Leserhinweis: BGH zum Schadensersatz beim Öffnen der Tür

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 07.01.2010Thomas Berthold von der Verwaltungsfachhochschule Wiesbaden - Abteilung Gießen hat mich auf die Entscheidung BGH, Urteil vom 6. Oktober 2009 - VI ZR 316/08 hingeiesen. Einmal mehr geht es um das Problem des Schadensersatzes aufgrund eines Unfalls, der durch das Öffnen einer Fahrzeugtür eines geparkten Fahrzeugs mit einem vorbeifahrenden Fahrzeug verursacht wird. Leitsätze des BGH: 

 

Die Sorgfaltsanforderung des § 14 Abs. 1 StVO erfasst auch Situationen, in denen der Insasse eines Kraftfahrzeugs sich im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Ein- oder Aussteigevorgang bei geöffneter Tür in das Kraft-fahrzeug beugt, um etwa Gegenstände ein- oder auszuladen oder einem Kind beim Ein- oder Aussteigen zu helfen.

Kommt es dabei zur Berührung der geöffneten Fahrzeugtür mit einem in zu geringem Abstand vorbeifahrenden LKW, kann eine hälftige Schadensteilung gerechtfertigt sein.

 

 

Aus den Entscheidungsgründen (Literatur und Rechtsprechungsnachweise habe ich gelöscht):

"...Die hälftige Quotierung des Schadens durch das Berufungsgericht lässt entgegen der Ansicht der Revision keinen durchgreifenden Rechtsfehler erkennen. Die Entscheidung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB oder des § 17 StVG ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt worden sind . Dies ist vorliegend der Fall.

a) Die Revision beanstandet ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe das Verhalten des Klägers am Maßstab des § 14 Abs. 1 StVO gemessen.

Nach dieser Vorschrift muss sich, wer ein- oder aussteigt, so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Diese Sorgfaltsanforderung gilt für die gesamte Dauer eines Ein- oder Aussteigevorgangs, also für alle Vorgänge, die in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit stehen, wobei der Vorgang des Einsteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtüre, der Vorgang des Aussteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtüre und dem Verlassen der Fahrbahn beendet ist. Erfasst sind insbesondere auch Situationen, in denen der Insasse eines Kraftfahrzeugs sich im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Ein- oder Aussteigevorgang bei geöffneter Tür in das Kraftfahrzeug beugt, um etwa Gegenstände ein- oder auszuladen oder - wie hier - einem Kind beim Ein- oder Aussteigen zu helfen. Die Sorgfaltspflicht des § 14 Abs. 1 StVO beschränkt sich entgegen der Ansicht der Revision nicht ausschließlich auf solche Vorgänge, bei denen sich durch das unvorsichtige Öffnen einer Fahrzeugtür ein Überraschungsmoment für andere Verkehrsteilnehmer ergibt. Das Gesetz stellt nicht auf das überraschende Öffnen einer Fahrzeugtür ab, sondern auf das Aus- und Einsteigen als solches, da ein solcher Vorgang aus unterschiedlichen Gründen mit erheblichen Gefahren für den fließenden Verkehr verbunden sein kann. Zwar ergeben sich die Gefahren beim Aussteigen vielfach daraus, dass eine Fahrzeugtür durch einen für den fließenden Verkehr nicht erkennbaren Fahrzeuginsassen überraschend geöffnet wird. Doch beschränkt sich der vom Gesetz erfasste Gefahrenkreis nicht ausschließlich darauf. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Sorgfaltsanforderung auch für Einsteigevorgänge gilt, bei denen der Ein-steigende in der Regel für den fließenden Verkehr erkennbar ist.

Im Streitfall beruht der Unfall auch darauf, dass der Kläger beim Ausstei-gen nicht die nötige Sorgfalt hat walten lassen. Entweder hat er, ohne auf den vorbeifahrenden LKW zu achten, die Tür weiter geöffnet oder diese jedenfalls nicht ausreichend festgehalten, um ein weiteres Öffnen durch die Sogwirkung des LKW zu verhindern. Wird beim Ein- oder Aussteigen ein anderer Verkehrsteilnehmer geschädigt, so spricht im Übrigen schon der Beweis des ersten Anscheins für fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung des Ein- oder Aussteigenden. Dieser Anschein ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Streitfall nicht erschüttert.

Ob etwas anderes gilt, wenn feststeht, dass sich der Ein- oder Aussteigende vor und während des Ein- oder Aussteigens vergewissert hat, dass sich kein rückwärtiger Verkehr nähert, und dass der Unfall ausschließlich auf einen zu geringen Seitenabstand des Vorbeifahrenden zurückzuführen ist, kann hier dahinstehen. Dass es für die Frage, ob die Sorgfaltspflicht des § 14 Abs. 1 StVO erfüllt ist, auf die Umstände des Einzelfalls ankommt, hat der erkennende Senat bereits früher entschieden.

b) Danach ist die Abwägung, die das Berufungsgericht gemäß § 17 StVG vorgenommen hat, nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht berücksichtigt, dass den Beklagten zu 2 eine erhebliche Mitverantwortung für den Unfall trifft, weil er angesichts der Umstände einen zu geringen Seitenabstand eingehalten hat. ..."

 

 

 

Vorsicht (Werbung):

Eine Rechtsprechungsübersicht für die gängigsten Fälle und der geildeten Quoten findet sich bei Kuhnert in: Krumm/Kuhnert/Schmidt, Straßenverkehrssachen - Basiswissen, Strategien, Arbeitshilfen, 1. Aufl. 2008, 2. Kapitel Rn. 80 ff. - hier übrigens eine Rezension des Buches  

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen