Politisches Wetterleuchten am Hindukusch oder Oberst Klein und das deutsche Strafrecht

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 13.09.2009

Im Krieg herrscht Kriegsrecht, das "Haager Recht", das in erster Linie dem Schutz der Soldaten dient, indem bestimmte Mittel und Methoden der Kriegsführung verboten sind, die als besonders grausam oder gefährlich gelten, aber auch die Zivilbevölkerung in bestimmten Situationen schützt, wenngleich  militärische Einsätze unter bestimmten Voraussetzungen kriegsvölkerrechtlich zulässig sind, auch wenn dabei Zivilpersonen verletzt oder getötet werden.

Bei dem "Stabilisierungseinsatz" in Afghanistan gilt für deutsche Soldaten nicht das Kriegsrecht, sondern das deutsche Strafgesetzbuch, nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB auch dann, sofern die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt. So weit so gut.

Faktisch kann sich kein Staat heraussuchen, ob seine Soldaten sich in einem Krieg befinden oder nicht. Rechtlich kann man sich jedoch vor dem "Krieg" drücken etwa mit dem platten Argument, dass ja dann nach dem Grundgesetz die Befehlsgewalt auf die Kanzlerin überginge. Fest steht: Deutsche Soldaten befinden sich am Hindukusch in einem bewaffneten Konflikt mit den Taliban und die Politiker halten durch ein eng begrenztes Mandat daran fest, den Einsatz nicht zum "Krieg" eskalieren zu lassen.

Wir erinnern uns: Nachdem ein Zugführer an einem Kontrollpunkt in wenigen Sekunden zu entscheiden hatte, ob auf ein Fahrzeug in schneller Zufahrt zu feuern ist oder nicht, dauerten die die anschließenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Deutschland einige Monate. Nach Lage der Dinge muss auch Oberst Klein mit einem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren rechnen. Nur: Ist das in der Sache der richtige Maßstab, an dem die Schüsse am Hindukusch zu messen sind?

Grotesk wird es, wenn Regierungsstellen ihre Weigerung, von Krieg zu sprechen, mit Blick auf die politischen Konsequenzen damit begründen, dass andernfalls die Angehörigen der Soldaten nicht in den Genuss ihrer Lebensversicherung kämen!

Wie lange muss unser "Parlamentsheer" noch auf die ihm zustehende parlamentarische Fürsorge warten? Ach ja, es ist ja schon wieder Wahlkampf und wir erinnern uns ...

 

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7 Kommentare

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Eine Verurteilung wegen Anstiftung zur fahrlässigen Tötung wäre fürwahr eine Sensation. Denn dass an Fahrlässigkeitsdelikten keine Teilnahme möglich ist, bestimmt schon der Gesetzeswortlaut ("... wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.").

In der Sache sind staatsanwaltliche Ermittlungen auch wegen möglicher Delikte nach dem Völkerstrafgesetzbuch richtig. Dass es aber nicht angeht, Soldaten, die in schwierigen Situationen undankbare Entscheidungen treffen müssen und dies nach bestem Wissen und Gewissen tun, für ihr Ungefährwerk zu verfolgen, ist auch klar.

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Es ist schon eine Farce, was sich unsere Parlamentarier und engagierten "Vorverurteiler" meinen gegenüber unseren Militärs erlauben zu können. Das Motto: "Wasch' mir den Pelz, aber mach' mich nicht naß! - Es funktioniert nicht!" Bedauern kann man nur die in Krisengebieten eingesetzten Soldatinnen und Soldaten, deren Verunsicherung nur noch steigt und deren Ansehen nur noch sinkt? Es ist wahrlich eine Freude, diesem Staat zu dienen, sei es als Polizist oder Soldat. Tun sie etwas - ist's verkehrt, tun sie nichts - ist's auch verkehrt. Hätte Oberst Klein nicht gehandelt und die Spritlladung wäre im Camp explodiert, dann hätte die Presse und Öffentlichkeit wahrscheinlich in die andere Richtung gebrüllt.

