Politiker fordern «Erziehungscamps» und «Warnschussarrest» für jugendliche Straftäter

von Gast, veröffentlicht am 02.01.2008

Sport als Maßnahme für Intensivtäter

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hatte den Vorfall zum Anlass genommen, im Landtagswahlkampf über «zu viele kriminelle junge Ausländer» in Deutschland zu klagen und die bisherige Integrationspolitik als falsch zu geißeln. Hamburgs Innensenator Nagel sprach sich im «Hamburger Abendblatt» vom 02.01.2008 dafür aus, mehr Intensivtäter in Einrichtungen wie das hessische «Boxcamp» zu schicken, wo sie nach einem vorgegebenem Plan intensiv Sport treiben.

Camps nach US-Vorbild lehne er hingegen ab. «Niemand will den Willen von jugendlichen Straftätern brechen. Aber sie müssen lernen, dass es Grenzen gibt», sagte Nagel der Zeitung. Bundesjustizminister Brigitte Zypries (SPD) hatte zuvor Lager, in denen Jugendliche gedemütigt und gedrillt werden, mit Verweis auf die Menschenrechte abgelehnt.

Befristeter Arrest als «Warnschuss» für jugendliche Straftäter

Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) betonte in der in Hannover erscheinenden «Neuen Presse» vom 02.01.2008, dass für viele diese Einrichtung der letzte Ausweg aus einer kriminellen Karriere sei. Erziehungscamps seien für junge Straftäter eine große Chance, ein straffreies Leben zu führen. Bosbach sprach sich in der «Passauer Neuen Presse» vom 02.01.2008 zudem für den sogenannten Warnschussarrest aus, der zusätzlich zu einer Bewährungsstrafe verhängt werden könnte. Ein befristeter Arrest für jugendliche Straftäter von sechs oder acht Wochen «könnte äußerst heilsam sein, weil viele Jugendliche gar nicht wissen, was der Vollzug einer Jugendstrafe für sie persönlich bedeutet». Eine reine Bewährungsstrafe würden viele als «eine Art Freispruch» empfinden.

Zypries: «Warnschussarrest» fördert kriminelle Entwicklung Jugendlicher

In Sachsen sind nach Aussage von Justizminister Geert Mackenroth (CDU) geschlossene Erziehungsstätten außerhalb von Gefängnissen geplant. Das seit 01.01.2008 geltende Jugendstrafvollzugsgesetz sehe auf freiwilliger Basis solche Einrichtungen mit geordnetem Tagesablauf und klaren Regeln vor. «Es geht um eine innovative Form, Jugendstrafe zu vollziehen», betonte Mackenroth in der «Sächsischen Zeitung» vom 02.01.2008. Mackenroth sprach sich ebenfalls wie Bosbach dafür aus, «Arrest als gelbe Karte oben drauf zu satteln». Zypries lehnt den «Warnschussarrest» ab, weil Jugendliche dadurch nur noch krimineller würden. Bosbach und Mackenroth erneuerten auch Forderungen nach einer Heraufsetzung der Höchststrafe im Jugendstrafrecht von zehn auf 15 Jahre.

beck-aktuell-Redaktion, 2. Januar 2008 (dpa).

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

11 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Die Idee des Boxcamps von Lothar Kannenberg kann nur auf freiwilliger Basis funktionieren. Nur derjenige, der Boxen will, soll auch Boxen müssen.

Ein Warnschussarest ist gar nicht notwendig. Das Jugendstrafrecht sieht doch alle diese Möglichkeiten der Sanktionierung bereits vor. Der Schrei nach Warnschüssen ist doch nur Stimmunngsmache ohne Ursachen von jugendlichem Fehlverhalten zu reflektieren.

Stephan Schneider
www.pro-reo.net

0

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Schneider,

es freut uns, wenn sich in dieser für das Jugendstrafrecht weichenstellenden Frage schon vor dem offilziellen Start des Blogs eine Diskussion entwickelt!

