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Die Immunität des Bundestagsabgeordneten. Der Fall Edathy.

Rechtsanwalt Jürgen Held in Burgdorf

2014-05-14 18:18

Liebe Leserinnen und Leser,

seit geraumer Zeit kann man in der Presse den Streit um die Rechtmäßigkeit der Ermittlungen im Fall Edathy verfolgen. Neueste Variante ist die Frage, wann das Bundestagsmandat des Beschuldigten Edathy endete, denn danach ist die Rechtsmäßigkeit der Durchsuchungsanordnung der Staatsanwaltschaft bzw. des zuständigen Amtsgerichts zu beurteilen.

Kernfrage ist, ob das Mandat mit der Erklärung gegenüber dem Bundestagspräsidenten endete oder erst mit der Annahme dieser Erklärung durch den Bundestagspräsidenten. Bedarf also die Erklärung des Niederlegung des Mandats einer Annahmeerklärung durch den Bundestagspräsidenten oder erlischt das Mandat bereits mit dem Zugang der Erklärung.

 

Die Rechtsfrage ist m.E. eindeutig so zu beantworten, dass das Mandat bereits mit dem Zugang der Erklärung an den Bundestagspräsidenten erlischt, also der Durchsuchungsbeschluss rechtmäßig war.

Eine andere Beurteilung käme nur dann in Betracht, wenn (wie z.B. bei dem Anfall einer Erbschaft oder einer Wahl) der Empfänger der Erklärung noch eine Wahl hätte, die Rechtsfolgen aus der Erklärung abzulehnen (z.B. Ablehnung der Annahme einer Erbschaft, Ablehnung einer Wahl). Dies ist aber bei der Erklärung der Niederlegung des Bundestagsmandats nicht der Fall, so dass das Mandat schon mit dem Zugang der Erklärung an den Präsidenten des Bundestages erlischt. Der Präsident des Bundestages kann nicht erklären, dass der die Niederlegung des Mandats ablehnt. Eine Prüfung der Gründe für die Niederlegung eines Mandats sieht das Grundgesetz nicht vor.

Die Durchsuchung war damit insoweit rechtmäßig.

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
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13 Kommentare

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Ueberzeugt mich nicht. Die Annahme hat konstitutive Wirkung. Da koennte ja sonst jeder kommen. Sonst koennte sich der Bundestag naemlich eben mal in Luft aufloesen, was nicht sein kann. Und dann kann man auch kaum mehr eine Ausnahme fuer die Staatsanwaltschaft machen. Notstand? Die TAZ haelt es fuer eine Nebensaechlichkeit.

 

1. Ich will auch nur wissen, ob man ihm ueberhaupt irgendeine Straftat nachweisen kann.

 

a. Aus der Presse soll es Bilddateien im Log geben, was nichts heissen muss. Was auf einer website zu sehen ist, weiss man erst, wenn man sie aufgerufen hat. So wie man de n Inhalt einer Schrift auch erst kennt, wenn man sie gelesen hat. Hier muss ein strenger Massstab gelten, sonst ist das Recht nichts wert.

 

b. Dann soll es um Heftchen gehen, die vor 2008 nicht strafbar gewesen waeren und man weiss nicht, seit wann er die hat.

 

Nehmen wir einmal an, dass es nicht auf den Besitz ankommt, sondern das In-seinen-Besitz-Bringen entscheidend ist, denn nur dadurch koennen fremde Taten durch den Erwerb ihrer Fruechte und kuenftige durch das Anheizen des Marktes gefoerdert werden, wenn eine solche Foerderungswirkung gegeben waere.

 

Sind die Heftchen aelter und ist es moeglich, dass er sie schon vorher besass? Und wie alt sind vor allem die Photos?  Oder ist das egal?

 

2. Und was ist ohnehin wichtiger, Rumaenien oder Thueringen? Spricht der Fall nicht auch fuer  das Oppurtunitaetsprinzip? Die Achillesferse des NSA-Ausschusses, wir werden es nie wissen.