Geht doch für eine Woche in den Hindukusch, dann könnt ihr "vielleicht" mitreden, und wenn unsere Natofreunde geschwiegen hätten, wären sie "ebenso villeicht" Philosophen geblieben! Ich empfehle dem Kreis der Besserwisser als Pflichtliteratur http://www.rawa.org/list2.htm, dort findet man Beispiele für das Leben mit den Taliban - und Pakistan ist gar nicht so weit weg!

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Die Strafbarkeit im Fall Kunduz nach dem VStGB, dem StGB und IStGHSt behandeln Prof. Dr. Christoph Safferling und Rechtsanwalt Dr. Stefan Kirsch in ihrem (vor allem auch den Studierenden zu empfehlenden) Beitrag "Die Strafbarkeit von Bundeswehrangehörigen bei Auslandseinsätzen: Afghanistan ist kein rechtsfreier Raum", JA 2010, 81. 

Einen interessanten Beitrag zu einem militärischen Thema gab es auch kürzlich in Humboldt Forum Recht, Dr. Norbert Wagner schreibt über Pirata hostis generi humani - Zu den rechtlichen Grundlagen der Bekämpfung von Piraterie durch Seestreitkräfte: "Ist die Bundesmarine innerstaatlich nicht zur Pirateriebekämpfung auf Hoher See befugt, so steht ihrem Einsatz zugleich Völkerrecht entgegen, da dieses in Art. 107 und 110 SRÜ nur innerstaatlich befugten Kriegsschiffen die Pirateriebekämpfung gestattet." http://www.humboldt-forum-recht.de/deutsch/3-2010/index.html

 

Handelt es sich also um einen rechtswidrigen Militäreinsatz der Bundesmarine?

 

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Besten Dank für den Link! Die von Ihnen aufgeworfene Frage stellt sich in der Tat nach dem Lesen des Beitrags, weil der Autor (vielleicht weil im Bundesministerium für Verteidigung tätig) seine Ergebnisse nicht konkret auf den derzeitigen Einsatz am Horn von Afrika umsetzt (dazu finden Sie einiges im Blog, wenn Sie den Suchbegriff "Piraterie" eingeben). Mangels ausreichender Kenntnisse bin ich selbst leider nicht in der Lage, die Frage zu beantworten.

Sehr geehrter Professor von Heintschel-Heinegg,

der Autor gibt zwar ausdrücklich seine private Meinung wieder, aber zu konkret wird er vermutlich auch nicht evtl. fehlende rechtliche Grundlagen laufender Einsätze seines Arbeitgebers kritisieren wollen/ können. Wobei auch ohne Bezug auf den Einsatz am Horn fand ich gerade auch vor seinem beruflichen Hintergrund die Deutlichkeit der Ergebnisse seiner Untersuchungen in dem Beitrag bemerkenswert, so etwa:

"Das Schweigen der Verfassung zur Pirateriebekämpfung durch Streitkräfte muss insoweit in den Ausschluss des Einsatzes bewaffneter Streitkräfte münden, der auch dem einfachen Gesetzgeber die Möglichkeit nimmt, den Streitkräften die Aufgabe der unilateralen Pirateriebekämpfung zuzuweisen, zumal der Einsatz der Streitkräfte mit ihren „spezifisch militärischen Waffen“ zu materiell seepolizeilichen Aufgaben nicht zwangsläufig weniger Risiken birgt als ihr Einsatz zu klassischen Zwecken."

"Wo die Verfassung die Öffnung der „Büchse der Pandora“ nicht ausdrücklich gestattet, wie etwa bei der Landesverteidigung oder über Art. 24 Abs. 2 GG, ist der Regierung der Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland verwehrt, der stets alle Bürger betrifft und hochpolitisch und „wesentlich“ für den Staat in seiner Existenz und seiner Stellung in der Völkerrechtsgemeinschaft ist..."

"Eine staatliche Zuständigkeitsnorm zur seevölkerrechtlichen Pirateriebekämpfung ist zugunsten der Bundesmarine somit nicht nachweisbar, woraus folgt, dass die Bundesmarine seevölkervertragsrechtlich zur Pirateriebekämpfung nicht befugt ist..."

Mit besten Grüßen,

Florian

 

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