Mit freundlichen Grüssen

Bernd von Heintschel

0

Die derzeitige Diskussion um eine Verschärfung des Jugendstrafrechts ist ja nun wirklich nicht neu.
An sich bin ich der Auffassung, ein Warnschussarrest würde nicht in das jugendstrafrechtliche Sanktionsgefüge passen. Aber wenn er denn käme, kann er nur sinnvoll funktionieren, wenn er entsprechend erzieherisch ausgestaltet wird. Aber das ist leider schon beim "normalen" Jugendarrest nur in geringem Umfang der Fall.
Statt (mal wieder) neue oder schärfere Sanktionen zu fordern, sollte man die vorhandenen Möglichkeiten endlich ausschöpfen. Hier wurde aber in den letzten Jahren einiges "kaputt" gespart. Viele an sich sinnvolle jugendstrafrechtiche Sanktionen können nicht eingesetzt werden, da es hierfür kein Geld gibt.
Es ist wenig populär, mehr Mittel für die Resozialisierung "böser" Straftäter zu fordern. Aber wenn man keinen reinen Verwahrvollzug will, muss man hier nunmal die entsprechenden personellen und finanziellen Mittel bereitsstellen. Eine längere Strafe macht Jugendliche nicht allein zu besseren Menschen.
Das (Jugend-)Strafrecht ist kein sozialpolitisches Allheilmittel, das die bei der Entwicklung junger Menschen an anderer Stelle gemachten Fehler so einfach wieder ausbügeln kann.
Man muss schon weit früher ansetzen, um Kriminalität zu verhindern.

Härtere Strafen sind auf der Rechtsfolgenseite für die Verurteilten definitiv unschön, aber glaubt tatsächlich irgendwer, dass ein Täter vorher über die Höhe seiner Strafe nachdenkt? Gerade bei Gewaltdelikten sind es die situativen Fakotren, die eine Rolle für die Tatbegehung spielen.

0

Der Auffassung von Herrn Dr. Paul stimme uneingeschränkt zu.

Wir sollten uns bei der aktuellen Diskussion immer wieder fragen, wie wir verhindern können, dass es überhaupt zu von Jugendlichen verübten Gewaltstraftaten kommt.

Natürlich muss man über den oft zögerlichen Einsatz der den Jugendrichtern zur Verfügung stehenden Maßnahmen bei bereits straffällig gewordenen Jugendlichen diskutieren.
Ich habe während meines Referendariats oft gestaunt, wie lang die Strafregister vieler Jugendlicher bereits waren, bevor überhaupt zu einer für den Jugendlichen m. E. spürbaren Erziehungsmaßnahme gegriffen wurde. Viele angeordnete Maßnahmen wurden meines Erachtens auch nicht richtig überwacht bzw. kontrolliert, da besteht sicher ein Vollzugsdefizit

Aber: Investition in präventive Maßnahmen im sozialen Bereich ist im Ergebnis doch viel sinnvoller.

Denn es gibt es keinen geborenen jugendlichen Gewaltstraftäter.

Die mangelhafte Erziehung vieler Eltern (sind oft nur mit Ihrem eigenen Leben beschäftigt), die dadurch resultierende fehlende soziale Kontrolle, die Perspektivlosigkeit am Arbeitsmarkt für minderqualifizierte Schüler bzw. fehlende Ausbildungsplätze, die immer weiter auseinanderklaffenden Verdienstmöglichkeiten (vom 1 Euro Job bis zum den absurd hohen Managergehältern) das sind doch häufig die Faktoren, die viele Jugendliche dazu bringen, sich immer mehr vom realen Leben zu entfernen und den Tag nur vor dem Fernseher oder mit Ihren ebenfalls perspektivlosen Freunden "rumzuhängen".

Wenn dann zwangsläufig Langeweile aufkommt, empfinden es einige Jugendliche als besonderen "Kick" Straftaten zu begehen und insbesondere Ihren Frust durch sinnslose Gewalt an anderen Menschen rauszulassen.

Da hilft dann auch kein höherer Strafrahmen mehr.

Wie Herr Dr. Paul schon schrieb:

"Das (Jugend-)Strafrecht ist kein sozialpolitisches Allheilmittel."

0

Auch ich stimme Herrn Dr. Paul zu. Mir erscheint insbesondere der von ihm angeführte Punkt der erzieherischen Ausgestaltung bezügliches des Arrestes wichtig.