 

3. Am meisten gewundert hat aber die Art, mit der in Deutschland nunmehr canadisches und amerikanisches Strafrecht eingefuehrt werden soll. RICO, Pruederie, Hatecrimes. War es in der Odenwaldschule oder der katholischen Kirche jemals anders und was geht das andere als die Betroffenen an? Gibt es hier wirklich ein ernsthaftes gesellschaftliches Problem? Lest Erich Kaestner.

Hallo

 

für eine Verteidigung ist die Frage der Beendigung der Immunität von entscheidender Bedeutung, weil sich danch die Verwertbarkeit ggf. beschlagnahmter Unterlagen, hier wohl insbesondere Dateien richtet.

 

Das GG sieht keine Annahmeerklärung des Bundestagspräsidenten vor. Deshalb endet das Mandat mit dem Zugang der Erklärung an den Bundestagspräsidenten (als Behörde).

Wenn alle Bundestagsabgeordneten ihr Mandat niederlegen würden, müssten nach den Regeln des Bundeswahlgesetztes sofort Neuwahlen stattfinden.

Das ist aber wohl nur ein theoretisches Szenario.

Hier geht es um strafrecthlich relevante und interessante Fragen.

 

Liebe Kollegen,

 

danke für die Erörterung dieser interessanten Fragestellung. Die Rechtslage ist doch aber eindeutig!

Der Bundestagspräsident muss den Verzicht bestätigen. Machmal hilft ein Blick ins Gesetz.

 

Der Verzicht des Bundestagsdmandats wird durch § 46 Abs. 1 Nr. 4 BWahlG geregelt.

 

§ 47 Abs. 1 Nr. 4 wiederum schreibt folgendes fest:

§ 47 Entscheidung über den Verlust der Mitgliedschaft (1) Über den Verlust der Mitgliedschaft nach § 46 Abs. 1 wird entschieden...4. im Falle der Nummer 4 durch den Präsidenten des Deutschen Bundestages in der Form der Erteilung einer Bestätigung der Verzichtserklärung.   -> Da keine Bestätigung vorlag, sind die Rechtsfolgen ja wohl eindeutig.  

 

Hallo Kollegen,

 

der mediale Schlagabtausch geht munter weiter.

 

Heute berichtet die Neue Presse in Hannover, dass die Justizministerin des Landes Niedersachen die Durchsuchung für rechtmäßig hält. Interessant ist die Begründung: Nach Ihrer Version ist die Durchsuchung auch dann rechtmäßig gewesen, wenn die Immunität zu jenem Zeitpunkt noch bestanden hätte. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Natürlich wird kein Entscheidung zitiert, weil es keine gibt. Die Immunität schütze angeblich nicht den einzelnen Abgeordneten vor Strafverfolgung, sondern die Funktionsfähigkeit des Parlaments.

 

Erstmals hat sich nun auch der Vorsitzende des Immunitätsausschusses des Bundestags, Johann Wadepuhl, zum Fall geäußert. Er sieht einen klaren Verstoß gegen die Immunität des ehemaligen Abgeordneten Edathy.

 

So eindeutig ist die Rechtlage dann wohl doch nicht.

Abgesehen von der Frage nach dem, was da dann gefunden wurde, wie alt die Heftchen waren und ob man auch weiss, wie die Seiten und so weiter aussahen, wo die Bildchen draufwaren, und was das fuer den Vorsatz heisst, wo ein Kinderschaender ist koennen ausserdem immer auch zwei gewesen sein, stellt die TAZ wie vielleicht auch die Frau Minister auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweise ab.

 

Danach kommt es fuer die Verwertbarkeit jedenfalls im Ergebnis vielleicht gar nicht auf die Rechtsfrage an. Erinnere mich aber dunkel, dass dabei abzuwaegen ist, was Josef Isensee einmal den Tod der Jurisprudenz genannt hat. Sieh auch Leisner, Der Abwaegungsstaat. Der staatliche Strafanspruch, der Anspruch auf die Wahrheit, ist gegen die Rechte des Einzelnen, die hier aber wohl auch Rechte der Allgemeinheit oder jedenfalls konstitutiv fuer das Gemeinwesen sind, abzuwaegen.

