Sofortrente Sofort

Ulrich Dammann

Chuzpe ist bekanntlich, wenn jemand als Vollwaise um eine milde Strafe bittet, nachdem er seine Eltern ercschlagen hat.

Chuzpe ist auch, wenn man sich auf "politische Gründe" beruft, nachdem man seine Glaubwürdigkeit verspielt hat und deshalb sein Amt mehr nicht ausfüllen kann. "Actio libera in causa" lernt der Student im ersten Semester, Strafrecht AT.

Kann eine vom Amtsträger selbst herbeigeführte und von ihm allein zu verantwortende Amtsunfähigkeit einen "politischen" Rücktrittsgrund darstellen, der zur Sofortrente berechtigt?

Dass hier zumindest Prüfbedarf besteht, scheint offensichtlich. Nur nicht für Herrn Hagebölling, Chef des für die Festsetzung der Versorgungsbezüge zuständigen Bundespräsidialamtes. Man weiß, er ist dem Ex- Präsidenten persönlich eng verbunden, von ihm ins Amt mitgebracht und befördert. Das allein wäre Grund genug für eine vorherige Prüfung durch eine unabhängige Person oder Stelle gewesen. Auch in der Verwaltung gibt es Befangenheit. Stattdessen gab es Sofortrente durch Sofortentscheidung. Auch das ist Chuzpe. Strafrechtlich ausgedrückt: Anfangsverdacht der Untreue, Vorteilsgewährung. Warum wird das nicht diskutiert?

Für die Koalition ist es einfach peinlich. Versicherunggesellschaften oder Arbeitgebern passiert so etwas nicht. Hat ein Versicherter Vorschäden, Vorerkrankungen oder andere Sonderrisiken verschwiegen, geht er selbstverständlich leer aus, wenn es dann zum Schaden kommt. Ein leitender Angestellte, der sich in der Firma unmöglich gemacht hat, wird gekündigt. Herr W. soll befriedigt werden, damit möglichst rasch Ruhe ist. 

Und wo bleibt die Opposition? "Eindeutige Rechtslage", "Die Sache ist entschieden" - und jetzt: "Könnte Herr W. nicht bitte verzichten". Und: "Wir werden das ändern, später, natürlich nicht rückwirkend". Opposition findet nicht statt. Stattdessen: "Wir treten nicht nach". Das soll fair klingen. Wer verlangt, dass Recht und Gesetz beachtet werden, der "tritt nach"? Die politische Verantwortung wird abgeschafft? Ich fasse es nicht. Oder gibt es hier eine klammheimliche Solidarität der Anwärter politischer Altersversorgung? 

Eine parlamentarische Untersuchung werden wir nicht bekommen. Aber vielleicht kann die Strafjustiz zeigen, wo wir mit unseren politischen Institutionen stehen.

Dr. Ulrich Dammann

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
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