Der BGH stellte ausdrücklich fest, dass alle Regelungen des Jugendstrafrechts auf dem Erziehungsgedanken basieren (BGH, NJW 2002, 73 (76)).
Aber sowohl bei der Verhängung der im JGG vorgesehen Sanktionen als auch bei der Ausgestaltung der Sanktionen sucht man oft vergeblich nach diesem Erziehungsgedanken.
Mancher Rechtswissenschaftler kommt sogar zu dem Ergebnis, dass der Erziehungsgedanke überflüssig sei, so wenig Beachtung finde er in der Praxis. Meiner Meinung nach wäre es wichtig, sich wieder auf den Erziehungsgedanken zurückzubesinnen und das bestehende Sanktionensystem sinnvoll zu nutzen. Das dies Geld kostet, ist klar. Jedoch ist es gut angelegt, wenn man bedenkt, dass man dadurch geringere Rückfallquoten erreicht.
Und wie Herr Dr. Paul und Herr Walter meiner Ansicht nach richtig urteilen, muss zusätzlich viel früher angesetzt werden. Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien müssen gefördert werden. Sie müssen eine Perspektive haben, damit ihnen ihre (straffreie) Zukunft wichtig wird.

0

Ruhe bewahren ist derzeit wichtig!

Als Vorsitzender des Bayerischen Richtervereins fällt es zurzeit schwer, ruhig und sachlich zu diskutieren. Die Politiker laufen heiß und reagieren fast hysterisch. So hat z.B. der Berliner Innensenator Körting mit den Worten, die „Psyche der Opfer ist Richtern scheißegal“, sie würden Straftäter als „Klein-Doofis“ behandeln und als „Allesversteher und –verzeiher“ Kriminelle als „Opfer spätkapitalistischer Produktionsweise“ betrachten, die absolut unterste verbale Schublade ausgeräumt. Sobald aber die Zeit der markigen Worte, der schnellen Schuldzuweisung und des Wahlkampfspektakels vorbei ist, wird eine rationale Analyse erforderlich werden.

Die umkämpften Vorschläge werden die Praxis nur marginal ändern

Es ist wohl müßig, über eine Erhöhung der Jugendstrafe auf 15 Jahre, den Warnschussarrest oder die Anwendung von Erwachsenenstrafrecht endlos zu diskutieren. Auch bei Einführung dieser möglicherweise sinnvollen Möglichkeiten werden die Jugendrichter nach der für Tat und Täter angemessenen Strafe oder Ahndung suchen und sie in der Regel auch finden. Wie bei den Erwachsenen werden aber Jugendstrafen über zehn Jahre die absolute Ausnahme bleiben. Im Übrigen bietet auch das Erwachsenenstrafrecht zahlreiche Möglichkeiten, angemessen zu reagieren.
Mögen doch die Politiker parlamentarische Mehrheiten suchen und über Gesetze entscheiden. Bei den vorgeschlagenen Erziehungscamps, -lagern, -internaten oder geschlossene Erziehungsstätten wird man jeweils nach dem therapeutischen bzw. pädagogischen Konzept fragen müssen, um die Sinnhaftigkeit überprüfen zu können.

Die Justiz muss unterstützt werden!

Sehr viel effektiver wird es sein, die konkrete Arbeit der Jugendstaatsanwälte und Jugendrichter zu unterstützen. Wir brauchen noch mehr fachliche Kompetenz, die Möglichkeit zu intensiver Fortbildung und vor allem auch eine geringere Fluktuation. Kontinuität ist gerade in der Arbeit mit jungen Menschen wichtig. Die Beteiligten müssen auch genügend Zeit haben, sich mit dem jungen Straftäter und seiner Tat zu beschäftigen, damit die richtige staatliche Reaktion erfolgen kann.

Diese Forderungen sind keineswegs standespolitisches Wunschdenken, sondern können jetzt schon nachgelesen werden in den offiziellen Richtlinien zu den §§ 36 und 37 JGG.

Die Zusammenarbeit mit Polizei, Einrichtungen der Jugendhilfe, Jugendgerichtshilfe und Bewährungshelfern muss verbessert werden. Bei der Frage, ob die Verfahren in angemessener Zeit erledigt werden, darf nicht nur auf die Verweildauer bei Gericht oder Staatsanwaltschaft abgestellt werden. Von eminenter Bedeutung für den Erfolg einer Ahndung ist vielmehr, dass die Zeit von der Straftat bis zur Vollstreckung möglichst kurz ist. Es ist kontraproduktiv, wenn heute von der gerichtlichen Entscheidung bis zur Vollstreckung eines Jugendarrestes drei bis vier Monate verstreichen.