 

Womit wir beim Wesentlichen angekommen waeren. War es wirklich so schlimm? Da hat sich einer Bildchen angeguckt nach dem Motto: Wollen Sie interessante Bildchen sehen? Da lob ich Hefendehls wunderbaren Aufsatz ueber die Rechtsgueter. Das Rechtsgut der Freiheit eines Abgeordneten duerfte abgesehen vielleicht von Mord alles ueberstrahlen und auf diese Freiheit, die er noch ein paar Stunden hatte, konnte er auch nicht wirksam verzichten.

Sehr geehrte Kollegen,

meines Erachtens ist die Rechtsansicht des Kollegen Held in Bezug auf die Wirksamkeit des Mandatsverzichts, und damit die Wirksamkeit von Durchsuchungs- und Beschlagnahmemaßnahmen, richtig.

Wenn man das Gesetz zur Lösung eines Rechtsproblems heranzieht, so sollte man die in Frage kommenden Paragraphen in Gänze lesen.

Tut man dies, so wird man unweigerlich auf § 46 III BWahlG stoßen.

Aus § 46 III 1 BWahlG ist zu erkennen, dass ein "wirksamer" Verzicht u.a. zur Niederschrift beim Bundestagspräsidenten erklärt werden kann bzw. muss. 

Satz 3 sagt nun, dass diese Verzichtserklärung nicht widerrufbar ist.

Dies bedeuted, dass es für die Wirksamkeit des Verzichts nicht auf eine Annahme des Bundestagspräsidenten ankommt, sondern auf die Einhaltung von Formalien. 

Der Bestätigung des Bundestagspräsidenten gem. § 47 I Nr 4 BWahlG kommt damit keine konstitutive Funktion zu, sondern nur eine deklaratorische. 

Die Bestätigung des Bundestagspräsidenten kann auch nur "bestätigen", dass eine wirksame Verzichtserklärung am Tag x abgegeben worden ist. 

Möchte man neben dem Gesetz noch den Zusammenhang des "großen Ganzen" heranziehen, kommt man auch nicht zu einem anderen Ergebnis. 

Denn es kann nicht vom Willen des Bundestagspräsidenten abhängen, wann ein frei gewählter Bundestagsabgeordneter sein Mandat freiwillig niedergelegt hat.

Dies wäre aber der Fall, wenn es auf den Zeitpunkt der Erstellung der Bestätigung des Mandantsverzichts ankommen sollte. Was wäre, wenn der Bundestagspräsident gerade im Wochenende ist oder sich im Urlaub befindet.... oder aufgrund von Kopfschmerzen früher nach Hause gegangen ist? Es würde vom Zufall und von Willkür abhängen können, wann der Verzicht wirksam wäre. 

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Was wäre, wenn der Bundestagspräsident gerade im Wochenende ist oder sich im Urlaub befindet.... oder aufgrund von Kopfschmerzen früher nach Hause gegangen ist? Es würde vom Zufall und von Willkür abhängen können, wann der Verzicht wirksam wäre. 

>>     Warum so eilig? Sowas stoert doch auch nicht in anderen Faellen.

Liebe Kollegen,

 

jetzt hat die Staatsanwaltschaft Hannover Anklage wegen des Besitzes kinderpornographischen Materials erhoben.

Im Zuge der Prüfung der Anklage durch das zuständige Landgericht Verden dürfte auch die Frage zu entscheiden sein, ob im Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses die Immunität von Herrn Edathy noch gegeben war.

 

Damit dürfte die Anklage stehen oder fallen.

Das Bundesverfassungsgericht hat gesprochen!

Beschluss vom 15. August 2014, 2 BvR 969/14

Leider ist aber immer noch noch nicht geklärt, ob der Bestätigung der Mandatsniederlegung duch den Präsidenten des Bundestages nur deklaratorische oder aber konstitutive Wirkung zukommt. 

 

Nach Auslegung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat die Annahme duch den Präsidenten des Bundestages nur deklaratorichen Charakter, weil , Zitat: "

Denn für die parlamentarische Arbeit ist es von ausschlaggebender Bedeutung, dass Klarheit darüber herrscht, wer dem Parlament angehört und wer nicht (mehr)."

Damit endet das Mandat in dem Augeblick, in welchem diese Klarheit herrscht. Nach meiner Auffassung ist das der Augeblick, in welchem der Präsidetn des Bundestages diese Feststellung durch ein entsprechendes Schreiben oder in sonstiger Weise trifft (z.B. unterschreibt). 

