OLG Brandenburg: "ESO-Fotolinie fehlt? Jedenfalls nicht einfach freisprechen..."

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 13.08.2010
Rechtsgebiete: esoOLG BrandenburgFotolinieVerkehrsrecht|6069 Aufrufe

Das OLG Brandenburg hat sich mit einem Fall möglicherweise unzureichender Dokumentation der Fotolinie bei Messungen mit Messgeräten des Herstellers ESO befasst. Das AG hatte freigesprochen. Die Rechtsbeschwerde der StA hiergegen war erfolgreich (OLG Brandenburg, Beschluss v. 3.6.2010 - 2 Ss (OWi) 106 B/10 - nachfolgend auszugsweise):

....Zwar hat das Gericht vorliegend, an sich zutreffend, seiner kritischen Beurteilung des Messverfahrens die Erkenntnis zugrunde gelegt, dass bei allen technischen Untersuchungsergebnissen eine absolute Genauigkeit, also eine sichere Übereinstimmung der gemessenen mit der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit, nicht möglich ist. Vor diesem Hintergrund muss der Tatrichter sich bei der Berücksichtigung der Ergebnisse von Geschwindigkeitsmessgeräten bewusst sein, dass Fehler nicht auszuschließen sind.

Den nach den jeweiligen technisch-naturwissenschaftlichen Erkenntnissen möglichen Fehlerquellen hat er insoweit grundsätzlich durch die Berücksichtigung von Messtoleranzen zu Gunsten des Betroffenen Rechnung zu tragen. Die bloße Annahme möglicher Messfehler kann jedoch nicht von vorn herein die Unverwertbarkeit des Messergebnisses zur Folge haben.

Soweit das Amtsgericht vorliegend die Unverwertbarkeit des Messergebnisses an dem konkreten Umstand festgemacht hat, es fehle an einer korrekt gekennzeichneten und dokumentierten Fotolinie, hat es diese Erkenntnisse aus einer selbständigen Analyse des Aufbaus der Messstation gewonnen.

Zwar kann sich das Gericht gemäß §§ 79 Abs. 3 OWiG, 244 Abs. 4 Satz 1 StPO grundsätzlich auf seine eigene Sachkunde zur Klärung von Beweisfragen beziehen, sofern nicht die Hinzuziehung eines Sachverständigen erforderlich oder ausdrücklich vorgeschrieben ist. Beruft sich das Gericht jedoch auf die eigene Sachkunde, so muss das Ergebnis der diesbezüglichen Erwägungen immer eine tragfähige Grundlage für die Sachverhaltsaufklärung und Überzeugungsbildung bilden.Hieran fehlt es im vorliegenden Fall.

Ausweislich der Beschlussgründe hat das Gericht aus seiner Bewertung des vermeintlich fehlerhaften Aufbaus der Messeinrichtung lediglich einen sich aufdrängenden Verdacht einer Fehldokumentation entnehmen können. Eine diesbezügliche Gewissheit des Gerichts ist der Beschlussbegründung dagegen nicht zu entnehmen.

Der Verdacht der fehlerhaften Messung hätte daher für das Gericht Anlass sein müssen, eine weitere Sachaufklärung hinsichtlich der Relevanz der mutmaßlichen Fehlerquelle und seiner Auswirkung auf das Messergebnis mittels eines Sachverständigengutachtens in die Wege zu leiten und sich so die für die Überzeugungsbildung notwendige Gewissheit zu verschaffen. Diese gebotene weitere Sachaufklärung ist jedoch unterblieben, vielmehr hat das Gericht sich bei seiner Entscheidung rechtsfehlerhaft auf den bloßen Verdacht einer Fehlmessung gestützt..."

 

 

Zu ESO-Messungen: Fahrverbot in Bußgeldsachen, 2. Aufl. 2010, § 5 - siehe oben

 

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