Diese Aufgaben könne aber nur bei einer guten personellen Ausstattung angemessen erfüllt werden.

In Bayern fehlen sage und schreibe 199 Staatsanwälte und 212 Richter am Amtsgericht. Zudem werden offene Stellen in der Regel drei Monate nicht besetzt. Kann jemand ernsthaft glauben, dass ein Jugendrichter drei Monate lang zwei Referate betreuen kann?

Die Abschaffung dieser Missstände kostet aber Geld. Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen sind dagegen billig und würden den nächsten Doppelhaushalt nicht belasten. Hier endet auch der blinde Aktionismus der Politiker. Leider!

0

Herrn Böhm ist zuzustimmen. Allerdings ist auch die Justiz in die Pflicht genommen: Wie häufig erlebt man als Strafverteidiger junge Richterinnen und Richter in Jugendstrafsachen, die zwar durch das inzwischen übliche Prädikatsexamina jursitischen Sachverstand nachgewiesen haben, denen es aber an notwendigen Bezugspunkten mangelt. Ein Kollege hat einmal zuspitzend den Wunsch formuliert, einen Entscheidungsträger zu bekommen, der außer den Eltern und der mentalen Geborgenheit der Kammer auch noch das Leben kennengelernt hat.

Die Justiz und insbesondere die Jugendgerichtsbarkeit muß sich Quereinsteigern öffnen, die ihr Wissen über die Entwicklung von Jugendlichen und den soziokulturellen Hintergründen nicht nur in Form einigen wenigen Richterfortbildungen erlangt haben.

0

Ich kann meinen Vorrednern nur zustimmen:

In der juristischen Ausbildung ist Jugendstrafrecht "nur" ein Wahlfach. (Junge) Richter befassen sich mit diesem Thema allzu oft erst dann, wenn es von Ihnen gefordert wird. Die von § 37 JGG vorausgesetzte erzieherische Befähigung von Jugendrichtern und Jugendstaatsanwälten ist in manchen Fällen nur gering ausgeprägt. Eine Änderung der Vorschrift in eine Muss-Bestimmung wäre wünschenswert, da dies ein deutliches Zeichen in die richtige Richtung setzen würde.

Die personellen und finanziellen Probleme betreffen nicht nur die Justiz. Auch bei den Sozial- und Jugendämtern wurde in den letzten Jahren viel eingespart, was sich jetzt immer mehr als kontraproduktiv erweist. An sich sinnvolle erzieherische Maßnahmen können nicht oder nur mit einer erheblichen zeitlichen Verzögerung angeboten werden.

0

Als langjähriger Jugendrichter bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass das geltende Jugendstrafrecht bis in die 70-er Jahre des vorigen Jahrhunderts seinen Zweck durchaus erfüllt hat. Jetzt aber bei zunehmenden Freiheiten in multikultureller Gesellschaft erscheint unser Jugendstrafrecht nicht mehr hinreichend geeignet, den entstehenden bzw. schon entstandenen Auswüchsen der Kriminalität zu begegnen. Zu den geplanten Erziehungscamps kann man vorerst nicht Stellung beziehen, weil deren Ausgestaltung nicht bekannt ist. Im Hinblick auf die deutsche Vergangenheit und die Gepflogenheiten in sonstigen Diktaturen erwecken solche Einrichtungen eher unangenehme Assoziationen.