 

Auf eine Verlautbarung oder gar Zustellung an den ehemaligen Mandatsträger kommt es nicht an.

 

Für die Frage der Wirksamkeit des Durchsuchungsbeschlusses ist dann von Bedeutung, zu welcher Stunde und Minute im Verhältnis zur Tätigkeit des Präsidenten des Bundestages der Beschluss erlassen wurde (vom Richter unterzeichnet). Es geht hier also um Minuten, wenn nicht gar um Sekunden, die über Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit entscheiden. 

 

Jürgen Held

Rechtsanwalt in Burgdorf

 

 

 

Warum spricht das Argument des Bundesverfassungsgerichtes fuer eine nur deklaratorische Wirkung? Und was soll an dieser Wirkung ueberhaupt nur deklaratorisch sein? Deklaratorisch sind Dinge, auf die es nicht wirklich ankommt, wie die Anerkennung von Staaten. Schon die Tatsache, dass es darauf ankommt, spricht fuer konstitutiv.

Die Auslegung von § 47 Abs. 3 Satz 1 BWahlG des BVerfG ist nicht zwingend, m.E. auch nicht überzeugend. "Mit der Entscheidung" des BTP kann der Abgeordnete auch zu einem früheren Zeitpunkt ausscheiden, eben dem der Abgabe der Erklärung (dann deklaratorische Bestätigung, ansonsten, mit dem BVerfG, müsste man in der Tat von einer konstitutiven Wirkung sprechen).
Mit der Erklärung äußert der Abgeordnete den Willen, sein Mandat nicht mehr ausüben zu wollen; er steht dem Parlamentsbetrieb faktisch nicht mehr zur Verfügung; die Erklärung ist unwiderruflich; die Bestätigung des BTP muss niemandem zugehen. Welche "Rechtssicherheit" soll also durch diese Bestätigung geschaffen werden, die nicht schon mit der Erklärung besteht? Warum soll dem Bundestagspräsidenten die Entscheidung über den Zeitpunkt der Rechtswirksamkeit eines natürlichen, im Verhalten des Abgeordneten angelegten Geschehens zukommen, dessen Zeitpunkt auch nicht schwieriger für Dritte zu bestimmen ist, als seine Bestätigung?

Antwort auf Gast vom 17.09.2014

 

Wenn dem § 47 Abs. 3 Satz BWahlG lt. BVG die Beutung zukommt, dass "Klarheit darüber herrscht, wer dem Parlament angehört und wer nicht (mehr)" 

(was m.E. zutreffend ist), dann kann kein früherer Zeitpunkt in Betracht kommen, als der Moment, in welchem der Präsident des Bundestages diese Feststellung trifft.

Dies dürfte stets der Zeitpunkt der Unterzeichnung einer entsprechenden Festllung sein. Denn erst dann tritt diese Feststellung objetivierbar nach außen. In diesem Augenblick ist der Zweck des § 47 Abs. 3 BWahlG erfüllt, nämlich festzustellen, wer dem Parlament angehört oder wer nicht (mehr). Das ist der Augeblick, in welchem das Mandat automatisch erlischt. Dem Präsidenten des Bundestages steht kein materillees Prüfungsrecht zu. Er ist nur berufen, die Feststellung zur Mitgliedschaft im Parlament zu treffen, damit Klarheit darüber herrscht, wer dem Parlament angehört und wer nicht (mehr).

 

Jürgen Held

Rechtsanwalt in Burdorf

Liebe Kollegen,

 

zu der Problematik gibt es jetzt einen interessanten Artikel von Herrn Prof. Dr. Matthias Dombert, Potsdam im Anwaltsblatt. Hier der Link:

http://anwaltsblatt.anwaltverein.de/anwaltsblatt-datenbank.html

Leider ist damit immer noch nicht die Frage geklärt, zu welchem Zeitpunkt genau die Immunität des Abgeordneten endet.

Diese Frage wird wohl letztlich das Landgericht Verden in dem anstehenden Strafverfahren beantworten müssen.

 

Jürgen Held

Rechtsanwalt in Burgdorf

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