch bewirkten Förderung der Beschäftigungspolitik und der Entlastung des Arbeitsmarktes als angemessen und erforderlich i.S.d. Art. 6 Abs. 12 RL 2000/78/EG anzusehen sei. Dem widerspricht das ArbG Hamburg (Urteil vom 26.7.2010 - 22 Ca 33/10) jetzt ausdrücklich unter Hinweis auf die neuere Rechtsprechung des EuGH (insbes. EuGH 5.3.2009 - C-388-07 - Age Concern, NZA 2009, 305); und dies obwohl die Tarifvertragsparteien im entschiedenen Fall durch eine entsprechende Protokollnotiz festgehalten hatten, dass sie mit der Altersgrenzenregelung primär arbeitsmarktpolitische Ziele verfolgten. Wörtlich heißt es in der Protokollnotiz: Neben der Förderung der Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen soll damit auch ein positiver Beitrag zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit geleistet werden." Das allein genügt dem ArbG Hamburg jedoch nicht. Insbesondere habe die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte keinerlei Umstände dafür vorgetragen, dass die automatische Beendigung aller Arbeitsverhältnisse, die durch den Tarifvertrag betroffen sind, erforderlich sei für die in der Protokollnotiz genannten Ziele. Vorfrage der Erforderlichkeit einer Maßnahme im Rahmen der Angemessenheit sei zunächst die Frage der Eignung der Maßnahme zur Erreichung der Ziele. Die im streitgegenständlichen Tarifvertrag enthaltene Altersgrenzenregelung enthalte zwar im Rahmen der Protokollnotiz Ziele, die als legitim im Rahmen von § 10 AGG bezeichnet werden könnten. Jedoch sei im Tarifvertrag keinerlei Regelung dahingehend getroffen worden, dass die Ziele durch die automatische Beendigung der Arbeitsverhältnisse auch erreicht werden. Es finde sich weder eine Regelung dahingehend, dass altersbedingt freiwerdende Arbeitsplätze durch Neueinstellungen wieder besetzt werden müssen noch dass dabei auf das Alter des einzustellenden Arbeitnehmers zu achten wäre. Durch die vorliegende tarifliche Altersgrenzenregelung erhalte die Beklagte als Arbeitgeberin vielmehr die Möglichkeit, Arbeitsverträge ohne entsprechende Neubesetzung auslaufen zu lassen und damit auf Dauer Personal einzusparen. Die tatsächliche Eignung der obligatorischen Verrentung für die Entlastung des Arbeitsmarktes und die Förderung der Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen sei vor diesem Hintergrund nicht erkennbar. Würde sich diese strenge Sichtweise durchsetzen, hätten aktuell wohl nur die wenigsten vertragliche Altersgrenzen Bestand. Man darf gespannt, wann der EuGH hier für Rechtsklarheit sorgen wird.

 

 

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