Zahlen über rechte Gewalttaten - BILD-"Informationen" und die "seriöse" deutsche Presse

Wegen der Weihnachtsferien ist mir dies beinahe entgangen: Nach einer u.a. in der Süddeutschen Zeitung (aber als dpa-Meldung auch in vielen anderen seriösen Presseorganen) am 5. Januar verbreiteten Nachricht sollen in den ersten 11 Monaten des Jahres 2009 die rechtsextremen Gewalttaten von 682 auf 624 Taten und damit um 8,5 % gesunken sein - als Quelle wird die BILD-Zeitung angegeben. Schon vorher wurde mitgeteilt, die BILD-Zeitung habe Informationen über einen 50%igen Anstieg linker bzw. linksextremer  Gewaltstraftaten, absolute Zahlen dazu wurden allerdings nicht mitgeteilt.
Das BKA wollte sich auf Nachfrage nicht dazu äußern. Ein kleiner Faktencheck, der nur 5 Minuten dauert, und den Journalisten der dpa zu empfehlen ist: Im Jahr 2008 sind (vom BKA gezählt und im Verfassungsschutzbericht  veröffentlicht) über 1.000 Gewaltttaten mit rechtem Motiv-Hintergrund gezählt worden; die damaligen Fehlinformationen mit anderer Tendenz habe ich schon hier im Blog aufgegriffen, eine Zahl unter 700 ist aber weder für die ersten elf Monate von  2008 noch von  2009 realistisch. Grund dafür ist, dass zunächst vorläufige Zahlen ermittelt werden, die sich durch Nachmeldungen der Länderpolizeien noch erheblich verändern. (Anmerkung: Die amtliche Statistik unterscheidet zudem zwischen links bzw. rechts motivierten und links- bzw. rechtsextremen Taten, der Unterschied ist auf der linken Seite groß, auf der rechten klein; die Unterscheidung wird in der Presse aber meist vernachlässigt, woraus sich viele Desinformationen ergeben)
BKA-Chef Ziercke ging in einem Vortrag vor der Bundespressekonferenz kurz vor Weihnachten davon aus, das statistisch erfasste Niveau der rechten Gewaltdelikte werde im Jahr 2009 in etwa stabil bleiben. Anlass seines Vortrages war die Vorstellung einer Studie von Prof. Uwe Backes von der TU Dresden zum Zusammenhang zwischen NPD-Wahlmobilisierung  und rechtsmotivierten Gewaltstraftaten (Zusammenfassung). Es kann einen schon verärgern, dass Fehlinformationen der BILD-Zeitung in der seriösen Presse Deutschlands mehr Widerhall finden als solche Untersuchungen.

Wie Stefan Niggemeier im Bild-Blog berichtet, sollen die Zahlen der BILD wohl von der Website der Bundestagsabgeordneten Pau stammen, die diese durch kleine Anfragen ermittele. Es sei aber klar, dass es sich um vorläufige Zahlen handele, die sich bei der endgültigen Zählung noch gravierend veränderten.
Wenn dem so ist, ist ein Vergleich solcher vorläufiger Zahlen aber einfach Unsinn.
Es erscheint mir ein journalistischer Kardinalfehler, solche angeblichen Informationen der BILD ohne weitere Recherche  weiterzuverbreiten und damit politische Entscheidungen publizistisch zu beeinflussen.

Welche journalistische "Denke" dahintersteckt, hat Stefan Niggemeier so gut in seinem eigenen Blog kommentiert, dass ich dies jedem zum Weiterlesen empfehle.

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