Im geltenden Recht ist das Hauptdilemma das völlig ausgeuferte Rechtsinstitut der Strafaussetzung zur Bewährung. Da kaum ein Richter oder Sachverständiger definitiv feststellen kann, ob sich ein Angeklagter schon die Verurteilung als solche zur Warnung dienen lassen wird, muss immer (in dubio pro reo) bei Erstverurteilungen von dieser Möglichkeit ausgegangen werden. Das hat sich in Täterkreisen schon lange herumgesprochen. Zur Bekämpfung der Gewaltkriminalität sollte daher die Bewährungsmöglichkeit bei Gewalttaten, angefangen bei gefährlicher Körperverletzung, für Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen grundsätzlich abgeschafft und nur in gesetzlich streng definierten und tatbestandlich erwiesenen Ausnahmefällen zugelassen werden. Der Bevölkerung sind jedenfalls weitere Opfer nicht zuzumuten nur um zu erproben, ob der Täter sich das Bewährungsurteil vielleicht zur Warnung dienen lassen wird. Der Gewalttäter hat bewiesen, dass er zur Gewalt bereit ist. Er soll dann in der Haft beweisen, dass er fürderhin geläutert ist. In diesen Fällen sollte daher Bewährung auf keinen Fall im Voraus, sondern vielmehr erst im Nachhinein nach teilweisem Vollzug bewilligt werden.

Die Sonderrechte für Heranwachsende sollten abgeschafft werden. Wem auf allen Gebieten des Lebens die volle Eigenverantwortlichkeit bescheinigt wird, dem kann man sie im Strafrecht nicht aberkennen, wo doch gerade auf diesem Gebiet das Gewissen, das Unrechtsbewusstsein normalerweise schon in frühester Jugend in Elternhaus, Kirche, Schule und auch Freundeskreis geschärft wird. Die Grenze zur vollen strafrechtlichen Verantwortlichkeit darf nicht fließend sein. Das erwartet ein Jugendlicher auch; er will und braucht in diesem Punkt "Rechtssicherheit". Etwaige Problemfälle werden ausreichend durch die Vorschriften der §§ 17, 20, 21 StGB aufgefangen.

Die Problematik der gerichtlichen Abwägung zwischen Jugend- und Erwachsenenstrafrecht zeigt sich besonders krass bei heranwachsenden (20-jährigen) Mördern. Angesichts des unterschiedlichen Strafmaßes (10 Jahre Jugendstrafe und lebenslange Freiheitsstrafe) neigt jedes Gericht zu Zweifeln an der Reife des Täters mit der Folge, dass in fast allen Fällen Jugendstrafrecht angesagt ist.

Die Grenze der Schuldfähigkeit von Kindern mit 14 Jahren sollte m.E. nicht in Frage gestellt werden; Kinder werden auch heutzutage charakterlich nicht eher reif als früher.

Die Sanktionslücke zwischen dem schärfsten Zuchtmittel (4 Wochen Dauerarrest ohne Bewährungsmöglichkeit) und der Mindestjugendstrafe von 6 Monaten (mit obligater Bewährungsmöglichkeit) schränkt die Flexibilität der Ahndungsmöglichkeiten für den Jugendrichter stark ein. Viele Jugendliche und vor allem deren Eltern empfinden es als absolut ungerecht, wenn der zur Jugendstrafe auf Bewährung verurteilte Haupttäter nicht einen Tag ein sitzt, während der weniger beteiligte Mitläufer 4 Wochen im Dauerarrest verbringen muss. Die Jugendlichen verstehen nicht, wenn man ihnen erklärt, der Arrestler gelte dafür als nicht vorbestraft. Für die Jugend zählt nur die Tatsache: Ich muss sitzen, der andere nicht.

Im Jugendstrafrecht sollte daher das Zuchtmittel des Arrestes auf sechs Monate ausgedehnt werden, um die unverständliche Lücke zwischen dem höchsten Dauerarrest (ohne Bewährungsmöglichkeit) und der Mindestjugendstrafe von einem halben Jahr zu schließen. Dabei sollte der Vollzug in besonderen Anstalten oder in einer besondern Abteilung einer JVA erfolgen. Der Vollzugsleiter muss allerdings bei erkennbarer "Arrestwirkung" den Rest zur Bewährung aussetzen oder ganz zu erlassen können. Wichtig ist nur, dass Gewalttäter die Folgen ihrer Tat durch sofortigen Freiheitsentzug zu spüren bekommen. Die Jugendrichter können so das Jugendstrafrecht viel flexibler handhaben.

