Der verschwundene Mieter - kein Grund zur kalten Räumung - oder: wie sag ich es meinem Haftpflichtversicherer
Gespeichert von Dr. Klaus Lützenkirchen am
Für den Anwalt tägliche Praxis: der Vermieter berichtet, dass der Mieter verschwunden ist und keine Miete mehr zahlt. Es sind zwei Monate vergangen, so dass die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB vorliegen. Jetzt kann ich doch räumen?
Weit gefehlt: das Faustrecht haben wir schon vor 1900 abgeschafft und § 229 BGB gewährt nur Sicherheit, soweit die Selbsthilfe tatsächlich reicht. Wer irrtümlich annimmt, es seien die Voraussetzungen der Selbsthilfe gegeben, haftet garantiemäßig nach § 231 BGB.
Aus diesem Gesichtspunkt wurde ein Vermieter zur Haftung dem Grunde nach herangezogen, weil er nach der Kündigung ohne Räumungsklage die Wohnung leer geräumt und wesentliche Teile der Einrichtung des Mieters beseitigt hatte. Daraufhin verlangte der Mieter Schadensersatz i.H.v. 62.000,00 €. Obwohl der Mieter spurlos verschwunden war, nimmt der BGH (Urt. v. 14. Juli 2010 – VIII ZR 45/09) - zu recht - an, dass die Voraussetzungen des § 229 BGB nicht vorlagen und sieht eine verschuldensunabhängige Haftung des Vermieters, weil keine Räumungsklage (mit öffentlicher Zustellung) geführt wurde.
Hätte heute abend ein Fenster (in Köln) offen gestanden, hätten mit Sicherheit die Voraussetzungen des § 229 BGB vorgelegen. Denn wer gesehen hat, wie sich das vom Himmel durch den Westwind getriebene Regenwasser durch die kleinsten Ritzen Bahn bricht, der weiß, welche Gefahr für die Bausubstanz einer Mietsache bestehen kann. Nur: das berechtigt noch nicht zur Räumung! § 229 BGB rechtfertigt allenfalls Sicherungsmaßnahmen (= Verschließen der Fenster).
Auch wenn man sich unbeliebt macht: Kündigung und Räumungsklage müssen im Zweifel mittels öffentlicher Zugestellung erfolgen. Nur so ist der Vermieter auf der sicheren Seite. Der Rechtsanwalt handelt schon pflichtwidrig, wenn er seinen Mandanten (Vermieter) nicht davon abzuhalten versucht, z.B. die Türschlösser auszutauschen, um das Vermieterpfandrecht durchzusetzen. Er muss vor dem Einbau eines neuen Schlosses warnen. Unterlässt er dies, begeht er eine Pflichtverletzung und haftet für den gesamten Mietausfallschaden, wenn der Mieter daraufhin das Mietverhältnis kündigt (OLG Koblenz v. 16.10.2003 - 5 U 197/03, NZM 2004, 39). In der vom BGH entschiedenen Kostellation drohen dieselben Konsequenzen - wenn der Vermieter anruft oder sonstwie sein Vorhaben durch des Anwalt absegnen lassen will.