§ 154a StPO im OWiG! Kammergericht macht das auch!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 14.12.2022
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|1843 Aufrufe

Die Beschränkungd er Strafverfolgung (innerhalb einer prozessualen Tat) nach § 154a StPO ist schon im echten Strafverfahren eine echt tolle Sache, können so doch oftmals unangenehme und unübersichtliche Lagen prozessual sauber verschlankt werden.  Geht das aber auch im OWiG? Das war jedenfalls bislang ein recht unklarer Bereich der Rechtsprechung. Im Krenberger/Krumm heißt es dazu etwa bei § 47 OWiG:

Die Einstellung kann die ganze Tat im prozessualen Sinn (→ § 19 Rn. 21) erfassen, aber auch einzelne abtrennbare Aspekte der Tat wie in § 154a StPO, ebenso selbstständige, bisher gemeinsam verfolgte Taten wie in § 154 StPO. Der Rechtsgedanke des § 154a StPO ist damit im Rahmen des § 47 anwendbar. Dies ist in der Praxis weitgehend unbekannt, aber hilfreich. Eine Klarstellung (etwa im Beschluss- oder Urteilstenor) ist empfehlenswert.
(Krenberger/Krumm, 7. Aufl. 2022, OWiG § 47)

 

Nun hat das KG § 154a StPO nicht über § 47 OWiG angewendet, sondern analog und somit nach vorheriger Antragstellung der StA:

 

Die Verfolgung wird auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Berlin auf den Vorwurf, bei besonderer Verkehrslage eine freie Gasse fahrlässig nicht gebildet zu haben und hierdurch einen Rettungswagen behindert zu haben (§§ 11 Abs. 2, 1 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 1 und 11 StVO, 24 StVG, 19 OWiG), beschränkt.

 Die gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 11. Mai 2022 gerichtete Rechtsbeschwerde wird mit der Maßgabe als offensichtlich unbegründet verworfen, dass der Betroffene dieser Tat schuldig ist und die Geldbuße auf 300 Euro herabgesetzt wird. Das einmonatige Fahrverbot hat Bestand. Es wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

 Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen, soweit er verurteilt wurde.

 Gründe: 

 Das Amtsgericht Tiergarten hat den Betroffenen wegen „fahrlässigen Nichtbildens einer Rettungsgasse als Kraftfahrzeugführer bei stockendem Verkehr auf einer Autobahn in Tateinheit mit einem Einsatzfahrzeug, das blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn verwendet, nicht sofort freie Bahn verschafft zu haben“, zu einer Geldbuße von 360 Euro verurteilt und ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er ausdrücklich nur „die Verletzung materiellen Rechts“ rügt, (im Widerspruch hierzu) aber auch die „rechtsirrige Ablehnung des Beweisantrags“ geltend macht.

 Nachdem der Senat, wie aus dem Tenor ersichtlich ist, die bußgeldrechtliche Verfolgung entsprechend § 154a Abs. 2 StPO auf die Ordnungswidrigkeit nach §§ 11 Abs. 2, 1 Abs. 2 StVO, 19 OWiG beschränkt hat, richtet sich das Rechtsmittel nur noch gegen diesen verbliebenen Tatvorwurf. Es bleibt im Schuldspruch ohne Erfolg und ist insoweit aus den in der Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft bezeichneten Gründen nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1, 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen. Die im Verteidigerschriftsatz vom 15. Juli 2022 geäußerte Beanstandung, der Betroffene habe auf eine mögliche Verurteilung wegen § 11 Abs. 2 StVO hingewiesen werden müssen, dringt aus mehreren Gründen nicht durch. Zum einen ist diese Rüge der Verletzung der §§ 71 OWiG, 265 StPO weit nach Ablauf der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist der §§ 79 Abs. 3 OWiG, 345 Abs. 1 StPO angebracht und daher unzulässig. Zum anderen enthält bereits der Bußgeldbescheid diesen Vorwurf, so dass es eines rechtlichen Hinweises nicht bedurfte.

 Der Senat entscheidet über die Rechtsfolgen selbst (§ 79 Abs. 6 OWiG). Für die nach §§ 11 Abs. 2, 1 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 1 und 11 StVO, 24 StVG, 19 OWiG begangene Verkehrsordnungswidrigkeit erkennt der Senat auf eine Geldbuße von 300 Euro. Die moderate Anhebung der verwirkten Regelgeldbuße (Nr. 50.1 BKat: 240 Euro) rechtfertigt sich aus drei verwertbaren Voreintragungen im Fahreignungsregister.

 Das Regelfahrverbot hat aus den im Urteil des Amtsgerichts bezeichneten Gründen, an denen die Beschränkung der Verfolgung nichts ändert, Bestand. Die tenorierte Vollstreckungsprivilegierung beruht auf § 25 Abs. 2a StVG.

 Die Kostenentscheidung beruht im Umfang des Schuldspruchs auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

KG Beschl. v. 18.7.2022 – 3 Ws (B) 185/22 - 162 Ss 87/22, BeckRS 2022, 28726

 

Wichtig: Findet die Anwendung des § 154a StPO im Rahmen einer HV vor dem AG bei nichterschienener StA im Rahmend es § 47 OWiG statt, braucht es keines Antrags der StA insoweit. Ob der insoweit einschlägige § 75 Abs. 2 OWiG auch analog bei § 154a StPO analog-Beschränkung heranzuziehen ist, erscheint mir zweifelhaft, aber zugleich sinnvoll.

 

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