Das Argument, ein Gefangener würde in der Haft durch die Mithäftlinge schädlichen Einflüssen ausgesetzt, sticht nur bedingt. Sicher wird sich ein prädestinierter Straftäter, dessen gemeinschädliche Anlagen durch unzulängliche Erziehung und Umwelt zur Entfaltung gebracht worden sind, nicht dem negativen Einfluss der Mitgefangenen entziehen können. Bei unverbesserlichen, nicht mehr erziehungsfähigen Jugendlichen (möglicherweise 2 %) spielen die schädlichen Einflüsse in einer Anstalt aber ohnehin keine Rolle mehr. Nach meiner Erfahrung wirkt ein (kurzer) Freiheitsentzug auf die Mehrheit der jugendlichen Straftäter durchaus abschreckend mit der Erkenntnis: "Nie wieder, wenn ich das gewusst hätte." Auch die Strafverbüßung als solche hat einen starken Sozialisierungseffekt.

Formellrechtlich ist die Notwendigkeit der Beschleunigung des Verfahrens nach der Tat unstrittig. Die Strafe muss der Tat auf dem Fuße folgen, am besten bereits am nächsten Tag. Zu diesem Zweck sollte bei Vergehen in der Regel werktäglich allmorgendlich ein Jugendrichter zur Verfügung stehen, dem der Beschuldigte zur Hauptverhandlung vorgeführt werden kann. Natürlich muss dabei das sog. "Beschleunigte Verfahren" und insbesondere das Recht der vorläufigen Festnahme bis zur Hauptverhandlung dieser Verfahrensweise gesetzlich angepasst werden. Nach tel. Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft sollte die Polizei auch gleich etwaig benötigte Zeugen vorladen können. Der Beschuldigte kommt so kaum in Versuchung, nach Einflussnahme Dritter sein polizeiliches (richtiges) Geständnis zu widerrufen und das Verfahren durch umfangreiche Beweisaufnahme zu strecken, um beim überlasteten Staatsanwalt und nicht minder belasteten Richter ein günstiges Ergebnis zu erreichen. Die Jugendlichen lernen sehr schnell, wie man das machen muss.

Bei erheblicher Gewaltanwendung, insbesondere wenn Jugendstrafe zu erwarten ist, sollte der Täter wegen Wiederholungsgefahr in Untersuchungshaft genommen werden können, wobei der Haftgrund gesetzlich indiziert sein sollte, um potentielle Opfer und den Beschuldigten vor sich selbst zu schützen. Es kann nicht angehen, dass das Opfer mit schweren Verletzungen im Krankenhaus liegt, während der Täter Beifall heischend in der Stadt spazieren geht. Auch kommt es nicht selten vor, dass ein Täter in seiner Unvernunft Straftat um Straftat anhäuft, bis er plötzlich nicht mehr weiß wie ihm geschieht, wenn er nach vielen Ermahnungen, Verwarnungen, leeren Drohungen und Bewährungsstrafen plötzlich 3 oder 4 Jahre Jugendstrafe erhält, bisher aber nie eine Anstalt von innen gesehen hat. Immer wieder hört man von Jugendrichtern die Worte: „Das ist die letzte Chance“, „das nächste Mal wird’s schlimm für Sie“ usw. Soll das ein abgebrühter Jugendlicher noch Ernst nehmen?

Das alles ist bereits im Jahre 2000 in Bayern erörtert worden. Die „Straubinger Interessengemeinschaft gegen Gewalt“ ist mit 5000 Unterschriften von Straubingern unter eine entsprechende Resolution zu Ministerpräsident Dr. Stoiber nach München gefahren, um auf diesem Wege beim Bund entsprechende gesetzliche Maßnahmen zu erreichen. Es war indes auf Grund der politischen Konstellation unmöglich (http://www.sr-antigewalt.de/).

0

Eine aktuelle Information:

In der Diskussion um ein verschärftes Vorgehen gegen junge Straftäter hat Nordrhein-Westfalens Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) am 19.01.2008 einen Kompromissvorschlag zur Einführung des so genannten «Warnarrests» im Jugendgerichtsgesetz vorgelegt. Nach ihren Vorstellungen sollte es dem Jugendrichter künftig möglich gemacht werden, zusätzlich zu einer Bewährungsstrafe einen Jugendarrest zu verhängen, wenn dieser – so wörtlich – «für das Erreichen des Zwecks der Bewährung erforderlich erscheint».

0

Kommentar hinzufügen