Der verschwundene Mieter - kein Grund zur kalten Räumung - oder: wie sag ich es meinem Haftpflichtversicherer

von Dr. Klaus Lützenkirchen, veröffentlicht am 14.07.2010

Für den Anwalt tägliche Praxis: der Vermieter berichtet, dass der Mieter verschwunden ist und keine Miete mehr zahlt. Es sind zwei Monate vergangen, so dass die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB vorliegen. Jetzt kann ich doch räumen?

Weit gefehlt: das Faustrecht haben wir schon vor 1900 abgeschafft und § 229 BGB gewährt nur Sicherheit, soweit die Selbsthilfe tatsächlich reicht. Wer irrtümlich annimmt, es seien die Voraussetzungen der Selbsthilfe gegeben, haftet garantiemäßig nach § 231 BGB.

Aus diesem Gesichtspunkt wurde ein Vermieter zur Haftung dem Grunde nach herangezogen, weil er nach der Kündigung ohne Räumungsklage die Wohnung leer geräumt und wesentliche Teile der Einrichtung des Mieters beseitigt hatte. Daraufhin verlangte der Mieter Schadensersatz i.H.v. 62.000,00 €. Obwohl der Mieter spurlos verschwunden war, nimmt der BGH (Urt. v. 14. Juli 2010 – VIII ZR 45/09) - zu recht - an, dass die Voraussetzungen des § 229 BGB nicht vorlagen und sieht eine verschuldensunabhängige Haftung des Vermieters, weil keine Räumungsklage (mit öffentlicher Zustellung) geführt wurde.

Hätte heute abend ein Fenster (in Köln) offen gestanden, hätten mit Sicherheit die Voraussetzungen des § 229 BGB vorgelegen. Denn wer gesehen hat, wie sich das vom Himmel durch den Westwind getriebene Regenwasser durch die kleinsten Ritzen Bahn bricht, der weiß, welche Gefahr für die Bausubstanz einer Mietsache bestehen kann. Nur: das berechtigt noch nicht zur Räumung! § 229 BGB rechtfertigt allenfalls Sicherungsmaßnahmen (= Verschließen der Fenster).

Auch wenn man sich unbeliebt macht: Kündigung und Räumungsklage müssen im Zweifel mittels öffentlicher Zugestellung erfolgen. Nur so ist der Vermieter auf der sicheren Seite. Der Rechtsanwalt handelt schon pflichtwidrig, wenn er seinen Mandanten (Vermieter) nicht davon abzuhalten versucht, z.B. die Türschlösser auszutauschen, um das Vermieterpfandrecht durchzusetzen. Er muss vor dem Einbau eines neuen Schlosses warnen. Unterlässt er dies, begeht er eine Pflichtverletzung und haftet für den gesamten Mietausfallschaden, wenn der Mieter daraufhin das Mietverhältnis kündigt (OLG Koblenz v. 16.10.2003 - 5 U 197/03, NZM 2004, 39). In der vom BGH entschiedenen Kostellation drohen dieselben Konsequenzen - wenn der Vermieter anruft oder sonstwie sein Vorhaben durch des Anwalt absegnen lassen will.

 

 

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

5 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Leider wurde hier nur ein winziger Teilaspekt dargestellt.

Der Vermieter hat die Obhutspflicht über die Einrichtungsgegenstände.

Kommt er dem nicht nach, dann macht er sich Schadensersatzpflichtig !

Und das kann für den Vermieter, wie man in dem Urteil sieht, äußerst teuer werden.

 

Getrennt davon muss man die Räumung selbst sehen.

Das ist ganz klar strafbar. Die Strafhöhe richtet sich aber wohl kaum nach dem Wert der Einrichtungsgegenstände.

Meines Wissens nach kann die Strafe bis zu 3000 € betragen.

Der Schaden jedoch kann in Extremfällen über zu 30.000 betragen.

 

0

Die Frage die sich mir in einem aktuellen Fall stellt ist: Besteht ein Anspruch auf Schadenersatz wegen "kalter Räumung" auch dann, wenn der Mieter nach gerechtfertigter, außerordentlicher Kündigung wiederholt unter Zeugen angekündigt hat, er werde dann und dann ausziehen, er habe schon eine neue Wohnung, er aber nichts dergleichen tut ? Ich meine, in einem solchen Fall müsste doch treuwidriges Verhalten vorliegen, also ein Schadensersatzanspruch wegen der Räumung ausgeschlossen sein.

