Verschenkte WM-Tickets: BGH bestätigt Freispruch des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der EnBW AG Prof. Dr. Utz Claasen vom Vorwurf der Vorteilsgewährung

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 16.10.2008

Hintergrund

im Dezember 2005 hatte der ehemalige Vorstandsvorsitzende der EnBW AG Prof. Dr. Utz Claasen veranlasst, den Weihnachtsgrußkarten auch Gutscheine für Eintrittskarten zu Fußballspielen der FIFA-WM 2006 in Stuttgart oder Berlin beizulegen. Unter den Empfängern waren der Ministerpräsident sowie mehrere Minister von Baden-Württemberg.

Freispruch in erster Instanz

Das LG Karlsruhe hatte den Angeklagten u.a. deshalb freigesprochen, weil es die Eintrittskarten nicht als - persönliche - Vorteile i.S. von § 331 Abs. 1 StGB wertete; die Tickets hätten den Begünstigten nur die Gelegenheit gegeben, Repräsentationspflichten nachzukommen, zumal die Mitglieder der Landesregierung ohnehin anderweit freien Zugang jedenfalls zu den WM-Spielen in Stuttgart gehabt hätten. Auch war das LG nicht von der tatbestandlich vorausgesetzten Unrechtsvereinbarung überzeugt (diese ist - infolge der seit dem 20.8.1997 geltenden Verschärfung des Korruoptionsstrafrechts - im Gesetzeswortlaut damit umschrieben, dass der Täter dem Amtsträger den Vorteil "für die Dienstausübung" anbieten, versprechen oder gewähren muss). Nach Auffassung des LG sei auch nicht nachzuweisen gewesen, dass der Angeklagte die Dienstausübung der begünstigten Amtsträger habe beeinflussen wollen. Vielmehr sprächen gewichtige Indizien dafür, dass der Angeklagte den Versand der Eintrittskarten im Bewusstsein und auf der Grundlage eines Sponsoring-Konzepts der EnBW zu Werbezwecken veranlasst habe.

BGH konkretisiert Vorliegen für Vorteilsgewährung

Der 1. Strafsenat des BGH hat mit Urteil vom 14.10.2008 - 1 StR 260/08 - die Revision der Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch verworfen (bislang liegt nur die Presseerkärung Nr. 189/08 vor). Das Urteil präzisiert die rechtlichen  Maßstäbe, nach denen das Vorliegen einer Unrechtsvereinbarung zu beurteilen ist: § 331 StGB scheidet nicht schon dadurch aus, dass eine Unrechtsvereinbarung in sozialadäquate Handlungen - wie die Durchführung eines für sich gesehen in strafrechtlicher Hinsicht gänzlich unverdächtigen Sponsoringskonzepts - eingebunden werde. Dass das LG sich vorliegend trotz der den Angeklagten erheblich belastenden Indizien nicht von einer (avisierten) Unrechtsvereinbarung hatte überzeugen können, also davon, dass der Angeklagte den Versand der Gutscheine veranlasste, um etwaige dienstliche Tätigkeiten der bedachten Amtsträger zu honorieren oder zu beeinflussen, nimmt der BGH im Ergebnis hin, da tatrichterliche Feststellungen nur in eingeschränktem Umfang der revisionsgerichtlichen Kontrolle unterliegen.

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"Nach Auffassung des LG sei auch nicht nachzuweisen gewesen, dass der Angeklagte die Dienstausübung der begünstigten Amtsträger habe beeinflussen wollen. Vielmehr sprächen gewichtige Indizien dafür, dass der Angeklagte den Versand der Eintrittskarten im Bewusstsein und auf der Grundlage eines Sponsoring-Konzepts der EnBW zu Werbezwecken veranlasst habe."

Oops, da sehe ich aber einen deutlichen Widerspruch in der Argumentation. Werbung ist Kommunikation, die auf Verhaltensbeeinflussung abzielt.

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