Völlig anders sieht es, das Amtsgericht Hagen mit 15 C 98/11 vom 16.09.2013

es weist die Klage der Mieterin auf Schadensersatz ab.

Mieterin war gerade mal 18 Tage abwesend, hatte ein Teil ihrer Habe beigeladen (ein anderer Mieter zog aus nach Berlin).

AG Hagen geht von Aufgabe der Wohnung aus obwohl Mobiliar noch komplett in der Mietwohnung war.

Ein Rechtsstreit bestand vor dem AG Hagen über Miete und Mietnebenkosten, beide Parteien anwaltlich vertreten wurden.

Einen grundsätzlichen Schadensersatz erkannte das AG Hagen, weil Vermieterin das Mobiliar entsorgt hat obwohl hier keine Aufgabe des Besitz bestand (lt. Ag Hagen), eine Inventarisierung und Dokumentation (durch Vermieterin) nicht vorlag (BGH bindet daran). Mangels Vortrag (der Geschädigten) über Beschaffenheit ec.ec wies das AG Hagen wegen schuldhaftem Verhalten der Mieterin( nicht genügend vorgetragen Qualität ec.ec.) den  Schadensersatz auch ab. Lapidar ohne Begründung wurde erklärt das BGH Urteil zieht in diesem Fall nicht. Alle Gründe des BGH die übereinstimmten wurden einfach übergangen. Mal sehen ob das Landgericht Hagen nun die Berufung annimmt.

0

Das Landgericht Hagen wies die Berufung und den Antrag auf PKH, der Klägerin unter 1 S 166/13 gegen das AG Urteil vom 16.09.2013 unter 15 C 98/11, ab.

Es führte aus, dass zwar eine verbotene Selbsthilfe vorliegen würde, aber die Klägerin obwohl unter Beweisnot geraten, den Schaden nicht hinreichend dargelegt hat.

Somit würde kein zulässiger und Erfolgsversrechender Berufungsantrag gestellt werden können.

Obwohl die Tatrichterin in einem Beweissbeschluss gleichzeitig einen Vergleichsvorschlag machte, indem sie  vorschlug Beklagte zahle einen Schaden  in Höhe von 2.300 Euro, Klägerin aber 85 % der Gerichtskosten, wies sie die Klage letztendlich vollumfänglich ab, weil eine Schadensschätzung völlig aus der Luft gegriffen wäre (mangels der Darlegungsmöglichkeit der Klägerin). Woher sie nun die Schätzung nahm für die Vergleichssumme erkärte sie nunmehr nicht.

Das Landgericht erkannte auch einen Schaden an, befand aber auch die Darlegung der Klägerin als nicht hinreichend, Klägerin hätte mit den Möbeln gelebt und müsste den zeitwert und Beschaffenheit zum Zeitpunkt der Räumung angeben können. Für beide Instanzen wurde von der Klägerin ein Gutachter beantragt, beide Instanzen reagierten nicht darauf.

Selbst die erfolgreiche Beweislast, dass die Wohnung eben nicht leer war, wie von der Beklagten mehrfach behauptet, musste nunmehr die Klägerin bezahlen. Sprich es erging Beweisbeschluss, den Beweis erbrachte Klägerin erfolgreich, Schaden wurde somit festgestellt, brauchte aber nicht gutgemacht werden und Klägerin darf den erfolgreichen Beweis auch noch selber bezahlen.

Nunmehr liegt die Entscheidung und Beschwerde gegen die Nichtzulassung und nicht Gewährung von PKH beim Bundesgerichtshof unter VIII ZA 29/13

0

zur Ergänzung das Landgericht sah nur bei einem geringen Teil eineansatzweise plausible Darlegung der Einrichtungsgegenstände und setzte den geringsten Wert dafür an nämlich eine Summe von 340 Euro somit weit unter der Zulassungsgrenze von 600 Euro

Kommentar hinzufügen